Nach der Flut

Erkundigung im Ahrtal

Weintrauben verführen zur Probe, ob sie auch schön süß sind.
Foto: Klaus Stein

DKP Köln Innenstadt 3. Oktober 2021. Dramatisch verbogene Schienen, wo zuvor die Ahrtalbahn fuhr. Amputierte Brücken. Provisorische Unterstände aus Holz an Haltepunkten des Schienenersatzverkehrs. Schotterstrecken. Die Ufer glatt, öde Flächen. Am Straßenrand Helferzelte, Container, Fahrzeuge von Hilfsorganisationen.

Die Dernauer Brücke ist durch ein Provisorium ersetzt. 2018 erfreuten wir uns hier an den ortsfesten Äschen im Fluss und dem hochnäsigen Windhund, der sich huldvoll im Fahrradanhänger kutschieren ließ. Die Ahr ist hässlich geworden, graubraun, wie die Schutthalden und die gähnenden Schaufenster.

Der Gasthof zur Saffenburg ist seit dem 15. Juli ein öder Ort. Die Fenster verrammelt. Im vergangenen Jahr war im Biergarten kein Platz frei, jetzt ist alles platt, auch das Grünzeug abrasiert, die Ufer blank. Gegenüber starren die leeren Fenster und Türen der Genossenschaft. Das grob gerasterte Wandgemälde des Saffenbergs in der Etzhardstraße ist versehrt. Ein großes Stück weggebrochen. Wo an der Ecke Dorfstraße vor Jahresfrist Stimmungsmusik oder Willi Bellinghausens «dancing sound» die Gemüter auspolsterte, dösen Pavillons und Dixiklos. Die Imbissbude (Schalter «mit Pommes» und «ohne Pommes») hat zu.

Schließlich finden wir zum Mönchberger Hof. Die Flut hat ihn geschont. Es sind nicht viele, die hierher kommen und die schöne Veranda in Anspruch nehmen. Auch auf dem Rotweinwanderweg ein paar Meter über uns bewegt sich wenig.

Wir bekommen herrlichen Frühburgunder. Auf der Winzerplatte fehlt die Leberwurst, weil der Metzger im Ort nicht mehr liefern kann. Hin und wieder fauchen heftige Böen die Weingläser vom Tisch. Aber die Sonne siegt.

Der Wortwechsel während der Herfahrt zum Thema Moral und Interesse (Büchners Woyzeck: «Es muss was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl.») führen wir nicht weiter. Immerhin kam die CO2-Bepreisung vor. Christine spricht von Kunstbüchern. Schon sind wir bei Picasso. «Der geteilte Picasso» heißt die Ausstellung, die seit 25. September im Museum Ludwig zu sehen ist und die unterschiedliche Wahrnehmung des Künstlers in BRD und DDR zum Thema macht. Der Westen ignoriert seine politische Haltung, erst recht die KP- Mitgliedschaft. Picassos Werk erfuhr in der DDR nur allmählich Akzeptanz. Prompt reden wir über den Formalismus und den seinerzeit engen Blickwinkel auf die Gegenwartskunst. Und über die Grobheiten im Namen der Wachsamkeit, die manchem Genossen, mancher Genossin das Leben innerhalb der Partei schwer machte, in einigen Fällen, etwa der Noel Field-Affäre, sogar das Leben kostete. Wir erinnern uns an Fritz Sperling, der seine Rehabilitation nach jahrelanger Haft nicht lange überlebte. Aber auch an Johann Fladung, der in Düsseldorf im Namen des Kulturbundes den Progress-Verlag mit einem weitgespannten literarischen Programm betrieb. Noch 1964 eröffnete die Große Politische Strafkammer im Landgericht Düsseldorf einen politischen Prozess gegen Johann Fladung. Immerhin bewirkten fällige Proteste und Fladungs hinfällige Gesundheit die vorzeitige Absetzung des Prozesses.

Als Erasmus nach den Fluterfahrungen fragt, wird der Winzer gesprächig. Er ist skeptisch, was den Klimawandel betrifft. Zunächst mal sollten vor einer nächsten Flut die Campingplätze am Ufer geräumt werden. Die Wohnwagen und Zelte hätten explosive Staustufen verursacht.


Nach der Flut - Erkundigung im Ahrtal


 Eindrücke von der Ahrfaht 2021 der DKP Köln, Gruppe Innenstadt (weitere Fotos)