Rede zum 85. Jahrestag der „Schlacht in der Elsaßstraße“
Kundgebung zu den Vorfällen, die 1933 in der Elsaßstraße stattfanden.
Vor leider nur rund einem dutzend Genoss*innen und Freund*innen bei ziemlicher Kälte
skizzierte der DKP-Redner kurz die Vorgänge vom 3.3.33 (sprich: Dretter Dretter Dreiundrissich) in der Elsaßstraße zu Köln:
Ein Trupp der SA veranstaltete an diesem Tag einen Fackelzug, der in Richtung Bayenthal marschierend einen Schwenker durch besagte Elsaßstraße unternahm und die größtenteils kommunistischen Südstädter provozierte. Es kam zu Widerstandsaktionen von Arbeitersportlern und der Bevölkerung, Stühle, Blumen- und Pisspötte sowie andere Gegenstände flogen auf die Nazis, die sich nach minutenlanger Keilerei zurückziehen mussten. Die SA rief die Ordnungspolizei, die willfährig mit Panzerwagen und MG´s anrückte und die Häuser beschoss.
70 Antifaschisten wurden festgenommen und verschwanden in Konzentrationslagern. 1983 wurde im älteren Teil der Straße eine Gedenktafel angebracht, vorher entstand im selben Jahr am 1942 errichteten Hochbunker ein Wandbild des „Aachener Wandmalers“ Klaus Paier, das die Ereignisse anschaulich illustriert. Dieses Wandbild wurde bereits zweimal überstrichen und nach Protesten jedes mal wieder restauriert und befindet sich derzeit in einem schlimmen Zustand: Der Nazi im unteren Teil ist von Nazis übersprüht. Der Antrag des Bezirks Rodenkirchen an die SPD-Stadtratsfraktion „Denkmalschutz für das Wandbild – Schlacht in der Elsaßstraße- (…) auf der Fassade des Hochbunkers E.str. 42-46, 50677 Köln“ wurde am Schluss der Rede verlesen.
Auch nach Meinung des Redners stellt es „ein wichtiges Dokument der Kunst- und Zeitgeschichte der 1980er Jahre dar und muss deswegen als Baudenkmal eingestuft und in die Denkmalliste aufgenommen werden.“
Die DKP Köln-Innenstadt veranstaltet schon seit Jahren am 3.3. das Gedenken an die Vorgänge und stellt dabei immer einen neuen Aspekt in den Mittelpunkt. Diesmal wurden die, für Kommunisten wenig erfreulichen, Vorgänge beleuchtet, die der „Schlacht“ zugrunde lagen.
Am 2.3.33, also einen Tag vorher fand das propagandistisch ausgeschlachtete Beerdigungstheater für zwei ermordete SA-Schläger statt. Walter Spangenberg und Winand Winterberg waren am 24. Februar in der Nordstadt von Genossen des Rotfrontkämperbundes auf offener Strasse erschossen worden. Die beiden Nazisaalschützer „verirrten“ sich halb- und siegestrunken von einer SA-Party kommend in die Arbeiterviertel am heutigen Ebertplatz und wurden, weil sie sich nicht ausweisen wollten und wohl auch als Schläger bekannt waren, niedergeschossen. Die Schützen konnten erkannt und später festgenommen werden, ebenso wie etliche mutmaßliche oder wirkliche „Unterstützer“. Den Vorfällen ging keine Schießerei voraus, Anwohner sprachen von einem Racheakt der Rotfrontkämpfer. Diese (Rache)Morde wurden natürlich sofort von den neuen Machthabern und der willigen Presse in bester Propagandamanier breit getreten und ausge-schlachtet. Bis zur Beerdigung der beiden gab es ein mediales Feuerwerk, wie wir es heutzutage nur zu gut auch kennen. Gaben sich Teile der Kölner Öffentlichkeit und Presse bis dato noch verhalten, so überschlugen sich die „Kölnische Zeitung“, die „Kölnische Volkszeitung“ und natürlich sowieso der „Westdeutsche Beobachter“ in der Verklärung der „Nationalen Märtyrer“ und in Hasstiraden gegen die Kommunisten: „Ganz Köln fordert strengste Sühne“, „Unsere braunen Helden rufen nach Rache“, „Auge um Auge - Zahn um Zahn“, usw. u.s.f..
Zurecht schrieb der „ Kölner Stadt-Anzeigers“ in einem Artikel vom 21.7. 2008:
„Der Prozeß gegen die 17 Spangenberg/Winterberg- Mörder hat eine besondere Rolle bei der Durchsetzung des Machtanspruchs der Nazis in Köln gespielt.“
Es machte es vielen leichter, sich den neuen Herrschern und ihrer brutalen Linie anzuschliessen, so auch der Kölner Staatsanwaltschaft, die im Mai 1933 nahezu geschlossen der NSDAP beitrat und zum Prozessbeginn gegen die 17 „Mordbuben“ im Juli forderte:
„Das Begehren nach den Köpfen dieser Tiermenschen ist eine gerechte Forderung, die auch das Volk verlange und billige. Volkes Stimme ist Gottes Stimme.“
Der Prozess gegen die Hauptschuldigen Hermann Hamacher, Otto Waeser, Bernhard Willms, Matthias Josef Moritz, Josef Mundorf, Arthur Nieswand, Martin Engels und zehn andere vor dem Schwurgericht am Appellhofplatz endete am 24.Juli mit Todes- und Zuchthausurteilen, die lautstark in den Medien begrüsst wurden. Das am 14. Juli 33 in Kraft getretene „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“, nachdem nun die NSDAP die einzig legale politische Partei Deutschlands wurde, wirkte strafverschärfend, eine Revision wurde vom Reichsgericht abgelehnt.
Allerdings sprach sich das Gericht immerhin für eine Begnadigung der zum Tode verurteilten aus, die aber vom preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring nicht nur abgelehnt, sondern auch noch verschärft wurde: Auf seine Anordnung wurde die Hinrichtung der sechs Hauptschuldigen nicht mit dem Fall-, sondern mit dem Handbeil vollzogen. Die Hinrichtung am 30.November muss grauenhaft gewesen sein und führte zu Unmutsäußerungen in der Bevölkerung, was erneut zu etlichen Verhaftungen führte, u.a. die des Pfarrers von St. Ursula, der es wagte eine Messe für die armen Teufel zu lesen.
Man muss selbstkritisch sagen, dass die Tötung von Spangenberg/Winterberg ein grosser politischer Fehler war, mit zu den Vorgängen in der Elsaßstraße am 3.3.33 führte und den Nazis bei der Konsolidierung ihrer Macht in Köln erheblichen Rückenwind bescherte.
von Walter Stehling, Gedächtniswiedergabegehalten in freier Rede