Menschenrecht Wasser
Der Kampf gegen die Privatisierung des Wassers
Die Bezirksdelegiertenkonferenz des Bezirks Rheinland-Westfalen hat am 8. Dezember 2012 auf Antrag der Kölner Innenstadtgruppe beschlossen – und hier war es Christine, die uns den Vorschlag gemacht hat, – dass wir uns an der Initiative von Verdi gegen die Wasserprivatisierung beteiligen. Diese Initiative bezieht sich auf die UNO-Resolution vom 28. Juli 2010, mit der die Generalversammlung den Zugang zu sauberem Wasser und zu Sanitärversorgung als ein Menschenrecht anerkannt hat. Die Resolution hatte Bolivien mit der Unterstützung 33 weiterer Staaten vorgelegt. Sie wurde ohne Gegenstimmen mit einer großen Mehrheit von 122 Stimmen angenommen. Es gab Enthaltungen, unter anderem der USA.
Wörtlich haben wir auf der BDK beschlossen:
»Die DKP beteiligt sich aktiv an der Unterschriftensammlung zum Europäischen Bürgerentscheid‚ Wasser ist Menschenrecht.
Der Text dieser Unterschriftensammlung lautet:
Wasser und Sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht
Wasser ist ein Öffentliches Gut, keine Handelsware – Wir fordern die Europäische Kommission zur Vorlage eines Gesetzesvorschlags auf, der das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend der Resolution der Vereinten Nationen durchsetzt und eine funktionierende Wasser- und Abwasserwirtschaft als existenzsichernde öffentliche Dienstleistung für alle Menschen fördert. Diese EU-Rechtsvorschriften sollten die Regierungen dazu verpflichten, für alle Bürger und Bürgerinnen eine ausreichende Versorgung mit sauberem Trinkwasser sowie eine sanitäre Grundversorgung sicherzustellen. Wir stellen nachdrücklich folgende Forderungen:
- Die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle Bürger und Bürgerinnen das Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung haben.
- Die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen darf nicht den Binnenmarktregeln unterworfen werden. Die Wasserwirtschaft ist von der Liberalisierungsagenda auszuschließen.
- Die EU verstärkt ihre Initiativen, einen universellen Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung zu erreichen.«
Unterschriften sammeln
Dieses durch den Europäischen Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD) initiierte Bürgerbegehren, das am 1. April 2012 eingereicht wurde, ist von der EU-Kommission am 10. Mai 2012 registriert worden. Es bleiben 18 Monate Zeit, dafür Unterschriften zu sammeln. Eine Million müssen erreicht werden. Mittlerweile haben aber schon über 1,3 Millionen Menschen gegen die Brüsseler Pläne der Wasserprivatisierung protestiert, es ist das erste große europaweite Volksbegehren.
GATS und GATT
Es fügt sich ein in eine weltweite Bewegung gegen die Wasserprivatisierung. Die Privatisierung des Wassers ist eine der verheerenden Folgen von GATS. Das »Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen« (englisch General Agreement on Trade in Services; GATS) ist ein internationales Vertragswerk der Welthandelsorganisation (WTO), das den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen regelt und dessen fortschreitende Liberalisierung, also die Erschließung neuer Märkte und Investitionsfelder für das große Kapital zum Ziel hat.
Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade – GATT), das im Zuge der Verhandlungen von Bretton Woods gegen Ende des zweiten Weltkrieges vereinbart worden war, begnügte sich noch mit dem Abbau von Zoll- und Handelsbeschränkungen für Waren. Letztlich wurden dadurch Staaten, deren landwirtschaftliche und industrielle Produktion auf den Schutz durch Zölle angewiesen waren, veranlasst, ihre Produkte einem vernichtenden Wettbewerb auszusetzen. Die heimischen Exporteure werden ihre Produkte nicht mehr los, auch die Binnenmärkte sind der Konkurrenz der imperialistischen Importeure nicht mehr gewachsen. Die Menschen, die gegenwärtig das Mittelmeer in ungeeigneten Booten zu durchqueren hoffen, aber von Frontex abgewehrt werden, gehören zu den sichtbarsten Opfern dieser Politik.
Der letzten GATT-Verhandlungsrunde, der sogenannten Uruguay-Runde, ging es um die Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen. Sie schloss am 15. April 1994. Die Ergebnisse wurden in Marrakesch von 111 Ländern unterzeichnet. Das GATS trat am 1. Januar 1995 in Kraft. Das GATT wurde in die WTO, die Welthandelsorganisation, überführt und seine Tätigkeit verstetigt.
Auf der Grundlage von GATS will die EU-Kommission, dass Kommunen in Zukunft im Regelfall den Betrieb der Wasserversorgung als Dienstleistung ausschreiben. Die Wasserversorgung als öffentliche Aufgabe soll an Dritte übertragen werden. Die EU-Kommission hat dazu einen Richtlinienentwurf vorgelegt. Ziel ist es, stärker als bisher Public-Private-Partnership-Modelle (PPP) zu etablieren und somit den Markt für private Unternehmen in Bereichen der Daseinsvorsorge zu öffnen. Der europäische Bürgerentscheid richtet sich gegen diese Dienstleistungskonzessionsrichtlinie. Zu den Gegnern der Richtlinie zählen mittlerweile der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und sogar der BDI.
Die Krefelder Genossen hatten auf der BDK unsere Beteiligung am Bürgerentscheid abgelehnt, weil der Kampf gegen die Privatisierung des Wassers doch besser auf örtlicher Ebene zu führen sei. Da liegen sie falsch. Denn es geht um die Verhinderung einer europäischen Richtlinie, die die Privatisierung der kommunalen Wasserversorger mittels EU-Recht erzwingen will.
Privatisierung
Privatisierung ist nicht etwa die verbohrte Antwort des Imperialismus auf unsere Forderung nach Vergesellschaftung von Produktionsmitteln, sondern eine Strategie der Monopole, der gesetzmäßigen Tendenz fallender Profitraten zu entkommen. Das große Kapital ist auf der verzweifelten Suche nach neuen Verwertungsmöglichkeiten. Auf der Flucht vor drohender Entwertung oder gar Vernichtung erschließt es sich neue Geschäftsfelder unter den bisher gesellschaftlich verwalteten Gütern der Daseinsvorsorge wie Gesundheit, Bildung und Wasser.
Weltweit agieren nur wenige Konzerne auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft. Etwa 20 Wasserversorgungsunternehmen teilen sich den Weltmarkt auf. Unter den zehn größten Wasserkonzernen sind acht aus Europa – darunter auch RWE und E.ON. Die Firmen Veolia (ehem. Vivendi) und Suez sind mit einem Weltmarktanteil von 13 % und 8 % die größten. Mit 3 % folgt Thames Water, das noch bis 2007 zu RWE gehörte. Suez ist in etwa 130 Ländern mit 115 Millionen Verbrauchern, Veolia in 100 Ländern mit 110 Millionen Kunden tätig. RWE kam noch vor wenigen Jahren auf 64 Millionen Verbraucher.
Wasserversorger
Bis 1990 waren deutsche Wasserversorger in kommunaler Hand. Dann begann die Privatisierung. Insbesondere die Energiekonzerne RWE, Vattenfall, Energie Baden-Württemberg (EnBW, zwischenzeitlich in der Hand von EdF – Energie de France), E.on und Veolia haben in fast allen Groß- und Mittelstädten Anteile an den Stadt- und Wasserwerken gekauft. Die Anteile reichen von 20 Prozent RWE an der Kölner Rheinenergie (80 % liegen bei der städtischen GEW AG) über die Standardbeteiligung von 49,9 Prozent (zusammen mit Veolia an den Berliner Wasserbetrieben) bis zu 80 Prozent (RWE an der Mülheimer Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft RWW).
RWE kaufte 2000/2001 Thames Water, den größten englischen und drittgrößten Versorger mit 12 Millionen Kunden in England für 10 Milliarden Euro. Das schien sich zu lohnen, nachdem Frau Thatcher 1989 begonnen hatte, das Wasser zu privatisieren. Bald darauf war American Water Works dran. Wenig später China Water (Hongkong). Indes blieb das Wassergeschäft für RWE ein vorübergehendes Abenteuer. Denn Thames Waters Geschäftsgebaren mit ständigen Preiserhöhungen bei durchgehender Vernachlässigung des Leitungssystems stieß auf anhaltende Proteste. Das veranlasste Tony Blair, eine Regulierungsbehörde einzurichten, das Office of water services. Die Behörde verlangte von RWE 714 Millionen Euro an Investitionen in die Trinkwasserleitungen und 470 Millionen Euro an Investitionen in das Abwassersystem im Zeitraum von 2005 bis 2010. Diese Kosten sollten nicht mehr auf die Wasserpreise umgelegt werden können. Und RWE hätte sich mit einer Jahresrendite von 6 Prozent zufrieden geben müssen. Das war zu wenig. RWE verkaufte Thames Water 2006 und steigt überhaupt allmählich aus dem Wassergeschäft aus. Der Börsengang von American Water erfolgte im April 2008. Vor kurzem hat RWE auch seine Anteile an den Berliner Wasserbetrieben abgestoßen.
Eigentumsverhältnisse
Vielleicht sind für uns Geschichte wie Eigentumsverhältnisse von RWE von Belang: Die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG sind 1898 gegründet worden. Vier Jahre später erwarben August Thyssen und Hugo Stinnes mittels eines von ihnen geführten Konsortiums unter Beteiligung der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und der Disconto-Gesellschaft die Mehrheit an RWE. Zur Finanzierung des Wachstums sowie zur Erlangung von Konzessionen und Genehmigungen organisierte Stinnes RWE als gemischtwirtschaftliches Unternehmen mit privaten und kommunalen Anteilseignern. Das hatte zur Folge, dass 1920 im Zuge der Erhöhung des Aktienkapitals auf 108 Millionen Mark die Kommunen erstmals die Kapitalmehrheit beim RWE erhielten. Nachdem aber immer wieder von privaten Anlegern die Abschaffung des kommunalen Mehrheitsstimmrechts gefordert worden war, wurden am 25. Juni 1998 die Vorzugs- in Stammaktien umgewandelt.
Seitdem verfügen die kommunalen Körperschaften über 31 Prozent der Anteile an RWE und just diesem Verhältnis entsprechende Stimmrechte. Aber immer noch gibt es eine Nähe zu Kommunalpolitikern, die sich in Aufsichtsräten und Beiräten von RWE gegen hohe Honorare tummeln.
Im September 2001 kaufte die EnBW 29,9 Prozent der Aktien der Stadtwerke Düsseldorf und im Dezember 2005 weitere 25,05 Prozent für 361 Millionen Euro. EnBW hat seitdem mit 54,95 Prozent das Sagen.
Mittlerweile weist die Mehrheit der etwa 900 Stadtwerke in Deutschland private Beteiligungen auf. Nur die Stadtwerke, die komplett in öffentlicher Hand sind, wären, wenn es nach der EU geht, vom Zwang zu Ausschreibungen ausgenommen. Allen anderen droht die volle Privatisierung, weil nach dem Auslaufen der bisherigen Konzessionen keine automatische Verlängerung mehr eintreten würde. Die örtliche Wasserversorgung müsste EU-weit in Gänze ausgeschrieben werden.
Protestbewegung
Der Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat unterdessen unter dem Eindruck der Protestbewegung ein erstes Zugeständnis gemacht. In einer Sitzung des zuständigen Ausschusses wurde der Ausschreibungszwang für kommunale Wasser- und Abwasserbetriebe eingegrenzt. Nun soll die Wassersparte von Stadtwerken von der Ausschreibungsverpflichtung bedingt freigestellt werden. Voraussetzung ist, dass die Buchhaltung der Wassersparte völlig von der Buchhaltung der Energiesparte getrennt wird. Aus der Wassersparte dürfen keine Quersubventionen in die Energiesparte fließen. Diese Trennung signalisiere ein Entgegenkommen, meint Barnier. Denn eine Freistellung der Trinkwasserversorgung vom Ausschreibungszwang hätte ihre völlige Heraustrennung aus dem Stadtwerkeverbund erfordert. Das ist mit Blick auf eine weitere Bedingung der Ausschreibungsfreiheit von Belang. Die Stadtwerke sollen nicht mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes außerhalb der Stadtgrenzen erwirtschaften. Im Energiegeschäft sind aber mittlerweile fast alle Stadtwerke außerhalb ihrer Heimatkommune tätig. Ohne die buchhalterische Trennung wären nicht nur Konzessionen für die Energiesparte, sondern mit einem Schlag auch für die Wasserversorgung ausschreibungspflichtig geworden.
Niemand hat die Absicht …
Das 20-Prozent-Kriterium gilt aber selbstverständlich auch für eine buchhalterisch abgetrennte Wassersparte. Wasserversorger, die mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes außerhalb ihres angestammten Konzessionsgebietes erwirtschaften, unterliegen dem Ausschreibungszwang. Barnier heuchelt, die Freiheit der lokalen Behörden werde hinsichtlich der Art und Weise, wie sie die Aufgaben von allgemeinem Interesse durchführen, nicht beeinträchtigt. Er proklamiert aber nach wie vor ein erhebliches Rechtsschutzbedürfnis, dem seine Richtlinie Rechnung zu tragen habe. Damit sind wohl Liberalisierungsansprüche in der Folge von GATS gemeint. Aber Barnier lügt ohnehin. Gegenüber der österreichischen Tageszeitung STANDARD erklärte er am 22. Februar 2013:
»Ich sage ganz klar, diese Richtlinie zur Vergabe von Konzessionen hat nicht das Ziel oder die Konsequenz, die Versorgung mit Wasser zu privatisieren. Das ist nicht die Absicht der Kommission. Und wer das behauptet, der kennt auch mich sehr schlecht. Ich hatte persönlich nie diese Absicht.«
Der Kampf gegen die Privatisierung
Der Kampf gegen die Privatisierung des Wassers tobt global und er währt schon einige Jahre. Es gibt Erfolge.
In Buenos Aires erhöhten sich die Wasserpreise nach der Privatisierung Mitte der 1990er Jahre um fast 90 Prozent. Nach 10 Jahren kündigte die Stadt die Verträge.
Berühmt ist der Wasserkrieg von Cochabamba.
1999 wurde auf Druck der Weltbank das kommunale Wasserunternehmen der Stadt Cochabamba, SEMAPA, privatisiert. Die Stadt ist mit 600 000 Einwohnern die zweitgrößte Boliviens. Ihr Wasserleitungsnetz war lückenhaft und unzureichend. Dennoch weigerte sich der Bürgermeister noch 1996, die Wasserversorgung dem Markt zu übergeben. Erst ein Staatsschuldenerlass über 600 Millionen Dollar machte den damaligen Staatspräsidenten gefügig. Käufer war der US-amerikanische Konzern Bechtel. Dessen Unternehmen Aguas del Tunari wurde im Privatisierungsvertrag eine 15 prozentige Rendite garantiert. Der Vertrag beruhte auf einem Entwurf der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ).
In der Folge explodierten die Wasserpreise. Die Bevölkerung reagierte mit dem guerra del agua, dem Wasserkrieg. Geführt wurde der Kampf von einer »Coordinadora de Defensa del Agua y de la Vida« mit 40 Organisationen von Bauern, lokalen Wassergemeinschaften, Leute mit eigenen Brunnen, Umweltschützer, Gewerkschaften, Jugendorganisationen. Im Januar, Februar und April 2000 kam es zu riesigen Demonstrationen mit 60 bis 70 000 Menschen. Überall wurden Barrikaden errichtet. Man bereitete sich auf die Ankunft von Soldaten vor. Bemalte Gesichter. Hände wurden mit Lederhandschuhen geschützt, um Gasgranaten zurückschleudern zu können, aber auch um Stacheldraht von Pfosten zu Pfosten quer über die Straße zu legen. Glasflaschen wurden zerbrochen und auf die Straße gelegt. Kinder und Jugendliche mittenmang. Das Versammlungsverbot und der Belagerungszustand wurden missachtet. Viele Mitglieder der Coordinadora wurden verhaftet und in ein weit abgelegenes Militärlager im Tiefland geflogen. Die Polizei schoss zunächst mit Tränengas, dann mit scharfer Munition. Der 17-jährige Hugo Danza starb, von einer Kugel ins Gesicht getroffen. Sieben Tote insgesamt. Bald erfassten militärische Operationen das Land, fünf von neun Provinzen waren im Ausnahmezustand. Die Regierung wollte das Problem militärisch lösen. Aber Militär konnte das Volk nicht aufhalten.
Die Flucht der Bechtel-Manager
Den Ausschlag gab die Flucht der Bechtel-Manager. Als sie ihre Büros räumten und die Computer mitnahmen, war die Wasserversorgung nicht mehr sichergestellt. Das bot der Regierung die Möglichkeit, den Vertrag am 10. April 2000 aufzuheben. Es wurde ein Abkommen mit der Coordinadora geschlossen. Es sah die Kündigung des Vertrags mit Aguas de Tunari vor, die Rückführung der Deportierten, eine Entschädigung der Familien der Toten, Übernahme der Kosten für die gesundheitliche Versorgung der Verletzten – und selbstverständlich die Reduzierung der Wassertarife auf das Niveau vom Oktober 1999. Die SEMAPA übernahm wieder die Wasserversorgung. In ihren Vorstand kamen zwei Vertreter der Coordinadora, zwei von der Gemeinde und ein Gewerkschaftsvertreter.
Bechtel verklagte Boliviens Regierung. Die Firma wollte 25 Millionen Dollar Entschädigung. Der Prozess dauerte bis zum Herbst 2006. Dann gab Bechtel auf, vor allem, weil der Konzern in San Francisco, dem Sitz von Bechtel, unter starken öffentlichen Druck geraten war. Als am 18. Dezember 2005 Evo Morales mit 54 % der Stimmen zum Präsidenten gewählt wurde, war das eine Folge des Kampfes um das Wasser, aber auch um das bolivianische Erdgas und Öl, das sich imperialistische Konzerne unter den Nagel hatten reißen wollen. Beides wurde in der Folge verstaatlicht.
Bürgerentscheid in Leipzig
In Leipzig konnte 2008 eine Bürgerinitiative durch Bürgerentscheid den Verkauf der Stadtwerke verhindern. 2010 hat der Stadtrat von Stuttgart auf Vorschlag des dortigen Wasserforums beschlossen, die Wasserwerke von EnBW zurückzukaufen. Ende Februar 2013 hat der Solinger Stadtrat entschieden, die Stadtwerke wieder in die eigene Hand zu nehmen. Bis dahin gehörten der (Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft) MVV 49 % der Solinger Stadtwerke.
Die MVV Energie ist ein beachtlicher Konzern. 50,1 % der Anteile sind im Besitz der Stadt Mannheim, aber die restlichen Anteile kommen auf die Rheinenergie (16,3 %), die EnBW (15,1 %), GDF Suez (6,3 %). Die MVV Energie wiederum hält Beteiligungen an den Stadtwerken Kiel (51,0 %), der Energieversorgung Offenbach (48,5 %), den Stadtwerken Ingolstadt (48,4 %), Buchen (25,1 %), der Köthen Energie (100 %) sowie den Stadtwerken Sinsheim (30,0 %), Walldorf (25,1 %) und Schwetzingen (10,0 %) sowie an siebzehn Fernwärmegesellschaften in Tschechien.
In Gießen und Wetzlar ist die Wasserversorgung wieder in kommunaler Hand. Über zwei Dutzend erfolgreiche Bürgerbegehren gegen die Wasserprivatisierung hat es mittlerweile in der Republik gegeben.
Vorratsbeschluss in Berlin …
Eine Korrektur des Länderfinanzausgleichs 1994 bescherte der Stadt jährliche Mindereinnahmen von 4 Milliarden Euro. Diese Lücke sollte durch Verkäufe von Vermögen geschlossen werden. Die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) erbrachte 1,58 Milliarden Euro. Am 7. Juli 1998 beschloss der Senat, »eine Holding AG zu gründen, die am Kapital der Berliner Wasserbetriebe AöR (Anstalt öffentlichen Rechts) beteiligt ist. Anteile der Holding AG sollen an Private veräußert werden, dabei ist sicherzustellen, dass das Land Berlin mit 50,1 % an der AG beteiligt ist.« Für die Beratung bei der Umsetzung wurde das Unternehmen Merrill Lynch gewählt. Die 1. Lesung des Gesetzes zur Teilprivatisierung fand am 14. Januar 1999 statt. Vor der 2. Lesung im Abgeordnetenhaus am 29. April 1999 stimmten unter dem Eindruck der öffentlichen Kritik an diesem Deal CDU und SPD für einen »Vorratsbeschluss«, der unter anderem forderte
- wirksame Maßnahmen zur Konstanthaltung der Wasserpreise
- und, soweit unternehmerisch darstellbar, eine Senkung der Wasserpreise
- die Sicherstellung des Erhalts der Geschäftsfelder innerhalb der BWB AöR
- die Fortsetzung der hohen Investitionstätigkeit und die Weiterentwicklung der BWB zu einem national und international agierenden wettbewerbsfähigen Unternehmen
- die Stärkung des Wirtschaftsstandorts und die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Land Berlin
- die Förderung der ökologisch orientierten Wasser- und Abwasserpolitik des Landes Berlin im Interesse einer intakten Umwelt.
Diese Forderungen waren schön, aber unverbindlich. Bindend indes wurden die Verträge. In der Plenardebatte zu diesem Thema am 29. Oktober 1999 konnte die Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing erklären, dass am 1. Juli die Teilprivatisierung durch die Verträge beschlossen worden seien und dass nunmehr ihr Vollzug zu erfolgen habe.
Immerhin waren die Preise bis zum 31. Dezember 2003 festgeschrieben worden. Unbekannt waren bis dahin die Geheimklauseln des Vertrags, mit denen dem privaten Teilhaber RWE/Veolia Berlinwasser Beteiligungs AG eine Rendite 28 Jahre lang garantiert wurde. Das führte dann prompt zu Preiserhöhungen ab 2004. Die Berliner zahlten im internationalen Städtevergleich die höchsten Wasserpreise. Personal wurde abgebaut und Investitionen abgesenkt. Die Wasserpreise dagegen stiegen stetig und enorm – insgesamt um 37 %! Die Rendite aus Trink- und Abwasserverbrauch war allein in den Jahren 2005 bis 2010 um 365 Millionen höher als 1999 vom Berliner Verfassungsgericht zugelassen. Die unzulässige Zusatzrendite würde sich bis zum Jahr 2028, dem frühestmöglichen Kündigungstermin, auf 6,3 Milliarden Euro belaufen. Ohne jedes unternehmerische Risiko lag der tatsächliche Profit bei garantierten 11 %. Das ermittelte der Berliner Wassertisch, ein breites Bündnis, das sich am 23. Mai 2006 auf Anregung von Attac gegründet hatte. Die DKP ist dabei.
… und Volksbegehren
Der Wassertisch initiierte ein Volksbegehren »Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück« und sammelte bis zum 31. Januar 2008 40 000 Unterschriften. Die Zulassung dieses Volksbegehrens wurde im März 2008 vom rot-roten Berliner Senat verweigert. Die Klage beim Verwaltungsgerichtshof aber war am 6. Oktober 2009 erfolgreich, so dass der nächste Schritt am Sonntag, den 13. Februar 2011, erfolgte. An diesem Tag fand der Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben statt. Entschieden werden sollte mit Ja oder Nein zu folgendem Gesetzentwurf:
»Alle bestehenden und künftigen Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe sind mit Ausnahme personenspezifischer Daten vorbehaltlos offen zu legen. Sie bedürfen einer eingehenden öffentlichen Prüfung und Aussprache unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen und der Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Sie sind unwirksam, wenn sie nicht im Sinne dieses Gesetzes abgeschlossen und offen gelegt werden.«
Häufig wurde im Zusammenhang mit dem Volksentscheid die Frage gestellt: »Warum habt Ihr nicht gleich ein Volksbegehren zur Rekommunalisierung gemacht?«
Antwort: »Dann würde genau das geschehen, was in Potsdam passiert ist. Dort wurde teuer rekommunalisiert. Über die Verträge mit dem Konzern Suez wurde genauso Stillschweigen vereinbart wie über die Höhe der Rückkaufsumme. Doch wie wir aus eingeweihten Kreisen wissen, wurden die garantierten Gewinne in die Rückkaufsumme einkalkuliert – mit der Folge, dass die Wasserpreise in Potsdam noch höher sind als in Berlin. Wir wollen die kostengünstige Rekommunalisierung. Darum ist die Offenlegung als erster Schritt so wichtig.«
Tatsächlich stimmten 666 000 Berliner für die Offenlegung. Das »Gesetz für die vollständige Offenlegung von Geheimverträgen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe« trat in Kraft. Aber der Kampf um die Rekommunalisierung geht weiter. SPD und CDU hintertreiben das Offenlegungsgesetz.
Immerhin verfügte das Bundeskartellamt am 5. Juni 2012 eine Senkung der Trinkwasserpreise um 18 %. Womöglich veranlasste diese Maßnahme RWE zum Verkauf. 24,95 % der Anteile Berlinwasser Beteiligungs AG gingen rückwirkend zum 1. Januar 2012 an die Stadt Berlin.
Der Berliner Senat aber und die privaten Anteilseigner klagen gemeinsam gegen die Verfügung des Bundeskartellamts: auch eine Form von Public-Private-Partnership.
Der Berliner Wassertisch muss weiterkämpfen.
Unter anderem beteiligt er sich am europäischen Bürgerentscheid. Er meldet sich auf die jüngsten Ausführungen des zuständigen EU-Kommissars Barnier zu diesem Thema und bekräftigt die Ablehnung der Konzessionsrichtlinie: »Wenn Kommissar Barnier bezüglich der Auswirkungen des Richtlinienvorschlags sich nun im Falle der rein kommunalen Stadtwerke zu einer Nachbesserung der EU-Konzessionsrichtlinie gezwungen sieht, so ist das auf den Widerstand zurückzuführen, der sich in der laufenden Europäischen Wasser-Bürgerinitiative unerwartet massiv artikuliert. Entwarnung ist dennoch nicht angesagt, denn auch die nachgebesserte Konzessionsrichtlinie greift erheblich in die kommunalen Strukturen der Wasserwirtschaft in Deutschland ein. Kommunalpolitische Gestaltungsfreiheit wird durch europaweit verbindliche Richtlinien aus Brüssel ersetzt. Das Vorhaben muss komplett abgesagt werden.«
Häufig wird übersehen, dass im Zusammenhang mit der Wasserprivatisierung überhaupt die Zukunft kommunaler Stadtwerke auf dem Spiele steht. Dem Bundesrat immerhin ist das aufgefallen, er forderte nicht nur die Herausnahme der Wasserversorgung aus der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie, sondern auch die Herausnahme der Strom- und Gasnetze.
Klaus Stein, 7. April 2013
Kreisvorstand der DKP Köln
Grafik: ver.di
- Wasser ist ein Menschenrecht Online unterschreiben
- Wasser ist Menschenrecht! Verdi-Video