An Schulden reich

Anmerkungen zum Haushalt der Stadt Köln 2018

Köln 9. Januar 2018. Bekanntlich herrscht im Kölner Rathaus ein Bündnis von CDU und Grünen. Allerdings benötigt es drei weitere Stimmen, häufig kommen sie von der FDP, um im Stadtrat die Mehrheit zu erreichen. Oberbürgermeisterin Henriette Reker steht den Grünen nahe. Seit einem Jahr ist Stephan Keller, CDU, Stadtdirektor. Er hat Guido Kahlen, SPD, abgelöst. Aber Keller verliert gegenwärtig – und nicht etwa, weil er aus Düsseldorf kommt - an Rückhalt. Offenbar typisch für seine Umgangsformen ist die Art, wie er den Ebertplatz endgültig verkommen lassen wollte.
Jörg Detjen von der Linkspartei wird in der Kölnischen Rundschau am vergangenen Mittwoch (3. Januar) mit Aussagen über Kellers Politikstil zitiert: „Er ist nicht progressiv und entwickelt keine neuen Formen der Konfliktlösung. Beim Ebertplatz lag er mit seinem Mauerkurs mit dem großen Teil des Rates im Konflikt.“ Im selben Bericht bekennt Keller, er sei gerne ein Law-and-Order-Mann. Vielleicht sei die Stadt in der Vergangenheit zu tolerant gewesen.

Gegen das Votum der Stadtverwaltung, die ursprünglich in Kellers Sinne den westlichen Teil des Platzes hatte zumauern wollen, beschloss der Stadtrat am 18. Dezember mit den Stimmen von CDU, Grünen und FDP eine dauerhafte Belebung des Platzes durch kulturelle und gastronomische Aktivitäten - als Zwischennutzung. Diese Zwischennutzung soll bis zum Beginn der baulichen Umgestaltung des Ebertplatzes und der angrenzenden Räume möglich sein. Der folgende Umbau ist auf Basis des Masterplans Innenstadt vorgesehen. Der Masterplan ist vom kürzlich verstorbenen Albert Speer jun. im Auftrag von Bouwens-Adenauer entwickelt worden. In dem Ratsbeschluss geht es also nur um den Zeitraum bis 2020, bis der Ebertplatz dann doch noch zur Baustelle wird. Allerdings, das kann man schon jetzt sagen, wird der Umbau überflüssig, wenn der Platz die hohe Aufenthaltsqualität bekommt, die der Ratsbeschluss verlangt. Zu den Kalkulationen und dem profitgestützten Tatendrang von Baukonzernen würde die ursprünglich vorgesehene Unwirtlichkeit des Platzes eher passen. Das ist womöglich auch der Grund, warum der Platz in den vergangenen Jahren systematisch vernachlässigt worden ist. Das Wasser des Brunnens wurde abgedreht, die Reinigung versäumt und die Rolltreppen nicht mehr repariert. Wenn das jetzt alles anders werden sollte, sind die schönen und sicherlich kostspieligen Umbaupläne politisch kaum noch zu rechtfertigen.

Und schon sind wir bei einem Schwerpunktthema, die Macht von Banken und Baukonzernen. Sie bestimmen über Stadtplanung, Grundstücksspekulation, Wohnungsbau und Verkehr in Köln.
Da steht ganz vorne die Privatisierung der Stadtplanung durch den Masterplan.
Weitere Punkte sind:
• Die ewigen Baustellen Kalker Tunnel, Zoobrücke und Opernhaus
• Die sogenannte historische Mitte, die mit so hohen Kosten verbunden sein wird, dass sie zunächst mal geschoben worden ist. Nach dem Zeughaus lechzen die Spekulanten, wenn es als Museum aufgegeben wird.
• Reparatur der Mülheimer Brücke
• das überflüssige Projekt einer Ost-West-U-Bahn samt Tunnel
• Der Versuch, die beteiligten Baukonzerne von der Haftung für Kosten von 1,2 Mrd Euro für die Tieferlegung des Stadtarchivs frei zu halten
• Die Versäumnisse bei Neubau und Erhalt von Kölner Schulen
In diesem Zusammenhang sollte unsere Aufmerksamkeit für die Grundstücksspekulation in Köln systematiert werden. Die Privatisierung der Wirtschaftsförderung, die von Reker betrieben wird, steht damit im Zusammenhang. Wir sollten uns auch Klarheit über die ÖPP-Projekte verschaffen, die gegenwärtig schon betrieben werden. Der Skandal der Messehallen erlebt momentan ein juristisches Nachspiel.

Neben dem offiziellen Haushalt der Stadt Köln, über den ich gleich sprechen werde, gibt es noch die Haushalte der städtischen Betriebe, die gewissermaßen ausgegliedert sind, aber der Stadt gehören. Diese Betriebe tauchen im städtischen Haushalt nicht auf, obwohl sie etwas die Häflte der städtischen Schulden buckeln. Sie sind in zwei Anlagebänden zum Haushalt veröffentlicht, die nicht jedermann zugänglich sind.
Der Haushalt der Stadt Köln für das Jahr 2018 hat ein Volumen von 4,5 Milliarden Euro. Genau sind es 4,45 Mrd Euro Ertrag und 4,56 Mrd Euro Aufwand, somit ein Defizit von 117,5 Mio Euro, mit dem er abschließt. Dies führt zu einer vergleichsweise geringen Entnahme aus dem Vermögen, nämlich mit einer Quote von 2,51%.

Das größte Volumen beanspruchen die sogenannten Transferaufwendungen mit knapp 1,8 Mrd. € oder 39%, gefolgt von den Personalaufwendungen mit rd. 1 Mrd. € oder 22%.
Der Haushalt weist zumindest drei Besonderheiten auf. Er beschränkt sich erstens auf ein Haushaltsjahr und ist zweitens pünktlich eingebracht worden, nämlich schon am 11. Juli des vergangenen Jahres. Beschlossen wurde er am 7. November. Und drittens haben wir uns nicht darum gekümmert.

Allerdings scheint er angesichts üppiger Einnahmen einschneidende Kürzungen zu vermeiden. Die Stadtkämmerin Gabriele Kluge (Grüne) geht nach der Steuerschätzung von einem Plus aus, das 130 Mio. € beträgt. Sie erinnerte in ihrer Rede am 11. Juli an das Jahr 2015, als insgesamt 140 Mio. € plus rund 40 Mio. € Erstattungszinsen an Unternehmen zurückgezahlt werden mussten, davon ein Betrag in Höhe von 64 Mio. € für die Veranlagungsjahre 2001/2002. Offenbar war das eine Folge eines kurz zuvor, am 2.11.2015, in Kraft getretenen Steueränderungsgesetzes. Meine oberflächlichen Recherchen seinerzeit hatten ergeben, dass eine Versicherung davon profitiert hatte. Ihre Verluste an ausländischen Fondsbeteiligungen (es waren womöglich „nicht hinzuzurechnende Gewinne“, wie der bemerkenswerte Begriff im Gesetz lautet) aus den Jahren 2001 und 2002 hatten offenbar zur rückwirkenden Minderung der fiskalischen Gewinnsumme geführt mit der Folge, dass auch die Gewerbesteuer rückwirkend niedriger angesetzt werden musste. Die entstandene Differenz inklusive der aufgelaufenen Zinsen hatte seinerzeit die Stadt zurückzuzahlen. Mit derartigen Nachforderungen rechnet Frau Kluge auch für 2018. Sie kann ihren Umfang aber nicht bestimmen, denn, so sagt sie, sie schwanken erheblich.
Der Gewerbesteueransatz für das Jahr 2018 ist jedenfalls auf 1.275,5 Mio. € festgesetzt.
Hinzu kommen Finanzmittel des Bundes und des Landes, die bezüglich der Integration von Zuwanderern und Flüchtlingen eine Entlastung in Höhe von 63 Mio durch das Asylbewerberleistungsgesetz bringen. Dann gibt es noch dauerhaft Mehrerträge durch das 5 Milliarden schwere „Kommunalentlastungsgesetz“, das ab 2013 im Koalitionsvertrag der Großen Koalition stand und immerhin ab 2018 wirksam wird, in Höhe von 64 Mio. €. Die Umschuldung von der Hoch- in die Niedrigzinsphase hat den günstigen Effekt, dass die Kämmerin für das Jahr 2018 mit 236 Mio. € Mehrertrag und (lediglich) 124 Mio. € Mehraufwand gegenüber dem Vorjahr planen kann.
Weder für das Jahr 2018 noch in den folgenden Jahren ist die Erhöhung von Regelsätzen bei den Gemeindesteuern vorgesehen. Die Gewerbesteuer bleibt bei 475 Punkten, zumal eine Erhöhung landesseitig Minderzahlungen nach sich ziehen würde. Auch die Regelsätze bei der Grundsteuer B werden nicht erhöht, dennoch ist der Zuwachs kontinuierlich. Ebenso bringt der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer Zuwächse. Der Ansatz für das Jahr 2018 beträgt 570,9 Mio. €.

Die günstige Haushaltssituation will die Kämmerin für zusätzlichen Schuldenabbau nutzen. Bis zum Jahr 2023 soll der Haushaltsausgleich erreicht sein. Sie vermeidet das Wort Schuldenbremse. Sie sagt: „Der Kölner Haushalt ist nachhaltig aus der Defizitzone heraus zu führen.“ Bei fallenden Zinsen wachse die globale Verschuldung enorm. Niedrige Zinsen würden keine dauerhaft stabile Lösung der Probleme gewährleisten. Vor allem garantiert niemand, dass sie niedrig bleiben. Das Verhältnis von Verschuldung und BIP sei schlecht, der durch Verschuldung gewonnene Wohlstand fragil und riskant für die Weltwirtschaft. Da hat sie recht. Von bürgerlicher Seite hört man das nicht so oft. Der FAZ vom vergangenen Freitag (5. Januar) war zu entnehmen, dass sich der Schuldenberg, von dem ich auf der BDK sprach, noch einmal erhöht hat. Das International Institute of Finance hatte nach dem ersten Quartal 2017 die Gesamtschuldensumme mit 217 Billionen Dollar, entsprechend 327% des Welt-BIPs, berechnet. Nach einem weiteren halben Jahr, also Ende September, liegt sie schon bei 233 Billionen Dollar, 16 Billionen = 7,4% mehr. Die Relation zum BIP hat sich zwar verbessert (318%), weil es etwas gestiegen ist, das kann aber nicht beruhigen. Irgendwann wird es zum Crash kommen. 2008 sprach Frau Merkel vom Abgrund, vor dem sie uns durch die Rettung systemrelevanter Banken bewahren wollte. Unterdessen mehren sich die Hinweise, die die plötzliche Entwertung großer Kapitalmassen ahnen lassen. Dazu gehören Finanzblasen, und nicht nur bei den überteuerten Immobilienpreisen, die die Mieten explodieren lassen. Aber Kluge warnt auch vor einem Anstieg der Zinsen, der selbstverständlich alle ihre Finanzplanungen über den Haufen werfen würde. Das ist ihre Begründung für die Kontinuität des Sparkurses.
Sie liegt damit auf der Linie des Städtetages, der in seinem Gemeindefinanzbericht vom vergangenen November zwar ein Plus bei den Gemeindefinanzen bundesweit von 4,5 Mrd Euro sowie einen Rückgang von 5,9% bei den Aufwendungen für Zinsen registriert, aber gleichzeitig vor den weltwirtschaftlichen Risiken und Rezessionsgefahren warnt.
Zu letzteren zählt der Städtetag die Unsicherheit über die Zukunft des Freihandels und die Exportmöglichkeiten deutscher Unternehmen, den Brexit sowie drohende Umbrüche in der Handelspolitik der USA. Riskant seien die weiteren Entwicklungen innerhalb der EU, die Sicherung des Euro, die Stabilisierung der Banken, die Währungs- und Zinspolitik der EZB. Tatsächlich dienen all diese Maßnahmen der Umverteilung von unten nach oben im Zuge der Überproduktionskrise und verschärfen die Krisenwirkungen.
Heute würde der Städtetag wohl nicht mehr formulieren, was er noch am 14. November 2013 zur Zukunft der Kommunalfinanzierung geschrieben hatte. Vor vier Jahren ging er davon aus, dass „der Kommunalkredit auch in Zukunft als Hauptinstrument zur Finanzierung kommunaler Aufgaben zur Verfügung steht“.
Tatsächlich wird es nicht ohne Schuldenschnitte abgehen. Die Gewerkschaft Verdi NRW hat bei Gelegenheit der Vorstellung ihres Kommunalfinanzberichts im Juli vergangenen Jahres einen solchen Schuldenschnitt für die verschuldeten NRW-Kommunen gefordert. Ohne den würde es nicht gelingen, auch nur den Kassenkreditbestand der NRW-Kommunen von 26,8 Mrd. Euro (bundesweit sind es nach wie vor 50 Mrd.) zu senken.

Die Oberbürgermeisterin Reker sprach in ihrer kurzen Rede zur Einführung des Hauhalts am 11. Juli über die anstehenden Baumaßnahmen, nannte die Kulturbauten, Brücken und Tunnels sowie den Wohnungsbau. Bezweifelte, daß die Neuorganisation der Gebäudewirtschaft aus sich selbst heraus funktionieren könnte, versprach die neue Organisationsstruktur nach der Sommerpause. Künftig soll das Bauaufsichtsamt eines der Pilotämter ihrer Verwaltungsreform sein. Klingt für mich wie eine Drohung.
Von der Wirtschaftsförderung sprach ich schon kurz. Sie soll privatisiert werden. Bezüglich des Haushalts war Reker stolz darauf, dass er pünktlich vorgelegt wurde. Außerdem freut sie sich über die geringere Entnahmequote. 500 Millionen will sie für Investitionen ausgeben. 1000 Stellen seien zu besetzen. Sie will für den sozialen Frieden und die Sicherheit in der Stadt sorgen. Und da wir uns nicht dauerhaft auf so gute Einnahmebedingungen wie gegenwärtig verlassen könnten, sei ein strukturierter Konsolidierungsprozess zu starten. Die beiden letzten Sätze machen klar. Sie will weiterhin sparen bis wir quietschen, also sollten sich die Kölnerinnen und Kölner wehren. Dazu sollten wir als Partei einen Beitrag leisten. Angesichts unserer Schwäche aber müssen wir uns auf einige politische Themen beschränken.
Die wichtigste soziale Frage scheint mir nicht nur in Köln die Wohnungsnot zu sein. Die trifft vor allem die Geringverdiener. Davon wiederum gibt es viele in Köln. Allein 12 Prozent sind überschuldet, das sind 105 000 Menschen, 1500 mehr als im vergangenen Jahr. Aber auch die Normalverdiener werden schon aus der Stadt gedrängt. Je mehr rausgedrängt werden, desto mehr müssen reinfahren. Und schon sind wir beim Verkehr und der Politik, die nicht die Mobilität fördert, sondern allenfalls die Gewinne der Auto- und Bauindustrie. Die Stadtplanung ist den Baukonzernen ausgeliefert, viele Betriebe der kommunalen Daseinsvorsorge sind zumindest der Form nach privatisiert, auch wenn sie formell noch der Stadt gehören, haben sie Gewinne zu generieren. Wir wollen, dass sie nicht nur der Stadt gehören, sondern auch im Sinne ihrer Bewohner arbeiten. Die Stadt soll bewohnbar bleiben, das heißt erschwingliche Möglichkeiten bieten und erhalten, sich zu bilden, Feste zu feiern und Kunst und Kultur zu genießen.
Klaus

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