Stolpersteine für Alice und Kurt Bachmann

«Eine demokratische, antifaschistische Bewegung ist das Gebot der Stunde»

Die Stolpersteine für Alice und Kurt Bachmann vor der Verlegung.
Foto: Klaus Stein

Euskirchener Str. 21 in Köln-Sülz, morgens um 9.30 Uhr. Vor dem Haus warten 30 Personen, darunter Dr. Paul Bachmann, der Sohn. «Wird hier eine Wohnung besichtigt?» fragt jemand. Nein. Gunter Demnig verlegt zwei Stolpersteine. 2500 sind es mittlerweile in Köln.
Kurze Ansprachen. Verdi-Kollegin Claudia Wörmann-Adam hat die Verlegung angeregt. Klaus Stein spricht für die VVN Köln.

Als sie 1935 heirateten, war Alice 21 und Kurt 26 Jahre alt. Beide stammen aus jüdischen Familien. Kurt ist Lederarbeiter, Gewerkschafter und seit 1932 Mitglied der KPD, nach 1933 im Widerstand. Er sorgt für die Verteilung von Flugblättern, die er von holländischen Rheinschiffern übernimmt.
1938 emigriert das Paar nach Südfrankreich. 1939 wird Kurt von der französischen Polizei als feindlicher Ausländer verhaftet. Er kann fliehen, arbeitet in Toulouse im Rahmen der illegalen Leitung der KPD. Bis 1942. «Am 9. September 1942 wurde ich von der Gestapo an die Stelle gebracht, wo die Menschen deportiert wurden. Und alle zwei oder drei Tage wurde ein Zug mit Tausend Menschen gefüllt. Am dritten Tag kam ich zusammen mit meiner Frau in Kosel/Oberschlesien an. Die Türen wurden aufgerissen. Männer raus, zwischen 15 und 55. Wir wurden dann aufgeteilt auf verschiedene Lager. Der Rest des Zuges, Alte und Junge und Frauen, darunter auch meine Frau, fuhren in den Tod. Ich bin ihm entkommen. Der Grund: Die faschistische Armee hatte schwere Verluste. Ich wusste, dass der Krieg nicht ein Blitzkrieg, sondern ein Dauerkrieg würde, der Arbeitssklaven brauchte. Und wir kamen dann in ein Lager, in dem wir arbeiten mussten.»
Alice wird in Auschwitz umgebracht, wie Kurts Eltern und Schwester. Er selbst durchläuft diverse KZs kommt schließlich nach Buchenwald. Nach der Befreiung am 11. April 1945 kehrt er nach Köln zurück. Hier gehört er zu den Gründern der VVN, arbeitet von 1950 bis zum Verbot der KPD im Parteivorstand. Nach der Konstituierung der DKP wird er zum Bundesvorsitzenden gewählt (1969 bis 1973).

Klaus Stein erinnert an das Jahr 1992, als in Deutschland 27 Ausländer und Flüchtlinge ermordet werden. Im August setzt ein johlender Mob in Rostock-Lichtenhagen den Wohnblock, in dem Vienamesen untergebracht sind, in Brand. Es ist die Zeit, in der die Abschaffung des Asylrechts geplant und heftig diskutiert wird.
Am 9. November 1992 geben die Musiker von «Arsch huh, Zäng ussenander» ihre legendäres Konzert auf dem Chlodwigplatz. Zuvor hatte – es ist der Jahrestag der Pogromnacht - ein Bündnis über 20.000 Menschen zu einer Demonstration mobilisiert. Kurt Bachmann spricht auf der Kundgebung vor der Oper:
»1992 ist nicht 1933. Aber es ist auf dem Weg dahin. Heute brennen täglich Ausländerheime. Junge Neofaschisten sind diesmal die Brandstifter. Was heute auf dem Spiel steht, sind alle Grundrechte unserer Verfassung, konkret das Recht auf politisches Asyl. Noch nie traten Neonazis, Skinheads und ihre Mitläufer so gewalttätig und organisiert auf. Offensichtlich besteht die Gefahr, dass eine bundesweite Befehlsstruktur aus bestehenden neofaschistischen Organisationen entsteht. Die Rechtskonservativen in den Regierungsparteien betreiben eine Politik der Aushöhlung unantastbarer Grundrechte unserer Verfassung. Dabei wird ein Zusammenspiel mit rechtsextremen Kräften sichtbar. Die Übergänge sind fließend. Eine demokratische, antifaschistische Bewegung, die Bündelung all dieser Kräfte – dies ist das Gebot der Stunde.«


Stolpersteine für Alice und Kurt Bachmann.


 

Stolpersteinverlegung für Alice und Kurt Bachmann. (weitere Fotos)