Sonnensucher! Die Kunstsammlung der Wismut

Ausstellung in der Orangerie in Gera

(verlängert bis 11. Mai 2014)

Bergarbeiter im Schacht.

Der che­mi­sche Ge­halt der Pech­blen­de ist erst von Mar­tin Hein­rich Kla­proth rich­tig ana­ly­siert wor­den. Ura­nit nann­te er das Mi­ne­ral. Ab 1790 hör­te es auf den Na­men Ura­ni­um. Es kam in Joa­chims­thal als Ur­an­oxyd vor und wur­de im 19. Jahr­hun­dert zum Fär­ben von Glas ver­wandt. Uran hieß es nach Ur­a­nos, dem sieb­ten Pla­ne­ten des Son­nen­sys­tems, der acht Jah­re vor­her, von Fried­rich Wil­helm Her­schel (1738-1822) ent­deckt wor­den war. Erst Hen­ri Be­que­rel be­merk­te 1896 die Ra­dio­ak­ti­vi­tät des Mi­ne­rals. Für die­se Be­zeich­nung ist Ma­rie Cu­rie ver­ant­wort­lich, sie ent­deck­te auch das Ra­di­um. Für ih­re Ar­bei­ten zur Ra­dio­ak­ti­vi­tät er­hiel­ten Hen­ri Be­que­rel, Ma­rie und Pier­re Cu­rie 1903 ge­mein­sam den No­bel­preis für Phy­sik.

Zu­nächst wur­de die Ra­dio­ak­ti­vi­tät für me­di­zi­ni­sche Zwe­cke ge­nutzt. Schon 1666 gab es ei­ne Heil­quel­le in Ron­ne­burg. Her­zog Fried­rich III. von Sach­sen-Go­tha be­han­del­te da­mit sei­ne Gicht, ließ die Quel­le tem­pel­ar­tig über­bau­en und mach­te Ron­ne­burg zu ei­nem be­deu­ten­den Ba­de­ort. Ei­nem Zer­falls­pro­dukt des Ra­di­ums, Ra­don, wur­de Heil­wir­kun­gen zu­ge­schrie­ben und es ver­schaff­te den ent­spre­chen­den Bä­dern Zu­lauf. Das Ho­tel »Ra­di­um Pa­lace« in Joa­chims­thal wur­de 1912 er­öff­net. Mit Ra­di­um­prä­pa­ra­ten wur­den Haut­krank­hei­ten und Krebs be­han­delt. Es gab Ra­di­um­sei­fe und Ra­di­ums­ham­poo, so­gar ein Ra­di­um­bier war zeit­wei­se er­hält­lich.

Von ei­ner Krank­heit na­mens Berg­sucht hat­te schon Pa­ra­cel­sus ge­schrie­ben. En­de des 19. Jahr­hun­derts wur­de sie als Lun­gen­krebs iden­ti­fi­ziert, aber erst En­de der 50er Jah­re des vo­ri­gen Jahr­hun­derts das Ra­don als Ver­ur­sa­cher aus­ge­macht.

Die Kernspaltung kennen wir seit 1939

Un­mit­tel­bar nach dem Zwei­ten Welt­krieg wur­de Uran in der Tsche­cho­slo­wa­kei und in Sach­sen ge­för­dert und in die UdSSR ge­schafft. Der Atom­bom­ben­ab­wurf von Hi­ro­shi­ma und Na­ga­sa­ki im Au­gust 1945 be­schleu­nig­te die­se Vor­gän­ge. In­for­ma­tio­nen von Klaus Fuchs, der als Phy­si­ker an der Ent­wick­lung der ame­ri­ka­ni­schen Atom­bom­be be­tei­ligt war, ver­kürz­ten den ge­fahr­vol­len Zeit­raum, der für die Auf­he­bung des US-ame­ri­ka­ni­schen Atom­waf­fen­mo­no­pols nö­tig war. Der Kal­te Krieg schlug nicht in ei­nen hei­ßen um. Die UdSSR konn­te am 29. Au­gust 1949 ih­re ers­te Atom­bom­be zün­den. Aber sie be­nö­tig­te Uran, das in Sach­sen in der Er­de lag. Die Fir­ma mit dem ir­re­füh­ren­den Na­men Wis­mut hol­te es da raus.

Wis­mut AG

Ers­ter Ge­ne­ral­di­rek­tor der Wis­mut AG war der NKWD-Ge­ne­ral­ma­jor Mi­chail M. Mal­zew. Er blieb es bis Mai 1951. Die Grün­dung der Wis­mut AG war am 10. Mai 1947 er­folgt, ge­nau­er Na­me: »Zweig­stel­le der Staat­li­chen so­wje­ti­schen Ak­ti­en­ge­sell­schaft der Bunt­me­tall­in­dus­trie, Wis­mut«. Of­fi­zi­el­ler Zweck der Ge­sell­schaft: Ge­win­nung von Bunt­me­tall. Von Uran war nicht die Re­de. 10 Ta­ge nach ih­rer Grün­dung wur­den durch Be­fehl Nr. 128 der So­wje­ti­schen Mi­li­tär­ad­mi­nis­tra­ti­on in Deutsch­land (SMAD) sechs Berg­wer­ke und ein Auf­be­rei­tungs­werk in so­wje­ti­sches Ei­gen­tum über­nom­men. Die Wis­mut AG war ein so­wje­ti­sches Staats­un­ter­neh­men. Bis 1954 wa­ren in der Ge­ne­ral­di­rek­ti­on aus­schlie­ß­lich so­wje­ti­sche Of­fi­zie­re und Zi­vi­lis­ten tä­tig.

»Aue«

­Der Ar­beits­kräf­te­be­darf war hoch und konn­te nicht al­lein durch Frei­wil­li­ge ge­deckt wer­den. Die Be­sat­zungs­macht sah sich zur Zwangs­ver­pflich­tung ver­an­lasst. Am 1. Au­gust 1947 er­ließ die SMAD ei­ne Be­fehl zur Stel­lung von 20 000 Per­so­nen für den Erz­berg­bau. Vie­le ent­zo­gen sich durch Flucht, an­de­re muss­ten aus Krank­heits­grün­den ent­las­sen wer­den. Der Uran­berg­bau wur­de im Volks­mund mit »Aue« be­zeich­net, man ver­stand dar­un­ter Zwangs­ver­pflich­tung, har­te Ar­beit, schlech­te so­zia­le Ver­hält­nis­se und Woh­nungs­not.

Ausstellungsbild.

Der FDGB bzw. die IG Berg­bau poch­ten auf die Gel­tung der deut­schen Ge­setz­ge­bung im Uran­berg­bau. Die Ge­werk­schaf­ten ver­hin­der­ten, dass die Ar­beits­be­din­gun­gen de­nen in Ar­beits­la­gern äh­nel­ten. Sie setz­ten Ta­ri­fe durch. Und all­mäh­lich er­höh­te sich der An­teil der Frei­wil­li­gen durch Leis­tungs­zu­la­gen und ho­he Le­bens­mit­tel­ra­tio­nen. Al­ler­dings glich die Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on mi­li­tä­ri­scher Dis­zi­plin. Fehl­ver­hal­ten wur­de dra­ko­nisch be­straft. Es gab ei­ne Son­der­ge­richts­bar­keit, ei­ne Ab­tei­lung »Berg­bau« in der Jus­tiz.

Aber die Wis­mut­ar­bei­ter wur­den in der DDR am bes­ten be­zahlt. Sie ge­nos­sen zu­dem ein reich­li­ches kul­tu­rel­les An­ge­bot. Das war zu­nächst ein­mal die Fol­ge von Aus­ein­an­der­set­zun­gen der Berg­leu­te mit der Ob­rig­keit. Un­ter an­de­rem kul­mi­nier­te im Au­gust 1951 ei­ne Schlä­ge­rei zwi­schen Po­li­zis­ten und Berg­leu­ten, die in ei­nem Auf­stand en­de­te, in des­sen Ver­lauf ei­ne Po­li­zei­wa­che in Saal­feld ver­wüs­tet wur­de. Zwölf der Re­bel­len wur­den zu Haft­stra­fen zwi­schen acht und fünf­zehn Jah­ren ver­ur­teilt. Aber die Un­ru­hen lös­ten auch ei­ne Rei­he von po­li­ti­schen Maß­nah­men aus, die zu­letzt in ei­nen um­fang­rei­chen Plan für den Bau von Berg­manns­häu­sern, Kom­mu­nal- und Kul­tur­bau­ten mün­de­ten. Wis­mut-Ar­bei­ter wa­ren am 17. Ju­ni 1953 in Ge­ra an spek­ta­ku­lä­ren Ak­tio­nen be­tei­ligt.

­Die Ak­ti­vis­ten­be­we­gung mit Adolf Henne­cke hat­te ihr Vor­bild in Ak­ti­vis­ten des Uran­berg­baus, ei­ner da­von hieß Jo­sef We­nig. Al­ler­dings moch­te man kei­ne Ak­ti­vis­ten­be­we­gung mit dem Na­men We­ni­ger-Be­we­gung ins Le­ben ru­fen. Zu Hoch­zei­ten wa­ren bei der Wis­mut ins­ge­samt 200 000 Men­schen, da­von 150 000 Berg­leu­te be­schäf­tigt.

Ge­heim­hal­tung

­Der ame­ri­ka­ni­sche Ge­heim­dienst war lan­ge Zeit über die Reich­hal­tig­keit der Ur­an­vor­kom­men in Sach­sen und Thü­rin­gen nicht im Bil­de. Um­so stär­ker be­müh­te er sich, die Ge­heim­hal­tung in die­sem Be­reich zu durch­bre­chen. Die Wis­mut wur­de ein Ob­jekt ge­heim­dienst­li­cher An­grif­fe, sie ga­ben An­lass für Schau­pro­zes­se im Kul­tur­pa­last von Karl-Marx-Stadt, wie Chem­nitz ab dem 10. Mai 1953 hieß.

Strah­len­ri­si­ko

­Bis 1955 gab es kei­ner­lei Mes­sun­gen des Ra­don­ge­hal­tes und kei­ne Be­leh­run­gen der Berg­leu­te über das Strah­len­ri­si­ko. Erst ab die­sem Zeit­punkt wur­den die Schäch­te bes­ser be­wet­tert und die Ra­don­be­las­tun­gen dras­tisch ge­senkt. Wer an Lun­gen­krebs er­krank­te oder an Si­li­ko­se, ge­hör­te in der Re­gel der ers­ten Wis­mut­ge­ne­ra­ti­on an. Bis 1989 wur­den bei 15 000 Berg­leu­ten Si­li­ko­se, bei 5 300 Lun­gen­krebs fest­ge­stellt. An­de­re Ge­sund­heits­schä­den wa­ren Press­luft- und Über­las­tungs­schä­den (5 000) und lärm­be­ding­te Schwer­hö­rig­keit (4 700). Zwei Mo­na­te nach dem 17. Ju­ni 1953 ver­zich­te­te die UdSSR auf wei­te­re Re­pa­ra­ti­ons­leis­tun­gen der DDR. Al­le Be­trie­be in so­wje­ti­schem Be­sitz wur­den der DDR zu­rück­ge­ge­ben. Aus­nah­me Wis­mut. Die wur­de ab 1. Ja­nu­ar 1954 in ei­ne so­wje­tisch-deut­sche Ak­ti­en­ge­sell­schaft um­ge­wan­delt, die SDAG Wis­mut. Da­mit ver­bun­den war, dass die Pro­duk­ti­ons­kos­ten zur Hälf­te über­nom­men wur­den.

In Ron­ne­burg bei Ge­ra gab es die grö­ß­ten Ur­an­vor­kom­men. Hier­hin ver­la­ger­te sich An­fang 1954 der Schwer­punkt des Uran­ab­baus. In der La­ger­stät­te Ron­ne­burg sind bis 1990 113 000 Ton­nen Uran ab­ge­baut wor­den.

Kul­tur­

Zur Kul­tur­ar­beit der Wis­mut schreibt Rai­ner Karlsch in »Uran für Mos­kau. Die Wis­mut – ei­ne po­pu­lä­re Ge­schich­te«, Ber­lin 2007, S. 139 ff., kurz ge­fasst fol­gen­des:

­Der Bit­ter­fel­der Weg ließ Ar­bei­ter­thea­ter ent­ste­hen und Zir­kel schrei­ben­der Ar­bei­ter. Im April 1959 hat­te ei­ne Au­to­ren­kon­fe­renz des Mit­tel­deut­schen Ver­lags im VEB Che­mie­kom­bi­nat Bit­ter­feld dis­ku­tiert, wie den Be­schäf­tig­ten ein ak­ti­ver Zu­gang zu Kunst und Kul­tur er­mög­licht wer­den kön­ne. Die Tren­nung von Kunst und Le­ben, die Fremd­heit von Künst­ler und Volk soll­te über­wun­den wer­den. Künst­ler und Schrift­stel­ler wur­den auf­ge­for­dert, in den Fa­bri­ken zu ar­bei­ten und Ar­bei­ter bei de­ren ei­ge­ner künst­le­ri­scher Tä­tig­keit zu un­ter­stüt­zen. Ziel war ei­ne »Be­we­gung schrei­ben­der Ar­bei­ter«.

Porträt, Ausstellungsbild.

In der Fol­ge kam es in der Tat zu ei­nem Auf­schwung der Lai­en­kunst. Re­gel­mä­ßig wur­den Ar­bei­ter­fest­spie­le ver­an­stal­tet. Bei der Wis­mut gab es Dut­zen­de von Volks­kunst­grup­pen und Zir­kel mit ins­ge­samt meh­re­ren tau­send Mit­glie­dern. In Aue ent­stand 1959 ein Ar­bei­ter­thea­ter, es folg­ten sol­che in Ge­ra, Au­er­bach und Kö­nig­stein, die bis zum En­de des Kom­bi­nats exis­tier­ten. Be­liebt wur­den Pup­pen- und Kin­der­thea­ter. Es grün­de­ten sich Ama­teur­film­grup­pen, Zei­chen­zir­kel, Ke­ra­mik­zir­kel, Tanz- und Bal­lett­grup­pen, Blas­or­ches­ter, Ka­ba­retts, Tanz­or­ches­ter, Chö­re und Sin­ge­clubs.

Auf der Ge­gen­sei­te ent­stand ein be­trieb­li­ches Auf­trags­we­sen, das für pro­fes­sio­nel­le Schrift­stel­ler und bil­den­de Künst­ler Plan­stel­len ein­rich­te­te und be­trächt­li­che Sum­men für Auf­trags­wer­ke von Ma­lern und Bild­hau­ern aus­gab. Die Berg­leu­te Horst Sa­lo­mon und Mar­tin Vier­tel wur­den zum Li­te­ra­tur­stu­di­um nach Leip­zig ge­schickt. Nach ih­rer Rück­kehr wur­den sie wie­der ein­ge­stellt – als Schrift­stel­ler. Sie konn­ten sich aus­schlie­ß­lich ih­rer li­te­ra­ri­schen Ar­beit wid­men.

Mar­tin Vier­tel ver­öf­fent­lich­te ei­nen Wis­mut-Ro­man »Sankt Ur­ban«, aber auch Kin­der­bü­cher und schrieb Stü­cke für das Ge­ra­er Ar­bei­ter­thea­ter. Wer­ner Bräu­nig aus Karl-Marx-Stadt kam 1957 in die Ar­beits­ge­mein­schaft »Jun­ger Au­to­ren« der Wis­mut und wur­de ein Jahr spä­ter zum Stu­di­um ans Li­te­ra­tur­in­sti­tut nach Leip­zig de­le­giert. Er be­gann 1960 sei­nen Ro­man »Rum­mel­platz«. Der konn­te aber erst 2007 post­hum ver­öf­fent­licht wer­den. Der Film »Son­nen­su­cher« von Kon­rad Wolf, der auch mal bei der Wis­mut ge­jobbt hat­te, wur­de 1958 fer­tig, aber nicht auf­ge­führt. Erst 1972 kam er in die Ki­nos. Er be­han­delt rea­lis­tisch den Ar­beits­all­tag im Uran­erz­berg­bau im Jahr 1950 und spart die Kon­flik­te zwi­schen der so­wje­ti­schen Be­triebs­lei­tung, deut­schen Kom­mu­nis­ten und zwangs­ver­pflich­te­ten Ar­bei­tern nicht aus. The­ma wa­ren auch Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen rus­si­schen Of­fi­zie­ren und ehe­ma­li­gen SS-Leu­ten.

Rai­ner Karlsch er­wähnt von den Künst­lern Carl-Heinz Wes­ten­bur­ger aus Tan­nen­berg. Er lobt sei­ne Blei­stift­zeich­nun­gen und Alex­an­dra Mül­ler-Jont­sche­was Por­trät ei­nes hoch­de­ko­rier­ten Berg­mann vor ei­ner mond­ähn­li­chen Land­schaft. Es ist in Ge­ra zu se­hen.

Ausstellungskatalog

­Über wei­te­re Künst­ler in­for­mie­ren die Tex­te im Ka­ta­log der Aus­stel­lung. Hein­rich Witz (1924 Leip­zig – 1997 Hal­le) konn­te sich nur kur­ze Zeit im Ruhm son­nen. Er war von 1959 bis 1961 durch ei­nen För­der­ver­trag mit der Wis­mut ver­bun­den, gleich­zei­tig Vor­sit­zen­der des Ver­bands Bil­den­der Künst­ler Leip­zig, konn­te da­nach ein Jahr lang an der dor­ti­gen Hoch­schu­le für Gra­fik und Buch­kunst leh­ren. Of­fen­bar schei­ter­te er aber und zog sich ent­täuscht nach Ber­nau bei Ber­lin zu­rück. Er muss ein wit­zi­ger und char­man­ter Kerl ge­we­sen sein. Künst­le­risch stand er für ei­nen so­zia­lis­ti­schen Rea­lis­mus, der – wie es Paul Kai­ser aus­drückt – sich von den Wur­zeln der deut­schen Mo­der­ne ge­nau­so ab­schnitt wie von den pro­gres­si­ven Ent­wick­lun­gen in der DDR-Kunst­ge­schich­te, so dass sei­ne Kar­rie­re, die er wohl der Pro­tek­ti­on durch Al­fred Ku­rel­la ver­dank­te – auch Ul­bricht schätz­te ihn – kurz­le­big blieb. Aber im­mer­hin be­ginnt mit Hein­rich Witz ei­ne en­ge Ver­bin­dung zwi­schen der Leip­zi­ger Hoch­schu­le und der Wis­mut, die bis 1989 dau­er­te und von der un­ter an­de­rem Wolf­gang Peu­ker (1945-2001) und die schon er­wähn­te Alex­an­dra Mül­ler-Jont­sche­wa (geb. 1949 So­fia) pro­fi­tier­ten.

Ku­rel­la ist aber auch der Ent­de­cker des Ta­lents von Wer­ner Tüb­ke (1929-2004). Von die­sem Künst­ler, be­rühmt durch das mo­nu­men­ta­le Bau­ern­kriegs­pan­ora­ma bei Bad Fran­ken­hau­sen, ist in Ge­ra ei­ne Li­tho­gra­fie von 1974 mit dem Bild­nis ei­nes Bau­ar­bei­ters in fürst­li­cher Hal­tung aus­ge­stellt.

Al­fred Ku­rel­la war erst 1954 aus der So­wjet­uni­on in die DDR ge­kom­men. Er ar­bei­te­te zu­nächst als ers­ter Di­rek­tor des In­sti­tu­tes für Li­te­ra­tur in Leip­zig. In den Jah­ren 1957 bis 1963 lei­te­te er die Kul­tur­kom­mis­si­on des Po­lit­bü­ros des Zen­tral­ko­mi­tees der SED. Er hat­te sich mit Ge­org Lu­kacs in der Ex­pres­sio­nis­mus-De­bat­te ge­gen Brecht ex­po­niert und ver­stand den so­zia­lis­ti­schen Rea­lis­mus als Form, die sich mit so­zia­lis­ti­schen Vor­zei­chen äs­the­tisch am bür­ger­li­chen Rea­lis­mus des 19. Jahr­hun­derts ori­en­tier­te. In Ku­rel­las Zeit fällt die Bit­ter­fel­der In­itia­ti­ve, Ot­to Got­sche hat sie dort un­ter die Schrift­stel­ler ge­bracht. Da­mals konn­te man leicht des For­ma­lis­mus ge­zie­hen wer­den, wenn Merk­ma­le der Klas­si­schen Mo­der­ne zu er­ken­nen wa­ren. Da­mit war 1963 erst ein­mal Schluss. Ku­rel­la wur­de sei­ner Kul­tur­kom­mis­si­ons­pflich­ten ent­bun­den.

Auf­trags­kunst

Viel­leicht sind an die­ser Stel­le ei­ni­ge Wor­te ge­gen die ab­fäl­lig ge­mein­te Be­zeich­nung Auf­trags­kunst am Plat­ze. Da­mit wird durch­gän­gig im Son­nen­su­cher-Ka­ta­log das Ver­hält­nis von Staat, Be­trie­ben und Künst­lern be­zeich­net. Eck­hart Gil­len und der So­zio­lo­ge Karl-Sieg­bert Reh­berg hat­ten in die­sem pe­jo­ra­ti­ven Sin­ne schon im No­vem­ber 2005 in Ber­lin ei­ne Aus­stel­lung über »Ma­le­rei zwi­schen Staats­auf­trag und Ei­gen­sinn« ku­ra­tiert. Man muss aber wis­sen, dass Kunst al­len­falls in ei­nem his­to­risch kur­zen Zeit­raum oh­ne Auf­trag ent­stan­den ist. Kunst­wer­ke sind so­gar in der Re­gel die Fol­ge ei­nes Auf­trags. Ich er­in­ne­re an die six­ti­ni­sche Ka­pel­le im Va­ti­kan, de­ren De­cken Mi­che­lan­ge­lo im Auf­trag von Papst Ju­li­us II. be­malt hat. Den Isen­hei­mer Al­tar hat Grü­ne­wald im Auf­trag des Or­dens der An­to­ni­ter ge­schaf­fen. An­de­re Kunst­wer­ke Grü­ne­walds sind im Auf­trag des Kar­di­nals Al­brecht ent­stan­den. Go­ya mal­te sei­ne Ge­mäl­de im Auf­trag – in der Re­gel des spa­ni­schen Kö­nigs­hau­ses, selbst das Werk »3. Mai 1808« zählt da­zu – nur sei­ne Ra­die­run­gen wa­ren ver­käuf­lich. Pi­cas­sos Wand­bild Guer­ni­ca wird 1937 als Auf­trags­werk der spa­ni­schen Re­pu­blik rea­li­siert. Es fällt schwer, Kunst­wer­ke zu nen­nen, die kei­ne Auf­trags­wer­ke sind. Al­le­mal aber gel­ten die Sät­ze aus der Deut­schen Ideo­lo­gie:

»Die In­di­vi­du­en, wel­che die herr­schen­de Klas­se aus­ma­chen, ha­ben un­ter An­derm auch Be­wusst­sein und den­ken da­her; in­so­fern sie al­so als Klas­se herr­schen und den gan­zen Um­fang ei­ner Ge­schicht­s­epo­che be­stim­men, ver­steht es sich von selbst, dass sie dies in ih­rer gan­zen Aus­deh­nung tun, al­so un­ter An­dern auch als Den­ken­de, als Pro­du­zen­ten von Ge­dan­ken herr­schen, die Pro­duk­ti­on und Dis­tri­bu­ti­on der Ge­dan­ken ih­rer Zeit re­geln; dass al­so ih­re Ge­dan­ken die herr­schen­den Ge­dan­ken der Epo­che sind.« (MEW 3,46)

­Selbst seit dem 18. Jahr­hun­dert, voll­ends mit Be­ginn des 19. Jahr­hun­derts, als sich ein bür­ger­li­cher Kunst­markt her­aus­bil­de­te, an­ti­zi­pier­ten die Künst­ler die Ge­dan­ken und Vor­stel­lun­gen ih­res Pu­bli­kums. Aber selbst­ver­ständ­lich hat es auch in die­ser Zeit Auf­trä­ge ge­ge­ben. Der in­di­vi­du­el­le Künst­ler, Mo­na­de im El­fen­bein­turm, ist ei­ne Fik­ti­on bür­ger­li­cher Pro­ve­ni­enz, die ger­ne ver­brei­tet wird, um das Pu­bli­kum nicht auf die Zu­sam­men­hän­ge von Be­wusst­sein und Klas­sen­la­ge zu brin­gen. Oh­ne das ver­schlie­ßen sich aber die Kunst­wer­ke der Deu­tung und ver­ber­gen ih­ren ge­sell­schaft­li­chen Ge­halt.

Tat­säch­lich ist die Kunst in der DDR nur zu ei­nem ge­rin­gen Ma­ße für den Kunst­markt pro­du­ziert wor­den, das Gros ent­stand im Auf­trag und vie­le konn­ten da­von le­ben. Ge­ra­de die­ser en­ge Zu­sam­men­hang von Kunst und ge­sell­schaft­li­chen In­sti­tu­tio­nen, ih­re neue öf­fent­li­che Funk­ti­on, ihr po­li­ti­sches Ge­wicht zeich­net sie in der so­zia­lis­ti­schen Ge­sell­schaft aus, macht aber auch in vie­len Fäl­len ih­re Ge­fähr­dung aus. Der Künst­ler wird po­li­tisch ge­for­dert. Der Ka­pi­ta­lis­mus kann mit die­sen äs­the­ti­schen Er­zeug­nis­sen, die selbst­ver­ständ­lich in die Zu­kunft wei­sen und heu­te ei­nen ge­ra­de­zu uto­pi­schen Cha­rak­ter ge­win­nen, gar nichts mehr an­fan­gen. An­ders her­um konn­ten in ei­ni­gen Fäl­len die Künst­ler mit dem So­zia­lis­mus nichts an­fan­gen. So ha­ben sich schon mal wel­che in die west­li­chen Sümp­fe lo­cken las­sen, auch ei­ni­ge der Wis­mut-Künst­ler.

Die Reichs­wehr­sol­da­ten tra­gen Hel­me mit Ha­ken­kreuz

Ausstellungsbild.

Bern­hard Hei­sig (1925-2011) gibt sei­ne Na­tio­nal­prei­se erst 1989, we­ni­ge Wo­chen nach dem Zu­sam­men­bruch der DDR, ab. Von ihm ist in Ge­ra das Bild »15. März 1920« zu se­hen. Es zeigt, wie Ar­bei­ter in Ge­ra an­läss­lich des Kapp-Put­sches Reichs­wehr­sol­da­ten ent­waff­nen, nach­dem in Ge­ra die Ar­bei­ter­weh­ren spek­ta­ku­lär ge­siegt hat­ten. Die Reichs­wehr­sol­da­ten tra­gen Hel­me mit dem Ha­ken­kreuz der Bri­ga­de Ehr­hardt. Ge­sich­ter sind durch die Hel­me ver­deckt. Ein Va­ter er­kennt sei­nen Sohn und ohr­feigt ihn. Das gan­ze spielt sich vor dem Markt­platz ab, an ei­ner Haus­ecke mit Re­nais­sance-Er­ker. Es ist ein Bild ei­nes Gen­res, für das Hei­sig zum Spe­zia­lis­ten wird, ein His­to­ri­en­bild. Be­rühmt sind mehr­fa­che Fas­sun­gen des The­mas Pa­ri­ser Kom­mu­ne.

Kunst­funk­tio­nä­re wie Ger­hard Wink­ler, von 1958 bis 1963 Se­kre­tär für Kul­tur der SED-Ge­biets­lei­tung Wis­mut, spiel­ten ei­ne Rol­le, die nur im So­zia­lis­mus denk­bar ist. Er reg­te Hei­sig zum Bild­mo­tiv des Ge­ra­er Auf­stands an. Bis 1976 hing das Bild im Berg­bau­be­trieb Schmir­chau der Wis­mut. Hier ent­deck­te es Eber­hard Bart­ke, Di­rek­tor der Na­tio­nal­ga­le­rie in Ber­lin. Prompt schen­ke es die Wis­mut der Na­tio­nal­ga­le­rie. Ei­ni­ge Jah­re spä­ter, Wink­ler war mitt­ler­wei­le Di­rek­tor der Kunst­samm­lung Ge­ra, ge­lang es ihm, das Ge­mäl­de von der Na­tio­nal­ga­le­rie zu­rück zu er­wer­ben. 1984 ist es von Hei­sig über­ar­bei­tet wor­den. Wer­ner Pet­zold (geb. 1940) stu­dier­te 1959-1964 bei Hei­sig. 1972 be­kam er von der Wis­mut den Auf­trag für das Mo­nu­men­tal­bild »Die fried­li­che Nut­zung der Atom­kraft« (16 mal 12 m, Email­le). Ab 1974 schmück­te es die Wand des Ver­wal­tungs­ge­bäu­des in Paitz­dorf. Es ist an­ge­regt von me­xi­ka­ni­schen Wand­bil­dern. Im un­te­ren Teil stellt es die Pro­duk­ti­on im Berg­werk dar, dar­über in idea­li­sier­ter Form die Ge­sell­schaft mit pla­nen­den und vor­wärts­wei­sen­den Ak­teu­ren, im obe­ren Teil, hin­ter ei­nem Ato­mi­um, ei­nen Ar­bei­ter, ei­nen Kos­mo­nau­ten samt Frau mit ro­ter Fah­ne. Das Ver­wal­tungs­ge­bäu­de der Wis­mut exis­tiert nicht mehr. Aber das Bild steht seit 2009 in der Ge­gend bei Löb­ichau frei in der Land­schaft. Ein Aus­schnitt des Bil­des ziert den Son­nen­su­cher-Ka­ta­log. Pet­zold ist mit ins­ge­samt elf Ex­po­na­ten in der Aus­stel­lung ver­tre­ten. Ein­drucks­voll auch sein Dop­pel­por­trät Sepp We­nig und Ju­gend­bri­ga­dier Güts­chow von 1972. 1983 geht Pet­zold il­le­gal in die BRD.

Hans Wolf­gang Sie­gen­bruk (geb. 1936) lebt mitt­ler­wei­le in Düs­sel­dorf. Er hat wohl län­ge­re Zeit in der Wis­mut ge­ar­bei­tet. Von ihm stammt das Bild »Im För­der­korb« von 1989 und wei­te­re in der Aus­stel­lung (»Berg­bau­land­schaft bei Schle­ma«, 1975; »Jun­ger Berg­mann«, 1985; »Al­te Stre­cke«, 1985 und die Li­tho­gra­fie »Im­pres­sio­nen un­ter Ta­ge«, 1979).

In der Oran­ge­rie wird ein Film des mdr ge­zeigt, in dem Sie­gen­bruk zu­sam­men mit Rolf Dü­se­dau in­ter­viewt wird. Dar­in geht es um das Schick­sal der Kunst­samm­lung. Dü­se­dau war von 1972 bis 1989 Kul­tur­ver­ant­wort­li­cher der SDAG Wis­mut.

Die Sammlung

Die Wis­mut-Samm­lung ver­eint wich­ti­ge äs­the­ti­sche Zeug­nis­se des So­zia­lis­mus in der DDR. Vie­le Ex­po­na­te ge­ben nicht nur ein rea­lis­ti­sches Ab­bild der Ar­beit im Uran­berg­bau. Sie spie­geln die Wün­sche und Hoff­nun­gen der Berg­ar­bei­ter, ih­ren Ar­beits­stolz, ih­re Kul­tur, ihr his­to­ri­sches Be­wusst­sein.

Bergwerkslore mit Aufschrift: »Sonnensucher! Die Kunstsammlung der Wismut. 8.2. bis 21.4.2014«.

Die Aus­stel­lung ist we­gen des Er­folgs noch bis zum 11. Mai ver­län­gert. Die Be­deu­tung der Wis­mut-Samm­lung wird all­mäh­lich er­kannt und führt zu Be­stre­bun­gen, ihr ei­nen stän­di­gen Platz in Ge­ra zu ge­ben. Dem ist Er­folg zu wün­schen.

Klaus Stein, 22. April 2014


Fotogalerie Kunst und Wismut – Fotos: Klaus Stein