Referat zum Kölner Doppelhaushalt 2025/26
Kommunale Kredite gewähren, was die Schuldenbremse verweigert
Die Gruppe DKP Köln-Innenstadt fordert einen Schuldenschnitt, statt die Anwendung der ruinösen Schuldenbremse. Foto: DKP Köln
Es ist noch kein ganzes Jahr her. Am 3. April 2024 warnte Verena Göppert, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages, vor der katastrophalen Lage der Städte und Gemeinden. Der kommunale Finanzierungssaldo sei um mehr als 9 Milliarden Euro abgestürzt, von einem geringen Überschuss von 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2022 auf ein Defizit von 6,8 Milliarden Euro in 2023. Einen vergleichbaren Einbruch habe es zuletzt im Zuge der Finanzmarktkrise ab dem Jahr 2008 gegeben.
Drei Wochen zuvor, am 13. März 2024, hatten sich die Bundestagsfraktionen der Ampel die folgende Erklärung abringen lassen:
„Die Koalitionsfraktionen unterstreichen die Notwendigkeit, die angespannte finanzielle Situation vieler deutscher Kommunen in den Blick zu nehmen und sich mit der strukturellen Verbesserung der Kommunalfinanzierung auseinanderzusetzen, um auch auf kommunaler Ebene Impulse für mehr Wachstum und Transformation zu ermöglichen. Angesichts der zunehmenden Belastungen durch Altschulden, Soziallasten und den Herausforderungen der Digitalisierung, begrüßen wir die Zusage des BMF (Bundesfinanzministerium), eine größere Fachkonferenz mit dem Ziel zu organisieren, Maßnahmen für eine faire, transparente und nachhaltige Finanzierung für die kommunale Ebene zu diskutieren. Im Mittelpunkt der Diskussionen sollen Verbesserungen der kommunalen Investitionsfähigkeit und die kommunalen Finanzierungsgrundlagen im Steuerverbund stehen, beispielsweise Art und Umfang der Gewerbesteuerumlage sowie die Kriterien für die Verteilung der Umsatzsteuereinnahmen. Ebenso sollte die Frage des Abbaus der kommunalen Altschulden vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Auftrags zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse und der Finanzierungsverantwortung der für die Kommunen zuständigen Länder aufgegriffen werden. Angesichts des in diesem und den Folgejahren zu erwartenden negativen Saldos der kommunalen Haushalte ist es das Ziel der Fachkonferenz, tragfähige, innovative und gerechte Lösungen zu diskutieren, die es den Kommunen ermöglichen, ihren Verpflichtungen nachzukommen und gleichzeitig in die Zukunft zu investieren. Die Beteiligung an der Fachkonferenz soll angefangen von den kommunalen Spitzenverbänden und Ländervertretern, den Repräsentanten des Bundes und der Kommunen auch Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis sowie der Kommunalwirtschaft umfassen. Die Koalitionsfraktionen begrüßen die Zusage des BMF, diesen wichtigen Austausch noch vor der parlamentarischen Sommerpause durch eine fachliche Veranstaltung einzuleiten.“
Butterweiche Formulierungen, flaue Gesten der Unverbindlichkeit. Allein schon die Floskeln wie „in den Blick nehmen“, „die Frage aufgreifen“, „Maßnahmen diskutieren“ verraten den Unwillen der Ampelparteien. Sie hatten von Anfang an nicht vor, Abhilfe zu schaffen! Folgerichtig wurde nichts daraus. Jedenfalls stellte Thomas Eiskirch, Vorsitzender des Städtetages NRW, am 11. Dezember vergangenen Jahres keine Veränderungen fest:
„Die Zeiten sind für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker mehr als herausfordernd. Die Finanzlage der Städte ist dramatisch, allein in diesem Jahr rechnen wir bundesweit mit einem Defizit von mehr als 13 Milliarden Euro. Kaum eine Stadt in NRW wird noch einen ausgeglichenen Haushalt schaffen. Das merken wir alle, die vor Ort jetzt die Haushalte beschließen müssen."
Destatis stellt (PM vom 25. Februar) fest:
Mit 62,3 Milliarden Euro entfiel gut die Hälfte des gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits im Jahr 2024 auf den Bund. Allerdings konnte der Bund sein Finanzierungsdefizit damit gegenüber dem Vorjahr um 30,5 Milliarden Euro verringern. Bei Ländern und Gemeinden gab es hingegen deutliche Defizitzuwächse: Das Defizit der Länder verdreifachte sich im Vorjahresvergleich auf 27,3 Milliarden Euro (2023: 9,0 Milliarden Euro). Das Defizit der Gemeinden erhöhte sich um 7,6 Milliarden Euro auf 18,6 Milliarden Euro.
Die kommunalen Defizite wachsen exponentiell. Und wir dürfen Absicht unterstellen. Den Städten und Gemeinden werden Schulden aufgebürdet, die Bundesregierung und Länder mit kummervollem Blick auf die Schuldenbremse nicht mehr aufnehmen dürfen. Die Kölner Stadtkämmerin Prof. Dr. Dörte Diemert verkauft uns die Schuldenlast mit dem Jubelschrei: „Hurra, die Haushaltssicherung konnte vermieden werden!“
Sie ist offenbar stolz auf den von ihr vorgelegten Haushaltsplan für die Jahre 2025/26, der am Donnerstag, 13. Februar, von der Ratsmehrheit, bestehend aus Grüne, CDU und Volt, beschlossen worden ist. Dieser Haushalt trüge nicht nur der Kostenentwicklung Rechnung, sondern er setze auch wichtige und starke Akzente, verteile die Lasten ausgewogen und fair und stelle sicher, dass Köln lebenswert und handlungsfähig bleibt, so Diemert in ihrer Haushaltsrede. Starke Akzente setzt der Haushaltsplan, das stimmt, und zwar in Puncto forcierter Umverteilung von Arm zu Reich.
Die für das laufende Jahr im städtischen Haushalt vorgesehenen Einsparungen in Höhe von 93 Mio. Euro betreffen vor allem die Träger der Freien Wohlfahrtspflege, soziale Einrichtungen und Hilfen. Gekürzt wird bei den sogenannten freiwilligen Leistungen im Kultur- und Sozialbereich und bei den Ärmsten. Kürzungen sind bei der Kinder- und Jugendhilfe vorgesehen. Initiativen und Projekte der Flüchtlingshilfe stehen angesichts der Kürzungsvorhaben vor dem Aus. Die mittelfristige Finanzplanung sieht eine schrittweise Erhöhung dieser als Konsolidierungsmaßnahmen bezeichneten Einsparungen auf 115,1 Mio. Euro jährlich bis 2029 vor. Hinzu kommen Gebührenerhöhungen bei der Kinderbetreuung im offenen Ganztag, den städtischen Parkhäusern, der Stadtbibliothek und den Museumseintritten. Beklagt wird von den Verfassern des 2500 Seiten umfassenden Haushaltsplans die Kostenentwicklung in den Bereichen Gesundheit, Jugend, Bildung und Soziales, aber auch die Steigerung der Personalkosten aufgrund hoher Tarifabschlüsse. Auch bei der Stadtverwaltung soll daher eingespart werden. Frei werdende Stellen bleiben zunächst unbesetzt. Ab 2027 sollen jährlich drei Prozent der mehr als 20.000 Planstellen in der Stadtverwaltung entfallen. Demgegenüber wird bei den vielen überteuerten Großprojekten nicht nach den Kosten gefragt. Sie sind vom Sparzwang ausgenommen. Die Gewinne der Banken, der Bauindustrie und der Wohnungskonzerne sind sakrosankt. So belaufen sich beispielsweise die Renovierungskosten der Oper auf inzwischen über 1,5 Milliarden Euro.
Über Monate hinweg wurde die Einbringung des Haushalts hinausgeschoben, um Prioritäten und Kürzungen gefeilscht und gerungen. Zehntausende Menschen protestierten in den letzten Wochen gegen die Kahlschlagspläne der Stadt. Immerhin wurden aufgrund dieser Proteste die Streichung der Fördergelder für einige Träger im Volumen von 21 Mio. Euro wieder zurückgenommen.
Trotz aller Kürzungen und Einsparungen wird im Doppelhaushalt für 2025 ein Defizit von 395 Millionen und für 2026 von 440 Millionen Euro eingeplant. Der Schuldenberg Kölns wächst unaufhörlich. Die zinsteuren Liquiditätskredite, die die Stadt bei den Banken aufnehmen muss, um überhaupt die laufenden Aufgaben erfüllen zu können, werden sich voraussichtlich bis 2029 mehr als vervierfachen, von 911 Mio. Euro (2023) auf 4,1 Mrd. Euro. Hinzu kommen noch Investitionskredite, die im gleichen Zeitraum von 2,0 auf 6,7 Mrd. Euro ansteigen.
In ihrer Haushaltsrede geht Frau Diemert auch auf die „äußerst kritische“ Finanzsituation der Kommunen ein:
„Die finanzielle Lage der Städte und Gemeinden in NRW hat sich dramatisch verschlechtert: Fast sämtliche NRW-Städte und Gemeinden bewerten die Aussichten bis 2028 als schlecht oder sehr schlecht. Kaum eine Stadt wird in den nächsten fünf Jahren einen ausgeglichenen Haushalt schaffen. Schon jetzt befindet sich mehr als jede zehnte Kommune im Haushaltssicherungskonzept oder im Nothaushalt. Die Kommunen fahren auf Verschleiß. Rücklagen schmelzen dahin und weitere Städte und Gemeinden werden in die Überschuldung abrutschen. Überschuldung, das heißt: Ab diesem Zeitpunkt gehört das gesamte städtische Vermögen – Straßen, Gebäude, Kunst, Fahrzeuge...-, gehört all das den Banken und Gläubigern der Stadt.“
Für unsere neoliberalen Zeitgenossen ein durchaus wünschenswerter Zustand.
Noch könne die Stadt Köln für sich reklamieren, „dass wir da noch nicht sind, dass wir das Steuerrad noch fest in der Hand halten.“ Aber, so Diemert:
„Unser Eigenkapital – also das, was tatsächlich uns und nicht den Banken gehört – schrumpft. Allein in der mittelfristigen Finanzplanung, das heißt bis 2029, werden wir rd. 1,4 Mrd. Euro Eigenkapital verlieren. Bei einem Ausgangsvolumen von rund 5 Mrd. Euro sind das fast 30 Prozent! Wenn das in dem Tempo weitergeht, wird auch Köln in absehbarer Zeit überschuldet sein“.
Die Stadtkämmerin hält indes an ihrem Spar- und Kürzungskurs bei gleichzeitigem Anwachsen des Kredit- und Schuldenbergs fest, um der Stadt „eine Atempause“, wie sie sagt, zu verschaffen und so lange wie möglich die Haushaltssicherung zu vermeiden, das heißt die Einsetzung eines Kommissars durch die Landesregierung, der dann anstelle der Stadtverwaltung den Rotstift an die Ausgaben für Kultur und Soziales anlegt.
Sie hofft auf bessere wirtschaftliche Zeiten und die Unterstützung von Land und Bund.
Aber weder die Wirtschaftsaussichten geben Grund zur Hoffnung, noch zeigen Bund und Länder die Bereitschaft, die Kommunen in dem Maße finanziell auszustatten, dass sie ihre wachsenden Aufgaben erfüllen können. Dazu zählen die Ganztagsbetreuung in den Schulen und die Versorgung von Geflüchteten, Aufgaben, die Bund und Länder den Kommunen übertragen haben, deren Finanzierung sie aber nicht sicherstellen.
Der Deutsche Städtetag fordert angesichts der finanziellen Notlage der Kommunen, die Steuereinnahmen zwischen den Gebietskörperschaften neu aufzuteilen und den Städten und Gemeinden einen größeren Anteil an den Gemeinschaftssteuern zuzuweisen. Die jüngsten steuerpolitischen Gesetze der Bundesregierung weisen allerdings in die andere Richtung.
„Jüngere steuerpolitische Entwicklungen auf der Bundesebene lassen jedoch befürchten, dass die Sicherung eines stabilen Entwicklungspfades für das gemeindliche Steueraufkommen nicht mehr zu den steuerpolitischen Prioritäten des Bundes zählt. Das zeigt bereits ein Blick auf die zu erwartenden Steuermindereinnahmen der Städte und Gemeinden aus den bisher vom Bund beschlossenen oder geplanten steuerlichen Entlastungsgesetzen (...),“ so der Deutsche Städtetag in seinem letztjährigen Bericht zu den Stadtfinanzen. Das sogenannte „Wachstumschancengesetz“ der Ampel-Regierung bezeichnet der Deutsche Städtetag als ein „Kommunale-Investitionen-Schrumpfungsgesetz“. Der Verband rechnet allein aufgrund dieses Gesetzes mit Steuermindereinnahmen der Städte und Gemeinden in Höhe von 2,3 Mrd. Euro für dieses, 3,3 Mrd für das kommende Jahr und 2,1 Mrd für 2027. Hinzu kommen das Zukunftsfinanzierungsgesetz, das Minderbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz, das Inflationsausgleichsgesetz und das Jahressteuergesetz, die beiden letztgenannten von 2022. Alle zusammen führen nach Angaben des Städtetags zu Mindereinnahmen der Kommunen in Höhe von 7,8 Mrd in diesem Jahr, zu 9,1 Mrd Euro im kommenden Jahr und 8,227 Mrd für 2027. Besonders schlägt das Inflationsausgleichsgesetz zu Buche, das höhere Existenzminima von der Einkommensbesteuerung freistellt.
Die Verschuldung der Kommunen ist also kein unabwendbares Schicksal, sondern absichtsvolle Überwälzung der gesamtstaatlichen Kosten, die vor allem durch die auswuchernden Rüstungskosten entstehen. Auf die Städte und Gemeinden werden die Lasten von Krise und Kriegstüchtigkeit abgewälzt.
Dirk, Klaus
MV der Gruppe Innenstadt, 24. Februar 2025