Auschwitzgedenktag

27. Januar 2025 in der Antoniterkirche


Die Antoniterkirche war voll besetzt. Foto: DKP Köln

2025 jährt sich die Befreiung des Vernichtungs- und Konzentrationslagers Auschwitz zum 80. Mal. Der Ortsname dient als Metapher des Grauens. Sie verweist auf das System des industriellen Massenmordes. Aber sie steht auch für den festen Willen des „Nie wieder!“: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschimus!
Demgegenüber drohen die Details der historischen Ereignisse zu verblassen. Das Grauen hat aber Gründe, Ziele und Nutznießer, deren sich die politische Erinnerung bemächtigen muss. Wie in den großen Demonstrationen gegen die AfD zu Anfang des Januar 2025.
Das KZ Auschwitz bestand aus drei großen Komplexen: dem Stammlager, dem Vernichtungslager Birkenau und dem KZ Monowitz, gebaut für Zwangsarbeit bei der IG Farben. Hinzu kamen 50 weitere Außenlager. Während der NS-Zeit ermordeten die Nazis dort über anderthalb Millionen Menschen. Auschwitz war Teil der gewaltigen Vernichtungsindustrie. Die faschistische Ideologie deklarierte Millionen Menschen im Namen der Herrschaft einer Rasse als minderwertig, missbrauchte sie als Arbeitssklaven und ermordete sie schließlich in den Lagern durch Hunger, Krankheiten und Gas. Und an den Fronten mit Panzern, Raketen, Gewehren.

Die diesjährige Auschwitzgedenkstunde in der Antoniterkirche nimmt einzelne Schicksale in den Blick. Opfer und Täter mit Namen und Adresse.

Ilga Grünholz ist nicht einmal vier Jahre alt, als sie nach Auschwitz verbracht wird. Ilga gehört zu einer Rom-Familie. Sie hat noch fünf Geschwister. Ihre Eltern sind Minna Grünholz und Johann Strauß. Der Vater ist Pferdehändler, darf seinen Beruf aber seit der Machtergreifung der Nazis nicht mehr ausüben. Im Mai 1940 werden die Eltern und drei der Geschwister zusammen mit rund 1.000 anderen rheinischen Sintizze und Romnja in das besetzte Polen deportiert.
Ilga kommt zunächst in das Städtische Waisenhaus am Sülzgürtel 43.
Der sogenannte Auschwitz-Erlass von Heinrich Himmler vom 16. Dezember 1942 befiehlt die Deportation der letzten im „Deutschen Reich“ noch verbliebenen Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Im Zuge dessen werden 23.000 Angehörige der Minderheit nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ilga ist unter ihnen. Mit ihr werden am 3. März 1943 die zwei noch verbliebenen Geschwister sowie die Großmutter ins Vernichtungslager transportiert. Sie überleben es nicht.

Erna Korn beginnt in Köln zunächst eine Ausbildung zur Hauswirtschaftlerin im jüdischen Altenheim in der Bachemerstraße 95 in Lindenthal. Ab 1941 fängt sie im Israelitischen Asyl in der Ottostraße eine Ausbildung zur Krankenschwester an. Sie hofft, damit ihrem Traum, Ärztin zu werden, ein Stück näher zu kommen. Im Mai 1942 wird das Gebäude von Bomben schwer getroffen. Die kranken und gebrechlichen Patientinnen und Patienten werden über das Sammellager für Kölner Juden und Jüdinnen in Müngersdorf nach Polen deportiert. Für Erna ist eine Rückkehr nach Köln nicht mehr möglich. Sie arbeitet bis Juli 1943 in einer Eisengießerei in Kaiserslautern, wo sich ihre Mutter aufhält.
Ende Juli 1943 werden beide nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Die Mutter wird am 8. November 1943 in der Gaskammer ermordet. Erna kommt am 16. September 1943 nach Ravensbrück, erlebt dort die Befreiung von den Nazis.

Der Kölner Ernst Ichenhäuser hat Glück, wie er sagt. „Am 18. Januar 1945 wurden alle im Lager, die noch marschieren konnten, zusammengerufen. Zuvor gab es, weil die Russen sich näherten, schon ständig Transporte, um unsere Zahl zu verringern. Es gab immer noch ungefähr 13.000 Menschen, die zusammengetrieben wurden und abmarschieren mussten. Die Spannung im Lager war auf dem Höhepunkt, denn wir konnten, wenn der Wind richtig stand, den weit entfernten Donner der Kanonen hören. Die SS verschwand mit einer solchen Geschwindigkeit, dass sie zwei neue Panzer zurückließ. In der folgenden Nacht wurde viel geschossen und am Tag danach, am Samstag 27. Januar, 3.30 Uhr nachmittags, marschierten die ersten russischen Soldaten in das Lager. Die Freude war enorm, die meisten Menschen fielen in die Arme der Soldaten, umarmten und küssten sie. So wurden wir befreit.“

Die Erinnerung an die Gewalttaten wird allein durch frühere Häftlinge und ihre Organisationen sowie die jüdischen Überlebenden der Shoa aufrechterhalten. Nach den Nürnberger Prozessen gibt es nur unbedeutende lokale Versuche, Täter zu bestrafen. 18 Jahre vergehen, bis im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess die Verbrechen zur Anklage kommen. Der Prozess, der vom 20. Dezember 1963 bis zum 20. August 1965 dauert, ist der größte öffentliche NS-Schwurgerichtsprozess der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte, maßgeblich angestoßen und vorbereitet vom hessischen Generalbundesanwalt Fritz Bauer.
Auf der Anklagebank sitzen 20 dem Anschein nach biedere Bürger, die sich als ehemalige Mitglieder der SS und des Lagerpersonals in Auschwitz für ihre Taten vor Gericht verantworten müssen: so z.B. Robert Mulka, der ehemalige Adjutant des Lagerkommandanten Rudolf Höß, Blockführer und Mitglieder der politischen Abteilung wie Hans Stark und Willi Boger sowie der Leiter der SS-Apotheke Victor Capesius und verschiedene SS-Ärzte. Sie werden auf der Grundlage des deutschen Strafrechts nach § 211 auf Mord oder der Beihilfe zum Mord angeklagt.
Um die individuelle Schuld der Männer festzustellen, tagt das Schwurgericht über 20 Monate an insgesamt 183 Verhandlungstagen. Vier Staatsanwälte vertreten die Anklage, 21 Auschwitzüberlebende treten als Nebenkläger auf. Insgesamt sagen 360 Zeugen vor Gericht aus, davon 211 Holocaustüberlebende, die aus 18 Ländern nach Frankfurt reisen.
Zum ersten Mal werden die Ereignisse, Strukturen und Handlungen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz durch die Zeugenaussagen der Überlebenden für alle sichtbar und hörbar. Um die Aussagen bewerten zu können, nimmt das Gericht auch einen Ortstermin in Auschwitz wahr.

Am 5. Oktober tritt Filip Müller in den Zeugenstand, der in Auschwitz einem Häftlings-Sonderkommando angehört hatte. Er war als jüdischer Tscheche von 1942 bis 1945 in Auschwitz und musste im Krematorium im so genannten Sonderkommando arbeiten. Er belastet besonders den Angeklagten Hans Stark, mit 42 Jahren der jüngste Angeklagte, verheiratet, zwei Kinder. Bei seiner Verhaftung 1959 ist er Lehrer an der Landwirtschaftsschule in Köln-Lövenich. Seiner Ehefrau erklärt er bei der Festnahme: „Ich glaube, ich habe Dir das noch gar nicht gesagt; ich war während des Krieges auch mal in Auschwitz. Deshalb werde ich jetzt abgeholt.“

Die Textcollage haben Ulrike Bach, Irene Franken und Beate Gröschel erstellt, gesprochen wurden sie von Maria Ammann, Renate Fuhrmann, Klaus Nierhoff. Die visuelle Präsentation stammt von Irene Franken/Kölner Frauenverein, es sang der Projektchor „In the Key of Life“, am Cello musizierte Christine Altmann, am Klavier Emi Noda.


Und zuletzt berichteten Schülerinnen und Schüler des Hansa-Gymnasium eindrucksvoll von ihrer Auschwitz-Reise. Foto: DKP Köln


Der Mahngang im Anschluß führte in diesem Jahr zur Bahnschwelle am Vorplatz des Hauptbahnhofes.

Klaus


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