Vortrag in der DKP-Gruppe Köln Innenstadt. Indonesien 1965.

Indonesien 1965
und ein unscharfer Überblick über die Literatur zu diesem Thema

Vortrag in der DKP-Gruppe Köln Innenstadt

Dem ersten Kapitel seines 1938 erschienenen Romans „Magellan“ gibt Stefan Zweig den Titel „Navigare necesse est“ (Seefahrt tut not). Der Spruch von Plutarch, Pompeius zugeschrieben, lautete vollständig: „Navigare necesse est, vivere non est necesse.” (Seefahrt tut not, Leben nicht).
Tatsächlich war die Seefahrt lange Zeit riskant und tödlich. Zweig berichtet auf elf Seiten aber auch von den märchenhaften Gewinnen, die mit Gewürzhandel über See zu machen waren:

 

...unvorstellbar schal und kahl bleibt bis tief ins Mittelalter die nordische Kost. Noch lange wird es dauern, ehe die heute gebräuchlichsten Feldfrüchte wie Kartoffel, Mais und Tomate in Europa dauerndes Heimatsrecht finden, noch nützt man kaum die Zitrone zum Säuern, den Zucker zur Süßung, noch sind die feinen Tonika des Kaffees, des Tees nicht entdeckt; selbst bei Fürsten und Vornehmen täuscht stumpfe Vielfresserei über die geistlose Monotonie der Mahlzeiten hinweg. Aber wunderbar: bloß ein einziges Korn indischen Gewürzes, ein paar Stäubchen Pfeffer, eine trockene Muskatblüte, eine Messerspitze Ingwer oder Zimt dem gröbsten Gerichte zugemischt, und schon spürt der geschmeichelte Gaumen fremden und schmackhaft erregenden Reiz. Zwischen dem krassen Dur und Moll von Sauer und Süß, von Scharf und Schal schwingen mit einmal köstliche kulinarische Obertöne und Zwischentöne; sehr bald können die noch barbarischen Geschmacksnerven des Mittelalters an diesen neuen Incitantien nicht genug bekommen.(...)...mögen zweihundert Menschen von zweihundertfünfundsechzig nicht wiederkehren, so haben zwar Matrosen und Kapitäne ihr Leben verloren, der Händler hat aber bei diesem Spiel noch immer gewonnen. Kehrt nur ein noch so kleines Schiff von den fünfen, gut mit Gewürz beladen, nach drei Jahren zurück, so macht die Ladung mit reichlichem Profit den Verlust wett, denn ein einziger Sack mit Pfeffer gilt im fünfzehnten Jahrhundert mehr als ein Menschenleben; kein Wunder, daß bei dem großen Angebot an wertlosen Menschenleben und der stürmischen Nachfrage nach wertvollem Gewürz die Rechnung immer wieder prächtig klappt. Die Paläste Venedigs und jene der Fugger und Welser sind fast einzig aus dem Gewinn an indischem Gewürz erbaut. (...)

Die Kreuzzüge waren keineswegs (wie es oft romantisierend dargestellt wird) ein bloß mystisch religiöser Versuch, die Stätte des Heiligen Grabes den Ungläubigen zu entreißen; diese erste europäisch-christliche Koalition stellte zugleich die erste logische und zielbewußte Anstrengung dar, jene Sperrkette zum Roten Meer zu durchstoßen und den Osthandel für Europa, für das Christentum frei zu machen. Da dieser Stoß mißlang, da Ägypten nicht den Mohammedanern entrissen werden konnte und der Islam weiterhin den Weg nach Indien verlegte, mußte notwendigerweise der Wunsch wach werden, einen andern, einen freien, einen unabhängigen Weg nach Indien zu finden. Die Kühnheit, die Columbus nach Westen, die Bartolomeu Diaz und Vasco da Gama nach Süden, die Cabot nach Norden gegen Labrador vorstoßen ließ, entsprang in erster Linie dem zielbewußten Willen, endlich, endlich für die abendländische Welt einen freien, einen unbezollten und ungehinderten Seeweg nach Indien zu entdecken und damit die schmachvolle Vormachtstellung des Islams zu brechen. (...)

Hinter den Helden jenes Zeitalters der Entdeckungen standen als treibende Kräfte die Händler; auch dieser erste heroische Impuls zur Welteroberung ging aus von sehr irdischen Kräften – im Anfang war das Gewürz.

Mit dem Sieg über Konstantinopel im Jahre 1453 und der folgenden Ausbreitung ihres Reiches konnten die Osmanen das Monopol des Handels mit Pfeffer, Nelken und Muskat sichern. Vorläufig. Bis es ihnen von den Portugiesen abgenommen wurde.
Diese führten die Muskatnuss erstmalig im Jahre 1512 ein. Sie stammt von den Banda-Inseln. Muskat wurde mit Gold aufgewogen. Den Portugiesen stand nach der Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung durch Bartolomëu Diaz im Jahr 1487 und der Entdeckung Indiens durch Vasco da Gama zehn Jahre später der Weg in den Indischen Ozean offen. Aber bald wurden sie und ihre Handelswege immer wieder von Briten, Spaniern und Niederländern angegriffen.
Jan Pieterszoon Coen (1587-1629) war der erste Generalgouverneur der niederländischen Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oostindische Compagnie, VOC). Die VOC wiederum war die welterste Aktiengesellschaft und privater Eigentümer der niederländischen Stützpunkte und Kolonien in Ostindien. Coen begann im Jahre 1621 auf den Banda-Inseln mit 2000 Mann die einheimische Bevölkerung auszurotten. 15 000 Menschen wurden umgebracht und durch Sklaven aus anderen Gebieten ersetzt. Die VOC sicherte sich das Muskatnuss-Monopol für die nächsten 150 Jahre. Coen gilt als der Eroberer, der die Grundlage für das spätere Niederländisch-Indien legte. Seine Heimatstadt Hoorn ehrt ihn mit einem Denkmal.
Zum Zwecke der Aufrechterhaltung des niederländischen Muskatnuss-Monopols erwarb die VOC im Jahre 1667 die kleine Insel Run (3000 mal 750 m) im Ostindischen Archipel. Die Briten erhielten dafür eine andere, erheblich größere Insel namens Manhattan. Tatsächlich wurde das Muskatmonopol erst 1770 gebrochen, als ein Muskatgewächs von den Franzosen entwendet und auf Mauritius angepflanzt werden konnte. In der Folge geriet sie auch in andere Weltgegenden. Die Insel Grenada trägt sie im Wappen.

Seit Beginn des 17. Jahrhunderts war es den Niederländern gelungen, sich das indonesische Archipel als Kolonie Schritt für Schritt anzueignen und auszubeuten. Sie verdrängten die Portugiesen, die sich schließlich auf den östlichen Zipfel der Insel Timor beschränken mussten.

Im Zuge des zweiten Weltkriegs landeten im Dezember 1941 die Japaner auf Borneo und eroberten bald alle Inseln des Archipels. Schon im März 1942 erfolgte die Kapitulation der Niederländer. Aber die Japaner bekamen es mit einer antikolonialen Bewegung zu tun. Japan kapitulierte am 15. August 1945, wenige Tage nach Hiroshima und Nagasaki. Am 17. August proklamierten Sukarno (1901-1970) und Mohammad Hatta (1902-1980) die Unabhängigkeit Indonesiens, nicht zuletzt unter dem Druck der Kommunistischen Partei Indonesiens (PKI), in der damals schon der Genosse Dipa Nusantara Aidit führend tätig war.
Sie war 1945 neu gegründet worden. Im Februar 1948 bildeten PKI und Teile des linken Flügels der Sozialistischen Partei Indonesiens eine demokratische Volksfront. 1951 wurde Aidit zum Vorsitzenden des Politbüros gewählt. Mit Aidit drängte die PKI auf einen antiimperialistisch-nationalistischen Kurs und stärkte Sukarno. Die Partei wuchs rasch von etwa 4000 im Jahre 1950 über 165.000 im Jahre 1954 auf 1,5 Millionen Mitglieder 1959. Noch bei den Wahlen von 1955 unterstützte sie die Politik Sukarnos. Sie erhielt 16 % der Stimmen und 39 von 257 Sitzen im Parlament. Nach dem VI. Parteitag schwenkte die PKI auf die Pekinger Linie ein.
1960 propagierte Sukarno den Slogan Nasakom, die Abkürzung für Nasionalisme (Nationalismus), Agama (Religion), Komunisme (Kommunismus). Die PKI war als Juniorpartner Sukarnos etabliert. Die Parteizeitung Harian Rakyat wagte es einmal, die Regierung zu kritisieren. Die Führer der PKI wurden zunächst festgenommen, dann auf Sukarnos Befehl wieder freigelassen. Das war 1960. Auf einem Sonderparteitag im Jahre 1962 ordnete sich die PKI der Linie Sukarnos unter. „Wir müssen fest das Hauptprinzip vertreten: die Klasseninteressen den nationalen Interessen unterzuordnen und die nationalen Interessen über die Klasseninteressen und Parteibelange zu stellen.“ (zitiert nach: Thürk/Weidemann, Indonesien '65, S. 130).
Zwar begrenzte das Agrargrundgesetz von 1960 privates Grundeigentum, seine Umsetzung indes wurde immer wieder mit militärischer Gewalt verhindert. Häufig mussten Unruhen unterdrückt werden, bis Sukarno im Jahre 1964 die PKI auf einer Konferenz in Bogor verpflichtete, sich jeglicher Aktionen um die Bodenaufteilung zu enthalten. (Thürk/Weidemann, S. 167). 1965 ist die PKI mit etwa drei Millionen Mitgliedern die größte kommunistische Partei außerhalb der Sowjetunion und Chinas.

Im Jahre 1945 war das Territorium der Republik noch auf die Inseln Java, Madura und einen Teil Sumatras beschränkt. Die übrigen Inseln beherrschten die Niederländer, gegen die die indonesischen Befreiungskräfte einen verlustreichen Unabhängigkeitskrieg führten. Militärisch hätten die Niederlande diesen Guerilla-Krieg vielleicht gewinnen können. Er galt in den Niederlanden als Polizeiaktion. Aber sie verloren ihn politisch. Die Vereinten Nationen verurteilten ihn am 28. Dezember 1948 als Angriffskrieg. So sorgten Weltöffentlichkeit und nicht zuletzt der Druck durch die USA schließlich für Indonesiens Unabhängigkeit. Am 27. Dezember 1949 unterzeichnet Königin Juliana die Souveränitätsübergabe, nachdem diese von den jeweiligen Parlamenten gebilligt worden ist.
Eine Figur des Kolonialkriegs ist für ihre Brutalität berüchtigt: Raymond Westerling (1919-1987), ein fanatischer Antikommunist. 1946 kommandierte er die Depot Special Forces (DSF), eine Eliteeinheit der niederländischen Kolonialarmee KNIL (Königlich Niederländisch Indische Armee), auf Süd-Sulawesi. Tausende von Unschuldigen wurden in wenigen Wochen ohne Gerichtsverfahren hingerichtet. Westerling selbst gab 3 bis 4000 Opfer zu, persönlich hätte er nur 600 zu verantworten (Raymond Westerling, Ich war kein Rebell, Ullstein Verlag 1953, S. 118). Tatsächlich wurden aber 42 000 Opfern allein auf Sulawesi registriert.
Bekannt wurde auch das Massaker von Rawagede/West-Java, das die KNIL am 9. Dezember 1947 verübte. 431 - das sind fast alle - Männer aus diesem Dorf wurden gefangen genommen und ermordet, als sie sich weigerten, das Versteck des indonesischen Unabhängigkeitskämpfers Lukas Kustario zu verraten. Ein Bericht der Vereinten Nationen vom 12. Januar 1948 nannte die Tötungen „vorsätzlich und gnadenlos“. Gegen den verantwortlichen Offizier Major Alphons Wijnen wurde kein niederländisches Ermittlungsverfahren eröffnet. Zehn Überlebende konnten das erst im Herbst 2008 erreichen. Das Gericht entschied am 14. September 2011, dass das Verbrechen wegen seiner außergewöhnlichen Natur nicht verjähren könne, und machte den niederländischen Staat verantwortlich. Es kam zu einem Vergleich, nach dem den Klägern und Witwen der ermordeten Männer 20.000 Euro pro Kopf zugesprochen wurde. Am 9. Dezember 2011 sagte Tjeerd de Zwaan, der niederländische Botschafter in Indonesien: „Wir erinnern uns an die Mitglieder Ihrer Familie und die Ihrer Kolleginnen und Dorfbewohner, die vor 64 Jahren durch die Aktionen des niederländischen Militärs starben ... Im Namen der niederländischen Regierung entschuldige ich mich für die Tragödie, die stattgefunden hat.“
Indessen verlief auch eine Front innerhalb der Befreiungskräfte. Nach der provokativen Verhaftung kommunistischer Offiziere in Madiun/Ostjava und ihrem Verschwinden, kam es dort zu einer Revolte, in deren Gefolge am 18. September 1948 Mitglieder der PKI und der Indonesischen Sozialistischen Partei (PSI) eine „indonesische Sowjetrepublik“ ausriefen. Diese Aktion blieb isoliert. Madiun wurde innerhalb weniger Wochen von republikanischen Kräften unter Leitung der Siliwangi-Division zurückgewonnen, 30 000 Kommunisten und mit ihnen die Anführer des Aufstands, Manowar Musso und Amir Sjariffudin, wurden getötet. Damit war der Kern der PKI vernichtet. Aidit und Lukman flohen nach China. 1950 gründeten sie dort die PKI neu.
Die Niederschlagung der Revolte von Madiun führte auf der anderen Seite zur diplomatischen Unterstützung der Republik Indonesien durch die USA. Durch die angedrohte Veweigerung von Marshallplan-Mitteln setzten sie im August 1949 die Verhandlungen der Niederlande mit der Republik Indonesien durch. In der Souveränitätserklärung gab es neben anderen Übergangsregelungen einen Vorbehalt bezüglich Westneuguineas. Die an Bodenschätzen reiche Halbinsel blieb zunächst unter niederländischer Verwaltung, bis diese am 1. Mai 1963 als UNO-Mandat an Indonesien übergeben wurde.

Gleich nach der Unterzeichnung des Unabhängigkeitsvertrags und ihm zum Trotz besetzte am 23. Januar 1950 unter dem Kommando von Westerling eine paramilitärische Einheit (APRA, Legion des Ratu Adil, des „Fürsten der Gerechtigkeit“) die die westjavanische Stadt Bandung. Bei dieser Aktion unterstützten Truppen der KNIL (Westerling, S. 184) seine angebliche „Privatarmee“ (Westerling, S. 159). Der Putschversuch scheitert indes anlässlich eines wegen Waffenmangels vergeblichen Angriffs auf die Polizeikaserrne in Jakarta. Westerling flieht nach Europa, schreibt 1951/52 in Brüssel seine Autobiografie, begibt sich in die Niederlande und verzehrt in Purmerend bis zu seinem Ableben im Jahr 1987 eine üppige Staatspension.

Sukarnos Herrschaft stützte sich von Beginn an auf den muslimischen Klerus, auf die Loyalität der Kommunisten, aber immer stärker auch auf das Militär, dessen Offiziere regelmäßig zur Ausbildung in die USA geschickt werden. Generäle kommandierten zahlreiche Sektoren der indonesischen Wirtschaft.

In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1965 werden in Indonesiens Hauptstadt Jakarta sechs Generäle, darunter Armeechef Ahmad Yani, sowie ein Leutnant im Zuge eine Putschversuchs von Offizieren umgebracht. Die Putschisten besetzen den Präsidentenpalast, die Rundfunkstation und das Postgebäude am Merdeka-Platz in Jakarta. Ihr Anführer Oberstleutnant Untung erklärt im Rundfunk, dass die „Bewegung des 30. September“ einen CIA-unterstützten Putsch des „Rates der Generäle“ vereitelt habe. Die Bewegung teilt mit, sie unterstütze Sukarno, die indonesische Revolution und richte sich gegen machtbesessene hohe Offiziere. Tim Weiner („CIA – Die ganze Geschichte“, Ffm 2009, S. 350) hält die Aktion für einen Putsch von Sukarno gegen die eigene Regierung.
Die späteren Machthaber um den Chef der Eliteeinheit Kostrad des strategischen Armeekommandos, Generalmajor Suharto, machen aber unverzüglich die PKI und mit ihr verbundene Massenorganisationen verantwortlich. Das weist schon auf den eigentlichen Zweck der Aktion, der vielleicht nicht jedem der Akteure klar war. Die Offiziere um Oberstleutnant Untung sind weder Kommunisten noch vertreten sie sozialistische Ziele. Auf der anderen Seite ist die Kommunistische Partei offenkundig vollkommen unvorbereitet. Womöglich hat Suharto selbst die Strippen gezogen, um einen Vorwand für den eigentlichen Putsch zu haben. Als gesichert indes darf der Einfluss der US-Amerikaner und Briten gelten (siehe Brad Simpson, Economists with Guns: Authoritarian Development and U.S.-Indonesian Relations, 1960-1968, Stanford, CA: Stanford University Press, 2008). Demzufolge unterbleiben mediale und politische Reaktionen im Westen. Allenfalls ist Erleichterung zu spüren über die Eindämmung der weltweit drittstärksten kommunistischen Partei. Der Staatssekretär im US-Außenministerium Alexis Johnson meint z.B. 1966: „Die Zurückdrängung der kommunistischen Flut im großen Land Indonesien wird wahrscheinlich neben dem Vietnamkrieg als einer der historisch bedeutendsten Wendepunkte in Asien in diesem Jahrzehnt gewertet werden.“ („The reversal of the Communist tide in the great country of Indonesia [is] an event that will probably rank along with the Vietnamese war as perhaps the most historic turning-point in Asia of this decade.“ - zitiert nach Gittings und dort nach Gabriel Kolko: Confronting the Third World: US foreign policy 1945–1980. New York 1988, S. 183).
Die schlimmsten Massaker finden statt in den Dörfern Ost- und Zentraljavas, im Umkreis der Plantagen Nordsumatras und in Bali. Die Militäreinheiten kommen in die Regionen, verteilen Waffen und instruieren Banden, die durch örtliche Großgrundbesitzer und Religionsführer organisiert werden. Häufig umstellen Militärs die Dörfer. Sie richten Kommunisten und vermeintliche Sympathisanten mit Macheten hin. Einzelne Gemetzel sind bis in das Jahr 1969 hinein belegt. Die meisten Autoren schätzen die Zahl der Opfer auf etwa 500.000. Eine Million sind wahrscheinlicher. Die staatliche Propaganda hetzt gegen Kommunisten mit Berichten über angebliche Gewaltexzesse der PKI. Diese Partei zählt Mitte der sechziger Jahre etwa drei Millionen Mitglieder. Sie ist damit nach der Kommunistischen Partei Chinas und der KPdSU die weltweit drittstärkste kommunistische Partei. KP-Generalsekretär Aidit und die gesamte KP-Führung werden ermordet. Mit Massenmorden an hunderttausenden Menschen wird jeder Ansatz von Opposition vernichtet. Generalmajor Suharto setzt an der Spitze einer Militärdikatur seine „Neue Ordnung“ durch. Marshall Green, seit Mai 1965 US-amerikanischer Botschafter, hält engen Kontakt zur Armee, liefert Listen von Kommunisten, die noch zu ermorden sind. Er schreibt am 4. Dezember 1965 an Dean Rusk, seinen Außenminister, dass über 100 000, aber nicht mehr als 200 000 Menschen allein im Norden Sumatras und in Zentral- und Ostjava umgebracht worden sind.
Am Ende geht die CIA von 250 000 bis 500 000 getöteten Kommunisten aus. Tim Weiner („CIA – Die ganze Geschichte“, Ffm 2009, S. 353) berichtet, dass Botschafter Green in einer nicht öffentlichen Sitzung des Senatsausschusses für Auswärtige Beziehungen seine Angaben über die Todesopfer revidiert habe. „Ich glaube, diese Schätzungen sollten auf über 500 000 angehoben werden.“ Das Protokoll über die Sitzung wird im März 2007 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Senator Fulbright fragt nach der Verwicklung der USA in den Putsch. Green bestreitet sie. Tatsächlich ist aber einer der Hauptakteure des Putsches, Adam Malik, Agent des CIA. Er ist von Clyde McAvoy angeworben worden, der 2005 in einem Interview bekennt: „Er [Malik] war der höchstrangige Indonesier, den wir je angeworben haben.“ (Weiner, S. 351 und Anmerkungen S. 770, dort Hinweis auf eine weitere Quelle: „The Foreign Relations of the United States 1964-1968“, Band XXVI, S. 338-380).
Adam Malik (* 1917), offizieller Nationalheld Indonesiens, war zwischen 1959 und 1963 Botschafter in der Sowjetunion und Polen, ab 1966 Außenminister, Repräsentant Indonesiens bei der UN-Generalversammlung und 1971 deren Vorsitzender. 1977 trat er als Außenminister zurück, bleibt bis zu seinem Tode 1984 Vizepräsident des Landes.
Am 11. März 1966 erzwingt Suharto von Präsident Sukarno die Vollmacht zur Regierungsbildung; Sukarno erklärt am 22. Februar 1967 seinen Rücktritt, danach bleibt er bis zu seinem Tod im Juni 1970 unter Hausarrest. Am 27. März 1968 übernimmt Suharto auch formell das Amt des Staatspräsidenten.
Suharto verfügt im Jahr 1967 per Dekret, dass der 1. Oktober fortan als Hari Kesaktian Pancasila („Pancasila Sanctity Day”) der Erinnerung an den vereitelten Putsch gewidmet werden solle.
Erst im Jahr 1995 wird diese diskriminierende Praxis aufgehoben. Der Antikommunismus wird in der Neuen Ordnung zu einem Repressionsinstrument gegen jede Art von Opposition. Noch Mitte der 1990er Jahre wird die Gefahr des Kommunismus heraufbeschworen. Der Generalstabschef der Armee, Suyono, warnt vor „formlosen Organisationen“ („OTB“) und Generalleutnant Syarwan Hamid vor „Kommunisten neuen Stils“ („Komunis Gaya Baru“, „KGB“). Er behauptet, dass ehemalige PKI-Mitglieder jetzt mit Menschenrechtlern und Umweltschützern kooperierten. Noch Anfang der 1990er Jahre haben 1,35 Millionen Indonesier in ihrem Ausweis einen Vermerk, wonach sie ehemalige politische Gefangene („ET“, Eks Tahanan) sind (nach Andreas Ufen, Vergangenheitspolitik in Indonesien: Die Massaker von 1965-1966, GIGA (German Institute of Global and Area Studies )-Focus 3/2014.

Wie geht es in Indonesien nach Suhartos Putsch weiter? Prompt folgt die Annektion Westneuguineas. Bereits im Frühjahr 1966 wird der US-Bergbaugigant Freeport zu ersten Gesprächen eingeladen. Freeport erhält zu selbst gewählten Konditionen einen Vertrag über 30-jährige Nutzungsrechte an der reichen Ertsberg-Kupfer-Mine in Westneuguinea. Auf der Grundlage des sogenannten New Yorker Abkommens, also mit UNO-Mandat, hatte Indonesien seit 1963 Westneuguinea verwaltet. Damit war aber die Verpflichtung verbunden, freie Wahlen unter den Bewohnern der Insel, den Papua, zu organisieren. Der Act of Free Choice sollte die Option für die Unabhängigkeit der Halbinsel sichen. Unverzüglich werden jetzt aber die Papua durch indonesisches Militär terrorisiert. US-Botschafter Frank Galbraith weiß von den Völkermordplänen an den Papua. Tatsächlich werden 30 000 von ihnen ermordet. Und dennoch sind noch höchst manipulative Aktivitäten fällig, um die Abstimmung 1969 zugunsten Indonesiens und Freeports ausfallen zu lassen. Und nach dieser Aktion geht das Morden weiter. Vorsichtige Schätzungen sprechen von 100 000 Opfern bis 2007.

Ähnlich geht Suharto und seine Militärs gegen Osttimor vor. Die Ölfelder auf Osttimor und in der Timorsee zwischen Timor und Australien gehören zu den reichsten im asiatisch-pazifischen Raum. Am 6. Juni 1975 besetzen indonesische Truppen die portugiesische Enklave Oecussi-Ambeno in Westtimor, im Oktober desselben Jahres auch grenznahe Gebiete der Kolonie Portugiesisch-Timor. Die „Revolutionäre Front für die Unabhängigkeit von Osttimor“ (FRETILIN) ruft am 28. November 1975 die Unabhängigkeit der bisherigen portugiesichen Kolonie aus.
Staatschef Suharto befiehlt am 7. Dezember 1975 die militärische Invasion Osttimors. In den folgenden Wochen werden 60.000 Menschen getötet, 10 % der Bevölkerung. Osttimor wird am 17. Juni 1976 dem indonesischen Staatsverband eingegliedert. Der Guerillakrieg bis 1999 fordert weitere 140 000 Opfer.
Schließlich kommt es 1999 zu einem Unabhängigkeitsreferendum, dessen Ergebnisse das indonesische Militär noch einmal zu Massakern veranlasst. Osttimor kommt unter UN-Verwaltung. Erst seit Mai 2002 ist das kleine Land unabhängig.

Suhartos Diktatur endet 1998. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg in den Jahren 1966 bis 1997 von 50 Dollar auf 1000 Dollar pro indonesischer Nase – zum großen Teil auf Pump. In die BIP-Berechnung gehen die privaten Erlöse der Erdöl- und Gasproduktion ein, sowie der Ausbau der Textilindustrie. Unglücklicherweise entwickeln sich aber, nicht nur in Indonesien, just durch Immobilienblasen besicherte, letztlich uneinbringliche Kreditkaskaden. Die Welt erlebt im Frühjahr 1998 den größten Crash der letzten 50 Jahre. Massen von Kapital fließen ab. Im August 1997 wird die indonesische Rupiah vom US-Dollar abgekoppelt. Trotz der Rettungsschirme von IWF, Weltbank und anderer Quellen in Höhe von 48 Milliarden Dollar kommt es im Dezember zu einem Bank Run, die Hälfte aller Bankeinlagen wird abgezogen. Die staatliche Indonesian Bank Restructuring Agency (IBRA) wird gegründet und gibt eine Generalgarantie zugunsten der Banken Indonesiens ab. Aber die Rupiah fällt weiter. Schließlich schließt die IBRA im April 1998 sieben Banken, übernimmt sieben weitere. Viele Firmen gehen bankrott, das BIP schumpft im Jahr 1998 um 13,7%, die Arbeitslosigkeit steigt auf 22%. Studenten revoltieren. Die Bank Runs halten an. Präsident Suharto muß zurücktreten. Insgesamt stellen IWF, Weltbank und andere Geldinstitute 85 Milliarden Dollar für Indonesien, Südkorea, Philippinen und Thailand bereit, allerdings unter der Voraussetzung von Austeritätsprogrammen und neoliberaler Strukturreformen samt fälliger Überwachungskommissionen.
Die Protestwelle der Studenten erreicht ihren Höhepunkt in den Tagen vom 12. bis zum 14. Mai 1998 an den Hochschulen und in den Straßen von Jakarta. Vordergründig geht es um Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Suharto. In der Tat hat er sich aus der Staatskasse reichlich bedient. Ein ärztliches Attest im Jahre 2000 reicht indes aus, um einen Prozess wegen der Veruntreuung von umgerechnet rund 387 Millionen Euro aus öffentlichen Geldern auszusetzen. Später erhöht sich diese Summe auf eine Milliarde. Suhartos sechs Kinder und deren Angehörige halten bis heute Anteile an allen wichtigen Branchen der indonesischen Wirtschaft; Sohn Bambang Trihatmodjo steht auf der Forbes-Liste mit einem Vermögen von 200 Millionen Dollar.
Am 21. Mai 1998 ist Schluss, Suharto tritt zurück. Nachfolger wird Bacharuddin Jusuf Habibie. Es folgen Wahlen im Oktober 1999. Seit dem 20. Oktober 1999 ist Abdurrahman Wahid Staatspräsident, gewählt durch die Beratende Volksversammlung, obwohl Megawati Sukarnoputri, die Tochter Sukarnos, als Wahlsiegerin gelten muss. Wahid wurde am 23. Juli 2001 von derselben Beratenden Volksversammlung abgesetzt. Als Gründe werden Inkompetenz und Korruption genannt, den Ausschlag aber gibt womöglich der Umstand, dass unter seiner Regierung Versuche unternommen wurden, die Geschichte der Ereignisse um 1965 neu zu überdenken. Dabei spielte eine Rolle, dass die Verordnung TAP MPRS No. 25/1966, welche die Verbreitung von marxistischem, leninistischem und kommunistischem Gedankengut verbietet, für ungültig erklärt worden ist. Damit waren aber Reputation, Autorität und Interessen des Militärs bedroht (siehe Wijaya Herlambang, Film als Mittel der Propaganda; in: Anett Keller, Indonesien 1965 ff. Berlin 2015, S. 133). Ab dem 23. Juli 2001 ist Megawati Sukarnoputri Staatspräsidentin. Bei den ersten Direktwahlen im Juli 2004 unterliegt sie indes dem früheren General Susilo Bambang Yudhoyono. So schließt sich der Kreis. Das Militär bleibt bis zum 2014 die entscheidende Macht in Indonesien. Erst im Juli 2014 kommt es zur Wahl eines Nichtmilitärs, des Möbelhändlers Joko Widodo, der als der indonesische Obama beworben wird.

Bevor wir die Frage stellen, wie mit der jahrelangen Umkehrung von Schuld, wie mit dem jahrzehntelangen Schweigen gegenwärtig in Indonesien umgegangen wird, sollten wir eine andere beantworten. Ob und wie sind die Ereignisse von 1965 im Rest der Welt verarbeitet worden? Wie kamen die Massenmorde in den westlichen Medien, in Büchern und Filmen vor?
Auch bei uns: Schweigen.
Einen Spielfilm konnte ich sehen. Immerhin. Aber er verbreitet die offizielle Lüge, die den Militärputsch im Oktober 1965 als Reaktion auf einen linken Putschversuch darstellt. Der Film heißt „Ein Jahr in der Hölle“ (The Year of Living Dangerously), ist 1982 von Peter Weir gedreht worden. Peter Weir ist ein bekannter Regisseur. Sein Film „Der Club der toten Dichter“ von 1989, in dem Robin Williams in der Rolle des Lehrers Schüler für antirealistische Literatur begeistert, wird gerne überschätzt. Andere Filme von ihm sind: „Green Card“ 1990; „Fearless – Jenseits der Angst“ 1993; „Die Truman Show“ 1998)
Reporter Guy Hamilton, gespielt von Mel Gibson kommt Mitte der 60er Jahre nach Jakarta. Hier arbeitet er für eine australische Nachrichtenagentur. Guy lernt den kleinwüchsigen Fotografen Billy Kwan kennen. Billy bietet Guy einen Deal an: Mit Hilfe seiner exzellenten Kontakte versorgt er Guy mit Stories. Im Gegenzug beschäftigt Guy seinen Bekannten exklusiv als Fotografen. So verschafft Billy dem Journalisten ein Interview mit dem Genossen Aidit, dem Generalsekretär der KP. Durch Billy lernt der Reporter die britische Botschaftsangestellte Jill Bryant kennen. Jill warnt Guy, dass sich ein mit Waffen für die Kommunisten beladenes Schiff auf dem Weg nach Indonesien befinde. Ein Bürgerkrieg stehe unmittelbar bevor. Guy hat einen indonesischen Assistenten, Mitglied der KP. Auch der warnt ihn. Guys Name stehe auf der Todesliste der Kommunisten. Aber das hält den mutigen Reporter nicht von seinen Recherchen ab.
Der Bürgerkrieg beginnt, Guy wird von Regierungssoldaten schwer verletzt. Er wartet in Billys Bungalow den Ausgang der Kämpfe ab. Er erfährt, dass die Kommunisten verloren haben, und schlägt sich zum Flughafen durch, wo er glücklich Jill wiedertrifft.

Zu empfehlen ist der Roman „Amok“, Verlag Das Neue Berlin, 1974, des DDR-Autors Harry Thürk (1927-2005). Hauptfigur ist der Kapitän und Kommunist Hussar, aus dessen Blickwinkel wir die Ereignisse von 1965 erfahren. Der Roman erlebte sieben Auflagen. Derselbe Autor hat zusammen mit dem Staatsrechtler Prof. Dr. Diethelm Weidemann das Buch geschrieben: „Indonesien '65, Anatomie eines Putsches“, Militärverlag der DDR, Berlin 1975. Es analysiert die Ereignisse. Beide Bücher sind antiquarisch noch erhältlich.

Indonesische Literatur ist überwiegend in der jungen indonesischen Verkehrssprache (Bahasa Indonesia) verfasst. Gegenwärtig können gerade mal 7,2% der Bevölkerung lesen und schreiben. Noch herrscht in diesem tropischen Land die Tradition mündlicher Übermittlung von Texten: Das Publikum verständigt sich ästhetisch durch Puppen- und Schattenspiel, bei Rezitationen von Lyrik. Die einheitliche indonesische Sprache hat sich erst mit der Entstehung der indonesischen Nation nach 1945 herausbilden können, ihre Quelle ist ein malaiischer Dialekt von der Insel Sumatra. Niederländische Spracheinflüsse reichen bis 1942. Immerhin wächst das Buch- und Verlagswesen stetig. 1200 Verlage (BRD: 1800) veröffentlichen 40 000 Titel im Jahr (BRD 90 000). Der Umsatz beträgt 50 Mio Euro (BRD 9,3 Mrd) und erfährt jährliche Steigerungen von 7%.
Die erste Generation von Autoren der indonesischen Nationalliteratur werden repräsentiert von Rendra (* 1935) und Pramoedya Ananta Toer (1925–2006) (kurz: Pram). Toer war schon Partisan im Befreiungskrieg gegen die Japaner, stand den Kommunisten nahe und war unter Suharto 14 Jahre lang inhaftiert, zuletzt auf der Gefängnisinsel Buru (Molukken). Hier entstand seine Buru-Tetralogie. Mehrfach, aber vergeblich wurde Toer für den Nobelpreis nominiert. Erst 1999 konnten seine Werke in Indonesien erscheinen.
Nach den Studentenprotesten von 1998 und dem Sturz von Suharto entstand eine neue Generation von Literaten. Laksmi Pamuntjak (* 1971) hat den Roman „Amba“ (Alle Farben Rot) geschrieben, in dem sie die Massenmorde von 1965 ff. verarbeitet. Ähnlich engagiert ist Leila S. Chudori mit ihrem ersten Roman „Pulang“. Protagonisten ihres Romans sind ein Genosse, der in Paris Asyl findet und als Koch in einem indonesischen Restaurant arbeitet, sowie seine Tochter, die sich 1998 nach Djakarta begibt, um einen Dokumentarfilm zu drehen, und mit Studentenprotesten konfrontiert wird. Auffällig häufig wird von indonesischen Speisen und Gewürzen geschrieben.
Indonesien war Gastland auf der Frankfurter Buchmesse vom 14. bis 18. Oktober 2015.
Ausgestellt wurden in Frankfurt 850 Übersetzungen aus und zu Indonesien, von 180 Verlagen. Es gab 570 Veranstaltungen mit 75 indonesischen Autorinnen und Autoren. Das deutsche Publikum fand 142 neue Titel in deutscher Sprache vor, 53 davon belletristisch.
Mein Buchhändler indes zeigte sich über den Verkaufserfolg indonesischer Literatur wenig begeistert. Auch Holger Heimann hat am 16. August 2015 im Deutschlandfunk ihre Resonanz bei uns und im eigenen Lande eher gering eingeschätzt. Er zitiert den Dichter und Verleger Agus Sarjono: „Tatsächlich sind es nur zehn Prozent der Indonesier, vielleicht auch nur fünf Prozent, die sich für Bücher erwärmen und diese kaufen. Vielen ist einfach nicht klar, dass Lesen ungeheuer spannend sein kann. Selbst an den Universitäten ist das so. Ich bin mir unsicher, ob es ein grundsätzliches Desinteresse gibt oder ob die Menschen einfach nicht daran gewöhnt sind zu lesen.“
Der amerikanische Verleger John McGlynn sieht die Gründe in der Zeit der Suharto-Diktatur:
„Während der Suharto-Ära waren Literatur und Sprachen keine Pflichtfächer mehr in den Schulen. Die Leute lernten nicht, sich schreibend auszudrücken, Literatur zu schätzen. Insofern ist es bemerkenswert, dass Indonesien heute überhaupt so viele talentierte Autoren hat.“
Die Buchhandlungen seien vielfach ein Abbild der Bildungsmisere, schätzt Heimann. Die Provinz sei ohnehin unterversorgt, zwar fänden sich in Jakarta Buchhandlungen, aber es überwögen religiöse Bücher, Ratgeber und simple Erfolgsgeschichten.

Martin Jankowski (* 1965 in Greifswald) schreibt in „Indonesien lesen. Notizen zu Literatur und Gesellschaft“ (regiospectra Verlag, Berlin 2014) über seine literarischen Erfahrungen im Lande. Der Autor versteht sich als vormaliger Dissident im oppositionellen Untergrund des „Stasistaates“ (S. 102: „hatten das Glück, dass zwei wichtige Umstände uns halfen, unser nichtdemokratisches Land friedlich und in kürzester Zeit in ein freies und demokratisches umwandeln zu können“... „Auf der anderen Seite gab es bereits einen starken, freien und demokratischen deutschen Staat, der auf uns wartete: Westdeutschland war bereit für die Wiedervereinigung schon bald nach dem Mauerfall.“), eine politische Haltung, die das historische Blickfeld einzuhegen imstande ist, aber helfen dürfte, wenn es gilt, über staatliche Stellen und offizielle Kulturpolitik Verbindungen zu knüpfen. Jankowski schildert zwar den gegenwärtigen literarischen Aufbruch in Indonesien nach der Unterdrückung durch die Militärherrschaft. Von den Ereignissen von 1965 ist aber nur am Rande die Rede. Jankowski fasst auf acht Seiten die Geschichte indonesischer Literatur zusammen (S. 143-151) und lässt immerhin Dorothea Rosa Herliany zu Wort kommen (S. 159-174), eine Autorin, die den Zusammenhang von kolonialer Unterdrückung und ökonomischen sowie kulturellen Hemmnissen zum Thema macht („Indonesien als Nation befindet sich in tiefer ökonomischer Abhängigkeit zur Politik und Kultur anderer Nationen, die sich leistungsfähiger fühlen“). Herliany schreibt über widerständige Literatur, die sich mit dem Kolonialismus wie mit der jüngeren Geschichte in der Folge der Massaker von 1965 auseinandersetzt. Schon ein knapper und unscharfer Überblick lässt erkennen, wie Belletristik es vermag, die Lücken in der Verarbeitung der gesellschaftlichen und politischen Traumata der sechziger Jahre zu schließen. Sie erfüllt Aufgaben, die Historiker wie überhaupt Gesellschaftswissenschafter offenbar noch nicht bewältigen.

Vom 10. bis 13. November 2015 fand in der Nieuwe Kerk in Den Haag das „International Peoples Tribunal 1965“ statt. Von ihm berichtete Anette Keller am 23. November 2015 in der „jungen Welt“.
Dieselbe Autorin hat das Lesebuch „Indonesien 1965ff.“ (regiospectra Verlag, Berlin 2015) herausgegeben, in dem Überlebende von Mord, Haft und Folter, aber auch von Solidarität erzählen. Indonesische Wissenschaftler beschreiben die noch heute wirksamen Hemmnisse durch Denkmuster und Machtstrukturen, die sich gegen die fällige Aufarbeitung richten.

Klaus Stein, 23. Februar 2016

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