Militarisierung und Aufrüstung in Europa
Über die Europäische Kriegswirtschaft
Ausschnitt aus "Hurrah, die Butter ist alle!", John Heartfield, 1935, via, © The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Vor etwas mehr als zwei Wochen, am 21. und 22. März, trafen sich die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder in Brüssel. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, hält seine Ansprache. Er sagt:
„Russland stellt eine ernsthafte militärische Bedrohung für unseren europäischen Kontinent und die globale Sicherheit dar. Wenn wir nicht die richtige Reaktion der EU finden und der Ukraine nicht genügend Unterstützung leisten, um Russland zu stoppen, werden wir die Nächsten sein.
Wir müssen daher verteidigungsbereit sein und zu einer Kriegswirtschaft übergehen. Es ist an der Zeit, die Verantwortung für unsere eigene Sicherheit zu übernehmen. Wir können nicht länger auf andere zählen oder den Wahlzyklen in den USA oder anderswo ausgeliefert sein.“
„Wir haben auch militärisch aufgerüstet. Die Produktionskapazität der europäischen Verteidigungsindustrie ist seit Kriegsbeginn um 50 % gestiegen.“
„Investitionen in die Verteidigung sind teuer, aber ohne sie können wir unsere Verteidigungsproduktion nicht erhöhen. Wir müssen Wege eröffnen, damit die Industrie leichter Zugang zu öffentlichen und privaten Finanzmitteln erhält. Die Ausgabe europäischer Verteidigungsanleihen, um Mittel für den Kauf von Material oder Investitionen in unsere Industrie zu beschaffen, könnte ebenfalls ein wirksames Mittel zur Stärkung unserer technologischen und industriellen Basis sowie Innovationsbasis sein. Wir müssen auch in Betracht ziehen, das Mandat der Europäischen Investitionsbank auszuweiten und die Darlehenspolitik anzupassen, damit wir mehr zur Unterstützung unserer europäischen Verteidigungsindustrie tun können.“
„Krieg und Leichen – immer noch Hoffnung der Reichen“
Charles Michel legt mit den letzten Sätzen die Triebkräfte der Militarisierung offen: angesichts der schon länger schwärenden Überproduktionskrise suchen stetig wachsende, in der Geschichte bislang ungekannte Mengen überschüssigen Geldkapitals rentierliche Anlageobjekte.
Der Ratspräsident schließt seine Ansprache mit dem Satz: „Wenn wir Frieden wollen, müssen wir uns auf Krieg vorbereiten“.
si vis pacem para bellum
Das kennen wir. Es handelt sich um das antike militaristische Motto: „si vis pacem para bellum“. Allerdings herrschte im antiken Rom als Ausbeutungsverhältnis die Sklaverei, also eine Produktionsweise, die Kriege zu den Produktivkräften zählte und Heldentum begünstigte.
Die Maxime „para bellum“ gilt als Quintessenz einer Rede von Cicero. Er begründet, warum ein Friede mit Marcus Antonius schimpflich, gefährlich und unmöglich sei:
„Nec ego pacem nolo, sed bellum pacis nomine involutum reformido. Quare, si pace frui volumus, bellum gerendum est: si bellum omittimus, pace numquam fruemur.“
„Auch ich bin durchaus für den Frieden. Aber ich scheue einen unter dem Namen 'Frieden' verdeckten Krieg. Wollen wir uns daher am Frieden erfreuen, müssen wir Krieg führen. Versäumen wir es, ihn zu führen, werden wir den Frieden nie genießen.“
Am Ende einigen sich aber die Gegner Antonius und Octavian. Cicero hat kein Jahr mehr zu leben. Antonius organisiert einen Mordanschlag.
Die Kosten der Europäischen Kriegsvorbereitung
Zurück zu den Kosten. Da gibt es ein Problem. Der Lissabonvertrag verbietet die Finanzierung von militärischen Maßnahmen durch den Haushalt der EU. Artikel 41 des EU-Vertrags (EUV) regelt das auswärtige Handeln allgemein sowie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im besonderen. In Absatz 1 und 2 des Artikels 41 geht es um die Kosten. Zitat: „Sie werden im Falle von operativen Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen nicht vom Unionshaushalt bezahlt.“
Den Einwand, damit würde gegen Artikel 41(2) EUV verstoßen, lässt die Kommission unterdessen nicht mehr gelten. Denn es handele sich nicht primär um Maßnahmen der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“, sondern vorrangig um Forschungs- bzw. Wettbewerbsförderung.
Dem wiederum widerspricht der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano in dem „Rechtsgutachten zur Illegalität des Europäischen Verteidigungsfonds“, das er im Auftrag der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament (GUE= Gauche Unitaire Européenne, also Vereinte Europäische Linke, NGL = Nordische Grüne Linke) erstellt hat.
Fischer-Lescano: Der Hauptzweck des Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) sei, „die strategische Autonomie der EU im Bereich der Verteidigung zu gewährleisten“, also eine „Militarisierung der EU auf den Trümmern des Rechts“.
Mit dem „Europäischen Verteidigungsfonds“ (EVF) wird schon an der dritten Säule der künftigen Verteidigungs- bzw. Rüstungsunion gebastelt. Bislang gibt es CARD (= Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung) sowie PESCO (= Permanent Structured Cooperation = Ständige Strukturierte Zusammenarbeit), mit der die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) organisiert wird.
Im neuesten AUSDRUCK der Informationsstelle Militarisierung (Nr. 116 vom März 2024) sind die Referate des IMI-Kongresses vom 24.-26. November 2023 versammelt. Jürgen Wagner schildert in seinem Text „Europäische Rüstungsfinanzierung“, wie Runde um Runde EU-Haushaltsgelder – wie schon erwähnt, vertragswidrig - Rüstungszwecken gewidmet werden.
Der Topf des Europäischen Verteidigungsfonds für die Jahre 2021 bis 2027 ist mit 8 Mrd Euro gefüllt und jetzt im Februar noch einmal um 1,5 Mrd Euro aufgestockt worden.
Für die „Europäische Friedensfazilität“ (EFF), die der Finanzierung von EU-Militäreinsätzen und der Aufrüstung befreundeter Akteure dient, liegen 5,7 Mrd Euro (zwischen 2021 und 2017) haushaltsextern parat. Die Einschränkung des Artikels 41(2) wurde umgangen, indem dieser Topf mit Geldern von Einzelstaaten befüllt worden ist. Seit dem 24. Februar 2022 aber werden mit der EFF hauptsächlich die Waffenlieferungen an die Ukraine finanziert. Kosten bis Juni 2023: 12 Mrd Euro. Der EU-Außenbeauftragte Borrell will bis 2027 weitere 20 Mrd Euro über diesen Fonds mobilisieren (FAZ 19. Juli 2023).
Als Industriepolitik deklariert werden Maßnahmen wie die Optimierung, Modernisierung, Verbesserung oder Umwidmung vorhandener oder die Schaffung neuer Produktionskapazitäten im Bereich der Munitionsproduktion sowie die Schulung von Personal in Höhe von 1,5 Mrd Euro bis Ende 2025 finanziert (Act in Support of Ammunition Production = ASAP). Industriekommissar Thierry Breton erklärt dazu: „Um die Ukraine kurzfristig zu unterstützen, müssen wir weiterhin aus unseren Beständen liefern. Aber wenn es um die Verteidigung geht, muss unsere Industrie jetzt in den Kriegswirtschaftsmodus wechseln.“ (zitiert nach Wagner, Europäische Rüstungsfinanzierung, IMI-AUSDRUCK Nr. 116, S. 20).
Im Oktober 2023 ist ein vierter zentraler Rüstungstopf eingerichtet worden. Er heißt „Instrument zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung“ (engl. EDIRPA). Auch er wird wie EVF und ASAP hinter dem Feigenblatt Industriepolitik versteckt.
Die Beträge für das ASAP-Programm erscheinen begrenzt, weswegen Michael Gabler (CDU), außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, schon ankündigt: „Angesichts einer historischen Krise kann EDIRPA jedoch nur ein Ausgangspunkt für eine weitaus ehrgeizigere gemeinsame Verteidigungsagenda sein.“ (PM des EU-Parlaments, 12. September 2023 - nach Wagner, S. 20)
Rüstungstopf Nr. 5
Ein weiterer Topf, der schon im November 2023 parat stehen sollte, verzögerte sich. Es handelt sich um die Europäische Strategie für die Verteidigungsindustrie (EDIS) und das dazugehörige Programm (EDIP).
Unter dem Titel „Wie die Kommission die EU auf Kriegswirtschaft umstellen will“ schreibt der SPIEGEL dazu am 4. März 2024:
„Das Paket besteht aus zwei Teilen, der 'European Defense Industry Strategy' (Edis), die Ziele und Gründe der Initiative darlegt, und dem 'European Defense Industry Programme' (Edip), dem eigentlichen Gesetzesvorschlag. Er ist, vorsichtig ausgedrückt, ambitioniert. 'Edip ist das Programm für den Wechsel von der Friedensdividende zur Kriegswirtschaft', sagt ein EU-Beamter.
Seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine hätten EU-Länder 78 Prozent ihrer Rüstungsgüter außerhalb der EU eingekauft, 63 Prozent allein in den USA, heißt es im EDIS-Entwurf. Zwischen 2017 und 2023 sei der EU-Verteidigungsmarkt um 64 Prozent gewachsen, der Handel zwischen EU-Staaten mache aber nur kümmerliche 15 Prozent dieses Markts aus.
Das soll sich nach Vorstellungen der Kommission radikal ändern. Schon 2030 sollen die EU-Staaten demnach die Hälfte ihrer Rüstungsgüter aus dem EU-Binnenmarkt beziehen, 2035 sollen es 60 Prozent sein.“
Schamlos werden die europäische Rüstungsindustrie und ihre Anlegerinnen und Anleger mit Monopolprofiten gepampert. Die Mitgliedstaaten sollen „mehr, besser, gemeinsam und in Europa“ investieren und beschaffen. Vorgesehen sind zunächst 1,5 Mrd. Euro an Subventionen aus dem EU-Haushalt im Zeitraum 2025 bis 2027, gewissermaßen als Fortführung und Erweiterung von EDIRPA und ASAP. Das Sondervermögen EDIP soll Produkte, deren Entwicklung vom Europäischen Verteidigungfonds finanziert wurden, „an die Industriereife heranführen“.
Industriekommissar Thierry Breton: „Das Problem, das wir haben, ist, dass wir jetzt unsere Produktionskapazitäten erhöhen müssen, vielleicht mit einem Paradigmenwechsel in der Verteidigungsindustrie.“ „Wir müssen in der Lage sein, zu intervenieren, um sicherzustellen, dass wir den Herstellern helfen, die Produktion zu steigern, auch wenn sie die Verträge noch nicht haben – wir sind bereit, einen Teil des Risikos zu übernehmen. [...] Manchmal muss man wissen, wie man es anstellen muss, um die Kapazitäten der Industrie zu erhöhen, damit sie immer in der Lage ist, den Bedarf zu decken, indem man das Wirtschaftsmodell der Industrie ändert, auch in Bezug auf Rentabilität und Risikobereitschaft.“ (Thierry, 11. Januar 2024, https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/interview/thierry-breton-eu-bei-ruestungsproduktion-bereit-risiken-einzugehen/ - zitiert nach Wagner, S. 20)
Produktionsfähigkeiten sollen erfasst und Produktionskapazitäten permanent vorgehalten werden. Es geht um Lagerbestände an Wartungs- und Reparaturmaterial, kritische Ersatzteile, Munition, Reserven, flexible Produktionskapazitäten sowie um die Zusammenlegung und gemeinsame Nutzung spezifischer industrieller Kapazitäten. Engpässe in der Lieferkette sollen begrenzt und die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Auch an das Kriterium Versorgungssicherheit als Voraussetzung für Förderungswürdigkeit durch den Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) wird gedacht, ebenso wie die Mehrwertsteuerbefreiung für die gemeinsame Beschaffung von Wartungs- und Reparaturdienstleistungen.
Im Falle von Lieferengpässen soll es eine Art Vorfahrt für die militärische vor der zivilen Nutzung kritischer Materialien geben (Wagner, S. 20 f.).
Rationierung der Lebensmittel im faschistischen Deutschland. Lebensmittelkarte für die Mark Brandenburg aus dem Jahre 1941 via Wikimedia Commons.
Kritische Materialien aus Ruanda
Womöglich gilt das schon für die Ergebnisse einer Vereinbarung über Wertschöpfungsketten für nachhaltige Rohstoffe, die die Europäische Kommission und Ruanda im Februar unterzeichnet haben. Die Presseerklärung der Europäischen Kommission vom 19. Februar 2024 teilt dazu mit: „Das Land spielt eine maßgebliche Rolle bei der weltweiten Tantalgewinnung, aber auch für den Abbau von Zinn, Wolfram, Gold und Niob und hat Potenzial für weitere Rohstoffe wie Lithium und Seltene Erden. Darüber hinaus kann Ruanda aufgrund seines günstigen Investitionsklimas und der Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu einem Drehkreuz für die Wertschöpfung im Mineralsektor werden.“
Dazu muss man aber wissen, dass sich hinter den Euphemismen „günstiges Investitionsklima“ und „Achtung der Rechtsstaatlichkeit“ ein langandauernder Krieg der M23-Gruppe versteckt, die von Ruanda finanziert, bewaffnet und ausgebildet wird. Die M23-Gruppe operiert im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Ihr geht es um die Aneignung der dortigen Bodenschätze. Im November 2021 übernahm sie die Kontrolle über weite Teile der Provinz Nord-Kivu an der Grenze zu Ruanda. Im Februar wurde von einer bevorstehenden Einnahme von Goma berichtet, der Hauptstadt der kongolesischen Provinz Nord-Kivu. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens durch den ruandischen Außenminister Biruta und der EU-Kommissarin für internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, wurde in Goma demonstriert. Die Demonstranten hatten sich in die Flagge ihres Landes gehüllt und zertrampelten die Flaggen der USA, der EU, Frankreichs und Polens, die sie als Komplizen Ruandas bezeichneten.
Kardinal Ambongo kritisierte in seiner Sonntagspredigt am 24. Februar in Kinshasa die Vereinbarung: „Aggressoren und multinationale Konzerne verbünden sich, um die Kontrolle über den Reichtum des Kongo zu erlangen“ (siehe: „EU heizt Krieg um Seltene Erden für ihre Energiewende an“ , kommunisten.de, 18. März 2024).
https://www.kommunisten.de/rubriken/europa/9032-blutmineralien-fuer-europas-energiewende
Mehrwertsteuerbefreiung
EDIS und EDIP sollen den Anstieg der Produktionskapazitäten für alle Verteidigungsgüter in der gesamten Union mittels Subventionen sowie Fremdkapital von den Finanzmärkten finanzieren.
Weitere Mittel verspricht die Kommission nach der Revision der Förderpraxis der Europäischen Investitionsbank. Der allerdings sind bislang Investitionen in Munition und Waffen verboten.
Wagner: „Der eigentliche Clou an EDIP ist die vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung, da es bei der direkten Bezuschussung zunächst einmal um relativ überschaubare Beträge geht – die Rede ist von 1,5 Mrd. bis maximal 3 Mrd. Euro in den nächsten zwei bis drei Jahren. Doch die Erfahrung lehrt, dass es dabei nicht bleiben wird.“ (Wagner, S.21)
Die Motive
Drei Motive zur Steigerung europäischer Rüstungsproduktion, insgesamt des Drangs der EU Richtung Kriegswirtschaft, lassen sich zusammenfassen:
a) aus der russischen Bedrohung folge die Notwendigkeit der Verteidigung der demokratischen Welt, namentlich der Ukraine und Europas.
b) die mangelnde Zuverlässigkeit der USA, die Möglichkeit, dass Trump wieder US-Präsident werde („Wir wollen nicht mehr den Wahlzyklen in den USA oder anderswo ausgeliefert sein“).
c) die Erleichterung des Zugangs anlagesuchenden Kapitals zu Rüstungsprofiten (auch wenn es Charles Michel die Kausalkette umkehrt: die Industrie benötige leichteren Zugang zu öffentlichen und privaten Finanzmitteln).
Auffällig ist der Verzicht auf Politik und Diplomatie, die Blindheit für die Notwendigkeit und Machbarkeit eines friedlichen Ausgleichs der Interessen. Offenkundig bevorzugt die EU-Kommission angesichts drohender Zusammenbrüche im Finanzwesen eine Lösung der lange schwärenden Überproduktionskrise mittels Aufrüstung und Kriegswirtschaft. Zur Rechtfertigung der Kriegskredite dient die russische Bedrohungskulisse. Aber es dürfte auch jede andere sein.
Ein neues Subventionsprogramm..
In Brüssel glaubt man, dass der richtige Zeitpunkt für umfassende Rüstungsinvestitionen gekommen ist. Der Industriekommissar Thierry Breton plauderte am 9. Januar im Zusammenhang mir der geplanten Vorstellung von EDIS und EDIP über ein neues Subventionsprogramm mit dem schönen Namen European Investment Defence Program (EIDP): „Um sicherzustellen, dass die gesamte Industrie mehr und mehr zusammenarbeitet, brauchen wir Anreize [...]. Ich glaube, dass wir einen riesigen Verteidigungsfonds brauchen, um zu helfen, ja sogar zu beschleunigen. Wahrscheinlich in der Größenordnung von 100 Milliarden Euro [...]. Nehmen wir an, Sie arbeiten zusammen, so wie wir es beim Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) getan haben – vier Länder, verschiedene Unternehmen, einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen –, dann können wir Ihnen helfen, das, was Sie tun werden, im Voraus zu unterstützen.“
..spätetens Anfang 2025
„Zunächst will er Ende Februar ein neues Subventionsprogramm, das European Investment Defence Program (EIDP), vorschlagen. In der kommenden Legislaturperiode nach der Europawahl im Juni solle die neue Kommission dann größer denken und den 100-Milliarden-Fonds angehen. [...] Der 100-Milliarden-Fonds sei keine Entscheidung für die nächsten drei Monate, aber sie müsse ‚frühzeitig‘ in der nächsten Legislaturperiode fallen. Das Geld solle dann für fünf Jahre reichen. Verteidigung wird ein großes Thema für die nächste Kommission‘.“
(Handelsblatt, 27. November 2023, zitiert nach Wagner S. 22)
Für derart weitgreifende Päne gibt es noch keine Beschlusslage, zumal sich die EU-Staaten nicht ohne weiteres in ihre Rüstungswirtschaft hineinregieren lassen werden. Jürgen Wagner erkennt aber schon einen geschlossenen Rüstungskreislauf. Er fängt bei Forschung und Entwicklung (EVF) an, dann folgt die Produktion (ASAP/EDIS), die Beschaffung (EDIRPA/EDIP) bis hin zum Export (EFF).
Kanonen und Butter, das ist Schlaraffenland
Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis, und EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni werben für die Finanzierung der Rüstungsindustrie durch Eurobonds (Fred Schmid, ISW, 3. März 2024: „Kanonen und Butter, das ist Schlaraffenland“). Zur Finanzierung des Aufrüstungsplans sollen die EU-Länder gemeinsam Schulden in Höhe von 100 Milliarden Euro „pro Jahr“ auf dem Finanzmarkt aufnehmen. Ifo-Chef Clemens Fuest verweist bei der Talk-Runde bei Maybrit Illner am 22. Februar auf Erfahrungen, bedient sich aber auch anrüchiger Metaphern aus der Nazi-Vergangenheit: „Wenn man mehr für das Militär ausgeben musste, dann blieb eben weniger für andere Dinge." „Kanonen ohne Butter", fordert er wörtlich. Und: „Kanonen und Butter, das ist Schlaraffenland“. „Die Verschuldung kann das nicht verhindern".
John Heartfields Montage in der AIZ vom 19. Dezember 1935 hieß «Hurrah, die Butter ist alle!» Zuvor war die Butter rationiert worden. Göring begründete: „Erz hat stets ein Reich stark gemacht, Butter und Schmalz haben höchstens ein Volk fett gemacht“.
Heartfields satirische Fotomontage zeigt vor einer Tapete mit Hakenkreuzen eine Familie, die an Metallgegenständen, einem Fahrradlenker, einer Eisenkette oder einer Schaufel kaut. Der Säugling wird mit einem voluminösen Beil versorgt.
„Der Krieg schwächt die Marktwirtschaft“
Unterdessen warnen bourgeoise Stimmen zaghaft vor einem Kriegsmodus der Wirtschaft. Angesichts des hohen Finanzbedarfs zur Rüstungsfinanzierung meldet sich der Euro-Krisenfonds. ESM-Chef Pierre Gramega bestätigt, ihn hätten „Anfragen“ erreicht, ob der Fonds zur Finanzierung von Waffenkäufen eingesetzt werden könne. Die FAZ vom 5. April zitiert zwei ESM-Ökonomen, die einschätzen: „Neue gemeinsame Schulden könnten Länder zunehmend unter übermäßigen Druck setzen, deren finanzieller Spielraum ohnehin schon begrenzt sei“.
Der vormalige Vizepräsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Rolf Langhammer, („Der Krieg schwächt die Marktwirtschaft“, FAZ, 5. April 2024): Die Weiterungen des Weges in eine Kriegswirtschaft seien historisch belegt. Er warnt vor höheren Schulden, mehr Forderungen nach Umverteilung der Kriegswirtschaftslasten auf die Bezieher höherer Einkommen, höherer Inflation bei Vollauslastung von Kapazitäten, einer stärkere Verlagerung von politischen Entscheidungsprozessen auf die zentralstaatliche Ebene und mehr staatlichem Einfluss auf Investititonsentscheidungen der Privatwirtschaft. Rohstahl werde vorrangig von der Rüstungsindustrie beansprucht werden. Langhammer befürchtet Importsubstitution und ihre Kosten sowie die Kontrolle von Auslandsinvestitionen. Der globale Technologietransfer würde Schaden nehmen.
Klaus, im KV 9. April 2024