TTIP, SPD und Gewerkschaften

Kölner Aktionen anläßlich des europäischen Aktionstags gegen TTIP, CETA, TiSa

Daß wir darüber sprechen, ist von dem Versuch der SPD-Führung veranlaßt, die DGB-Gewerkschaften zur Aufgabe ihres Widerstands gegen die internationalen Handelsabkommen, die gegenwärtig so heftig diskutiert werden, zu bewegen.
Mitte September haben DGB und SPD ein gemeinsames Papier veröffentlicht, unterzeichnet von Reiner Hofmann, dem DGB-Vorsitzenden, und Sigmar Gabriel, dem SPD-Vorsitzenden.



Am 20. September tagte der kleine Parteitag der SPD, der Parteikonvent, und fasste einen Beschluß mit dem Titel:
„Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“.
„Die laufenden Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) haben eine intensive gesellschaftliche Debatte über Chancen und Risiken eines solchen Abkommens angestoßen. Viele Menschen verbinden mit den TTIP-Verhandlungen erhebliche Sorgen. Vor allem haben sie die Befürchtung, dass durch TTIP bewährte Rechte und Standards in Europa etwa bei Arbeitnehmerrechten, dem Verbraucher, Umwelt- und Gesundheitsschutz, der öffentlichen Daseinsvorsorge, bei Kultur, Tierschutz oder bei Lebensmitteln unterlaufen werden könnten. Diese Sorgen nehmen wir sehr ernst. Zu einem Abbau von wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Standards darf es durch ein transatlantisches Freihandelsabkommen nicht kommen.
Es muss seinen Wert umgekehrt darin beweisen, dass es zu Fortschritten beim Schutz von
Arbeitnehmerrechten, dem Verbraucherschutz und nachhaltigem Wirtschaften im globalen
Maßstab beiträgt. Ein transatlantisches Handelsabkommen kann die Chance eröffnen, dass mit Europa und den USA die zwei größten Handelsräume weltweit zusammenwachsen und
Maßstäbe setzen. Diese normsetzende Kraft des Abkommens kann zum Hebel einer politischen Gestaltung der wirtschaftlichen Globalisierung werden.“

„Der Parteikonvent der SPD unterstützt Bundeswirtschaftminister Sigmar Gabriel ausdrücklich, die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) auf der Grundlage des gemeinsamen Papiers von Wirtschaftsministerium und DGB sowie des Beschlusses des Parteikonvents fortzuführen:
1. Handelsgespräche zwischen den großen Wirtschaftsräumen USA und EU, die in ein
Freihandelsabkommen münden, eröffnen die Chance, die bilateralen
Handelsbeziehungen zu intensivieren und dabei fair und nachhaltiger zu gestalten. Das
Abkommen könnte auch dazu beitragen, faire und nachhaltige Handelsregeln global
voranzutreiben und Maßstäbe zu setzen. Es geht darum, zusätzlichen Wohlstand
tatsächlich breiten Bevölkerungsschichten zukommen zu lassen, wirtschaftliche, soziale
und ökologische Standards zu verbessern, sowie faire Wettbewerbs- und gute
Arbeitsbedingungen zu schaffen. (dieser Punkt ist identisch mit dem Punkt 1 des Hofmann/Gabriel-Papiers)
2. Die Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) müssen mit
dieser Zielsetzung geführt werden. Geheimhaltungsvorschriften und Intransparenz
dürfen eine angemessene öffentliche Debatte nicht verhindern. Dabei sind die
Ergebnisse einer laufenden, umfassenden Folgeabschätzung unter Beteiligung der
Zivilgesellschaften zu berücksichtigen. (ebenfalls identisch)
[...]
8. Prinzipiell ist auszuschließen, dass das demokratische Recht, Regelungen zum Schutz
von Gemeinwohlzielen zu schaffen, gefährdet, ausgehebelt oder umgangen wird oder
dass ein Marktzugang, der solchen Regeln widerspricht, einklagbar wird. Die Fähigkeit
von Parlamenten und Regierungen, Gesetze und Regeln zum Schutz und im Sinne der
Bürgerinnen und Bürger zu erlassen, darf auch nicht durch die Schaffung eines
„Regulierungsrates“ im Kontext regulatorischer Kooperation oder durch weitgehende
Investitionsschutzvorschriften erschwert werden.
Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU
grundsätzlich nicht erforderlich und sollten nicht mit TTIP eingeführt werden. In jedem
Fall sind Investor-Staat-Schiedsverfahren und unklare Definitionen von
Rechtsbegriffen, wie ‚Faire und Gerechte Behandlung’ oder ‚Indirekte Enteignung’
abzulehnen.“

Das Hofmann/Gabriel-Papier ergänzt: „Die Europäische Kommission hat nun ein Verhandlungsmoratorium zum Investitionsschutz beschlossen und eine dreimonatige Öffentliche Konsultation zu 3 dieser Frage ab März 2014 eingeleitet. Das Verhandlungsmoratorium ist zu begrüßen, zumal es eine grundsätzliche öffentliche Debatte über Investitionsschutz erlaubt. Probleme – wie die Einschränkung staatlicher Regulierungsfähigkeit und die Gefahr hoher Entschädigungs- und Prozesskosten für Staaten, wegen privater Klagen gegen legitime Gesetze – existieren schließlich auch schon aufgrund existierender Investitionsschutzabkommen.“

Diesem Vorgang zwischen DGB und SPD folgte eine Berichterstattung, die befürchten ließ, daß sich die Gewerkschaften von der SPD haben einbinden lassen, und zu einer Stellungnahme der IG Metall. Allerdings las ich das nur bei der IG Metall München. Die teilte am 24. September mit:
„Angesichts zum Teil irreführender Berichterstattung in den Medien hat der erste IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel die Haltung der IG Metall zu dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA erneut bestätigt: Wird auch nur eine ihrer Kernforderungen nicht erfüllt, bleibt es beim klaren ‚Nein’.
Die IG Metall fordert unverändert nachdrücklich, dass durch das Freihandelsabkommen weder Arbeitnehmerrechte, noch Verbraucherschutz oder Sozial- und Umweltstandards gefährdet werden dürfen. Außerdem lehnt sie jede Art von Investitionsschutzabkommen ab und fordert, dass die USA alle Kernarbeitsnormen der ILO unterzeichnen.
Die aktuellen Verhandlungen zum Handelsabkommen CETA mit Kanada haben aus Sicht der IG Metall eine Signalfunktion darüber, wie ernst die Bundesregierung die Einwände der Gewerkschaften nimmt. Den derzeitigen CETA-Entwurf, der unter anderem einen Investitionsschutz vorsieht, muss die Regierung ablehnen und diese Haltung auch im EU-Rahmen ohne Wenn und Aber vertreten.
Vor diesem Hintergrund weist die IG Metall auf den bundesweiten, dezentralen Aktionstag gegen TTIP am 11. Oktober hin, zu dem ein breites Bündnis von Kritikern aufruft. Das Ziel ist eine grundlegende Wende in der Handelspolitik, um vor die Profitinteressen von Konzernen Menschenrechte, Demokratie und Umwelt zu setzen. Die regionalen Stellen der IG Metall engagieren sich in vielen Städten und Regionen in diesen Bündnissen.“

Am 18. September hatte Albrecht Müller von den Nachdenkseiten über die Veröffentlichung der Süddeutschen geschrieben. Überschrift „DGB sagt ‘Ja, aber’ zu Freihandelsvertrag.“ „Bisher lehnten die Gewerkschaften das transatlantische Abkommen TTIP strikt ab. Nun hat SPD-Chef Gabriel sie umgestimmt”, im Internet heißt es sogar „DGB vollzieht Kehrtwende bei Freihandelsvertrag”. Glücklicherweise seien diese Berichterstattung und insbesondere diese Überschriften irreführend. Sie beziehen sich auf ein bereits vor Monaten zwischen DGB und Wirtschaftsministerium verhandeltes gemeinsames Papier. Darin werden Anforderungen formuliert, die an die Bedingungen anknüpfen, die der DGB Bundeskongress beschlossen hat und die für den DGB weiterhin maßgeblich sind. Von Kehrtwende kann keine Rede sei.
Manche Forderungen des DGB seien allerdings abgeschwächt formuliert, um eine Verständigung mit dem BMWi zu ermöglichen, so meint man in Gewerkschaftskreisen, schreibt Albrecht Müller. Andererseits verpflichte sich das Wirtschaftsministerium damit auf Anforderungen an ein TTIP, die im Widerspruch zu den bisher bekannt gewordenen Verhandlungspositionen und auch zu den Inhalten des CETA-Abkommens stehen. So gesehen hätte man ebenso titeln können: “Gabriel lehnt TTIP ab, wenn nicht weitreichende Bedingungen erfüllt sind”.
Das war aber wohl nicht die Botschaft, die die Süddeutsche Zeitung und ihre Informanten der Öffentlichkeit vermitteln wollten. Zu diesen Informanten dürften auch Spindoktoren des Bundeswirtschaftsministeriums, also Gabriels Leute, gehören. Im Blick auf den SPD-Konvent am kommenden Samstag, bei dem Anträge zur Aussetzung der Verhandlungen und für die Veröffentlichung der bisher geheim gehaltenen Verhandlungsdokumente zum TTIP vorliegen, soll wohl die Botschaft verbreitet werden, der DGB sei eingeschwenkt. Das könnte für den DGB-Vorsitzenden Hoffmann gelten, für den DGB insgesamt gelte es nicht, so die Informationen der Nachdenkseiten.

Wolfgang R.(den ich gebeten hatte, heute zu diesem Thema zu referieren, der aber durch seinen Aufenthalt auf einer griechischen Insel verhindert ist) versichert mir per Mail: Die Einzelgewerkschaften IGM, GEW als auch Ver.di hätten das Vorgehen des DGB-Bundesvorstandes und der SPD scharf kritisiert.

Er teilt mir auch mit, daß der Bürgerantrag von Christine Reinicke, der von der Anti-TTIP-Veranstaltung in der Feuerwache von 180 Teilnehmern gebilligt worden ist, in der Kölner SPD heftig diskutiert wird. Es erscheint möglich, daß die Sozialdemokraten den Bürgerantrag unterstützen wollen. Grüne, PdL und Piraten habe ihre Unterstützung zugesagt. Ab dem 07.10. werden stadtweit dazu Unterschriften gesammelt.

Wortlaut des Bürgerantrags:
„Der Rat der Stadt Köln lehnt die Abkommen TTIP, CETA und TISA ab. Es handelt sich bei diesen Abkommen um bi- und plurilaterale Handelsverträge, die die Gestaltungsmöglichkeiten von Städten und Gemeinden und ihrer Bürger und Bürgerinnen nachhaltig einschränken könnten und in erster Linie den Interessen von multinationalen Konzernen dienen. Diese Verträge stellen einen massiven Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar.
Die Stadt Köln wird diese ablehnende Haltung in geeigneter Weise gegenüber der Landes- und Bundesregierung sowie dem Europäischen Parlament deutlich machen und sich in den kommunalen Spitzenverbänden dafür einsetzen, dass diese sich ebenfalls gegen den Abschluss bzw. die Ratifizierung der Handelsverträge positionieren. Sie wird darüber hinaus ihre Möglichkeiten nutzen, die Öffentlichkeit über ihre ablehnende Haltung zu den Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA zu informieren.“

Zum Beschluss der SPD auf ihrem Parteikonvent habe die Linksfraktion, berichtet Wolfgang, folgende Stellungnahme abgegeben:
„‚Rote Linien’ der SPD bei Freihandelsabkommen mit Kanada längst überschritten
Der SPD-Parteikonvent hat am Wochenende die große Chance verpasst, den Abschluss des Freihandels- und Investitionsabkommens mit Kanada (CETA) und die weiteren TTIP-Verhandlungen mit den USA zu stoppen. Doch immerhin verabschiedeten die Delegierten ein Papier, das ‚Rote Linien’ festschreibt, die bei den Verhandlungen nicht überschritten werden dürften. In der Realität sind diese jedoch längst überschritten. Der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, Klaus Ernst, forderte den SPD-Vorsitzenden und Bundeswirtschaftsminister Gabriel daher auf, den jetzigen CETA-Vertragsentwurf nun umgehend aus dem Verkehr ziehen lassen.“

Kurz: der Versuch der SPD-Führung, die Gewerkschaften einzubinden, ist für sie riskant. Es gibt gute Chancen, daß er scheitert. Wir stärken die Bewegung gegen TTIP.
Ich verweise auf die Kölner Aktionen anläßlich des europaweiten, dezentralen Aktionstags gegen TTIP, CETA, TiSa und die Freihandelsagenda der Konzerne.

Donnerstag, 9. Oktober: 15.30-17.30 Uhr: Stoppt die Privatrichter für Konzerne!
Ort: Agrippinaufer, Höhe Ubierring
Protestaktion gegen die Anwaltskanzleien Luther und Freshfields in der Südstadt. Beide Kanzleien sind aktiv an internationalen Schiedsgerichtsverfahren gegen Staaten und deren Gesetze beteiligt. Luthers vertritt derzeit Vattenfall im Verfahren gegen die Bundesrepublik und klagt auf 3,7 Mrd. Euro Schadenersatz wegen der Stilllegung der AKW Brunsbüttel und Krümmel.

Samstag, 11. Oktober: 10:30-14:00 Uhr: Aktionstag gegen TTIP, CETA und TISA!
Ort: Antoniterkirche/Schildergasse, Kundgebung mit Redebeiträgen, Straßentheater, Kabarett und Musik mit Tanja Haller, Alexis Passadakis, Klaus der Geiger, Pappnasen rot-schwarz, Wilfried Schmickler (angefragt). Außerdem: Infos zum Bürgerantrag „Köln gegen TTIP“
Info- und Diskussionsveranstaltungen

Am Nachmittag des 11. Oktober, ab 14:30 Uhr in der Alten Feuerwache:
Workshops „Soziale Proteste in Europa“
Um 14.30 Uhr: Vorstellung der Workshopthemen
Um 15.15: Workshops
Workshop 1: CETA, TTIP und andere Freihandelsabkommen (N.N., Attac)
Workshop 2: Militarisierung der Europäischen Polizei zur Grenzsicherung (M. Monroy)
Workshop 3: EU, Nato-Osterweiterung und die Ukrainekrise (Günter Küsters)
Workshop 4: Energiekämpfe und die Bewegung für Klimagerechtigkeit – unter den Aspekten TTIP/CETA (Alfred Weinberg)
Workshop 5: Unsere Antwort auf eure Krise - Selbstverwaltung im
Betrieb! (H.J. Hilse)
Ab 17.30 : Vorstellung der Workshopergebnisse und Podiumsdiskussion:
„Fortsetzung der sozialen Proteste in Köln für Frieden und Gerechtigkeit
in Europa und der Welt“ (Moderation: Michael Sünner, DFG-VK)

Klaus, 7. Oktober 2014