Die Versorgung ist gefährdet: CETA & TTIP

Um die parlamentarischen Entscheidungen weiterhin im Sinne der Ablehnung der Freihandelsabkommen zu beeinflussen, ist es nach wie vor notwendig, den Druck auf der Straße zu erhöhen und damit europaweit deutlich zu machen, dass sich ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen die Freihandelsabkommen stellt.

Doch noch sind weder CETA noch TTIP gescheitert. Wir arbeiten weiter, bis der Spuk wirklich vorbei ist. Der Schwerpunkt der nächsten Monate wird es jedoch, die Ratifizierung von CETA zu verhindern, denn viele Probleme, die TTIP bringen würde, sind in dem fertigen Vertrag mit Kanada ebenso enthalten.

Der nächste Höhepunkt ist am Samstag, dem 17. September. Nach den erfolgreichen Großdemonstrationen am 10. Oktober in Berlin und am 23. April 2016 zum Obama-Besuch in Hannover geht der Protest gegen TTIP und CETA in die nächste Runde: Mit einem bundesweiten Aktionstag wollen wir einmal mehr deutlich machen, dass die Bügerinnen und Bürger diese Abkommen ablehnen. Für diesen Tag plant dasselbe Bündnis, das bereits die erfolgreichen Demonstrationen im Oktober in Berlin und im April in Hannover organisierte, in sieben Städten regionale Großdemonstrationen. Die Demo-Standorte sind jetzt fix: Hamburg, Berlin, Leipzig, Köln, Frankfurt/Main, Stuttgart und Nürnberg. Auch der DGB ist wieder mit dabei und ruft zur Teilnahme auf.

 

Die Versorgung ist gefährdet: CETA & TTIP - Auswirkungen auf die Daseinsvorsorge der Kommunen und Bundesländer

Grundgesetz nimmt auch Länder mit in die Haftung
Die Linke im Bundestag wollte im Dezember 2015 von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wissen, welche Gebietskörperschaft nach Inkrafttreten des Handelsabkommens mit Kanada für Schadensersatzzahlungen aufkommen muss, wenn eine Entscheidung auf Länder- oder kommunaler Ebene gegen CETA-Bestimmungen verstößt und ein Investor mit einer Klage Erfolg hat.
Wirtschaftsstaatssekretär Uwe Beckmeyer (SPD) verweist in der Antwort darauf, dass in Investor-Staat-Schiedsverfahren nur Staaten verklagt werden können. Bei einer erfolgreichen Klage „wäre daher gegenüber dem Investor nur der Bund schadensersatzpflichtig".
Allerdings: Welche Ebene am Ende die Kosten für den Schadensersatz trägt, richtet sich nach nationalen Gesetzen. In Deutschland regelt diese Frage das Grundgesetz: „Die interne Lastenverteilung richtet sich nach Art. 104a Abs. 6 Grundgesetz und dem Lastentragungs-gesetz", schreibt Beckmeyer.

Demnach „tragen Bund und Länder die Lasten einer Verletzung" von völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. „Ob und wieweit die Länder ihrerseits Regress bei Kommunen nehmen können, die völkerrechtswidrige Maßnahmen zu verantworten haben, richtet sich nach dem Landesrecht", schreibt Beckmeyer weiter. Demnach können also auch Kommunen zur Kasse gebeten werden.
„Es ist absolut unverantwortlich gegenüber den Steuerzahlern, ohne Not Verträge zu ihren Lasten zu schließen", sagt Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke. „Es grenzt an Wahnsinn, auch noch die Bundesländer und Kommunen in die Haftung zu treiben."
Dass diejenige Körperschaft zahlt, die gegen einen Vertrag verstößt, scheint plausibel, ist allerdings nicht überall so geregelt. In Kanada etwa müssen die Provinzen im Rahmen des Nordamerikanischen Handelsabkommens NAFTA nur zahlen, sofern sie einer Nebenabsprache zugestimmt haben. Kanada wurde unter NAFTA bislang 35-mal verklagt, viele der Klagen betrafen Regelungen der Provinzen. Allerdings haben sich einige davon erfolgreich widersetzt, Strafzahlungen bei verlorenen Schiedsgerichtsverfahren zu übernehmen.
Städtetag warnt vor "erheblichen Risiken"
Die Antwort der Bundesregierung dürfte die Skepsis in den Bundesländern und Kommunen gegenüber den geplanten Handelsverträgen weiter erhöhen. Sowohl in Landesparlamenten wie in Stadträten machen sich viele Abgeordnete Sorgen. So warnt der Deutsche Städtetag bei TTIP vor „erheblichen Risiken für die Daseinsvorsorge". Der Verband fürchtet einen Privatisierungszwang. EU-Vertreter versuchen seit Langem, diese Sorgen zu zerstreuen. Die öffentliche Daseinsvorsorge sei kein Thema in den TTIP-Verhandlungen, argumentieren sie.
Die EU und die USA verhandeln seit Juli 2013 über das transatlantische Handelsabkommen TTIP. Bis Ende 2016 soll der Vertrag grob fertig sein. Das Abkommen mit Kanada ist bereits fertig ausgehandelt.
Die Kungelrunde
NAFTA – das nordamerikanische Abkommen – hat ein Novum eingeführt, das in CETA übernommen worden ist und so auch beim TTIP Eingang findet: Die Regelungen zum Freihandel werden im Vertrag gar nicht im Einzelnen festgelegt; damit wird ein Gremium mit einem schönen Namen beauftragt: das „Regulatorische Kooperationsforum“. Der Vertrag selbst definiert nur die Spielräume. Das „Forum“ unterliegt keiner parlamentarischen Kontrolle und wird von einschlägigen Lobbyisten dominiert.
Im Vertrag jetzt noch nicht ausgehandelte Bereiche soll das Forum später angleichen und Regulierungen verbindlich festlegen. Eine Negativliste führt auf, was nicht liberalisiert werden soll. Alles was nicht auf dieser Liste steht, ist das Feld für Privatisierungen, die – wenn sie nicht freiwillig erfolgen – auf dem Klageweg erzwungen werden können. Das gefährlichste an der Negativliste ist, dass sie zukünftige Entscheidungen verbaut. Wer hätte vor einigen Jahrzehnten das Internet und E-mails vorausgesehen? Wer kann heute wissen, welche neuen Entwicklungen es in einigen Jahrzehnten geben wird? Was immer aber kommen mag – wenn es nicht auf der Negativliste steht, hat der Staat kein Recht mehr, es zu regeln.
Damit ist Parlamenten die Entscheidungsfreiheit genommen. Immer prüft das Forum vorab. Was nicht dem Geist von CETA oder TTIP entspricht, darf nicht weiterverfolgt werden. Wer es dennoch tut, begeht Vertragsbruch und kann auf Schadensersatz verklagt werden. Selbst wenn TTIP nicht kommen sollte, CETA aber von den Europäern ratifiziert wird, können US-Konzerne über ihre kanadischen Niederlassungen Europa refeudalisieren.
Ein wichtiger Passus, über den das Regulatorische Kooperationsforum zu wachen hat, ist die so genannte „Ratched Clause“ (Sperrklinkenklausel): Eine einmal vorgenommene Privatisierung darf nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die bürgerlichen parlamentarischen Demokratien verlieren ihre Entscheidungsfreiheit eine Entscheidung zu revidieren, wenn sie sich als falsch erwiesen hat und ihre Auswirkungen von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert werden.
Hamburg hatte das Stromnetz privatisiert. Im Jahr 2010 startete die Volksinitiative „Unser Hamburg – unser Netz“ mit einer Kampagne für den vollständigen Rückerwerb der Energienetze. In einer Abstimmung am 22. September 2013 (gemeinsam mit der Bundestagswahl) erhielt die Vorlage zur Re-Kommunalisierung eine knappe Mehrheit. Nach CETA/TTIP-Regelungen wäre das Vertragsbruch und nicht mehr zulässig.
Berlin und Paris hatten ihre Wasserwerke an die Firma Veolia verkauft, um mit dem Erlös Löcher im Haushalt zu stopfen. Nachdem die Bevölkerung die Folgen gespürt hat, ist sie dagegen auf die Barrikaden gegangen, in Berlin mit einem Volksentscheid. In 2013 hat das Berliner Abgeordnetenhauses den Rückkauf durch die Berliner Wasserbetriebe vollzogen und der zuständige Senator konnte erklären: „Das Wasser gehört wieder den Berlinern.“ Nach der Sperrklinkenklausel bei CETA und TTIP wäre der Rückkauf Vertragsbruch und verboten. Keine demokratische Legitimation könnte an diesem sogenannten „Völkerrecht“ dann noch etwas ändern.
Die Verträge können uns zwingen, Renten-, Sozial- und Krankenversicherungssysteme, die Verkehrsinfrastruktur, Schulen und Hochschulen, die Versorgung mit Wasser und Elektrizität, die Entsorgung von Müll und Abwasser zu privatisieren.
Schulkantinen können z. B. von Coca-Cola oder McDonald’s betrieben werden. Sparkassen und Genossenschaftsbanken können gezwungen werden, Aktiengesellschaften zu werden und sich einer Übernahme durch den Finanzsektor zu öffnen. Eine Rückabwicklung ist nicht mehr zulässig. Wenn US-Konzerne gegen Arbeitnehmerrechte oder Betriebsräte, Mindestlöhne oder Flächentarifverträge, Steuergesetz oder Wettbewerbsregeln klagen, weil sie dadurch ihren Gewinn geschmälert sehen, entscheidet ein Gericht in Washington, D. C.
Freihandel und Kommunalpolitik
Neben den Verhandlungen über die Transatlantische Freihandels- und Partizipations-bereitschaft (TTIP) zwischen der EU und den USA, dem weniger bekannten geplanten TiSA (Trade in Services Agreement) Dienstleistungsabkommen zwischen den USA, der EU und 22 weiteren Staaten verhandelt die EU mit Kanada schon seit Juni 2009 das CETA -Abkommen. Politisch wurde CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) im Oktober 2013 bereits abgeschlossen.
Aus durchgesickerten Teilinhalten der bisherigen Verhandlungen geht hervor, dass es sich auch bei CETA - genau wie bei TTIP - neben dem Abbau einiger Zölle um den „Abbau nicht tarifärer Handelshemmnisse“, - z. B. Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzbestimmungen - und Investitionsschutz für transnationalen Konzerne handelt. CETA hat sicherlich nicht die gleiche wirtschaftliche Bedeutung wie TTIP, aber da es viel weiter verhandelt ist und die kanadischen Märkte mit den US-Märkten durch das seit 1994 bestehende Freihandels-abkommen NAFTA verbunden sind, wird CETA als Blaupause und Türöffner für TTIP - und auch TiSA herhalten.
Sowohl in Kanada als auch in Europa - zum Beispiel in Frankreich - organisieren sich Bürger/innen gegen CETA. “The Trade Justice Network“ in Kanada und „10.000 collectivités territoriales françaises contre le GMT“ in Frankreich haben zum Widerstand gegen CETA/TiSA und TTIP aufgerufen. Das Netzwerk in Kanada hat in den Kommunen klargemacht, dass von CETA auch speziell die Kommunen betroffen sind, da es auch Bereiche der kommunalen Daseinsfürsorge auf den freien Markt bringen kann und damit verteuert. Zahlreiche kanadische Kommunen haben inzwischen Resolutionen verabschiedet, in denen die kanadische Regierung aufgefordert wird, CETA nicht abzuschließen.
Drohende Privatisierung der Grundversorgung
Es besteht sowohl in Kanada und der USA als auch in der EU die Gefahr der Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung durch die drohenden Privatisierungen öffentlicher Daseinsvorsorge: Die weitgehende Liberalisierung und Privatisierung von gesellschaftlich notwendigen Gütern wie Wasser, Bildung und Gesundheit ist schon lange das Ziel vieler privatwirtschaftlicher Dienstleistungsanbieter. Die angepeilte Orientierung am Gewinnmaximum bei der Vermarktung dieser Güter birgt jedoch die Gefahr von Qualitätseinbußen, Preissteigerungen und eines Ausschlusses einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen von der Versorgung. Auch könnten Entscheidungen von Kommunen, bestimmte öffentliche Dienstleistungen in eigener Regie anzubieten, von privaten Unternehmen vor Schiedsgerichten angegriffen und so vereitelt werden. Private Profitinteressen gefährden so die Versorgung mit sauberem Trinkwasser, preiswertem und ökologisch produziertem Strom, kundenorientiertem öffentlichen Personennahverkehr und sozialem Wohnungsbau. Es wird in Zukunft in den Kommunen kaum möglich sein,
Aufträge auf Grundlage sozialer und ökologischer Kriterien zu vergeben.
Ihnen wird auf diese Weise ein wichtiges Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung genommen. Deshalb warnt auch der Bayerischer Städtetag vor der Bedrohung durch die Freihandelsabkommen. Mit diesen Abkommen droht ein weiterer Privatisierungsschub bei Bildung, Kulturförderung, Gesundheit, sozialen Dienstleistungen, Abwasser- und Müllentsorgung, Energie, Verkehr und Wasserversorgung.
Während nun auch für TTIP belastbare Dokumente durch Greenpeace geleakt wurden, hat die EU-Kommission das englischsprachige Dokument zu CETA bereits am 26. September 2014 veröffentlicht. Anhand dieser Dokumente lassen sich die Auswirkungen auf die Daseinsvorsorge durch CETA und TTIP konkret benennen.
Für die Kommunen in Deutschland hat die Organisationsfreiheit im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung hohen Stellenwert, da hierdurch Bürgernähe, Gemeinwohlziele und die Wirtschaftlichkeit öffentlicher Dienstleistungen miteinander vereinbar gemacht werden können. Nach Art. 28 Abs. 2 GG ist den Kommunen das Recht gewährt, im Rahmen der Gesetze Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Hierunter fallen historisch die Grundversorgung der Bevölkerung mit Energie-, Wasser-, Verkehrs-, Entsorgungs- und Wohndienstleistungen.
1. Energie: Im Energiebereich stellt sich im Rahmen von internationalen Handelsabkommen die Frage, inwiefern staatliche Maßnahmen zum Umweltschutz, zur verbesserten Energieeffizienz oder zur Förderung Erneuerbarer Energien ein Handels- oder Investitionshemmnis darstellen. In CETA sowie TTIP fehlt hierzu eine entsprechende Klarstellung. Die EU hat lediglich formuliert, dass sich das Recht vorbehält, Maßnahmen zu ergreifen, wenn ein kanadisches Unternehmen von einem Unternehmen oder einer Person eines Drittstaates kontrolliert wird, das mehr als 5 Prozent des gesamten Öl-, Gas- oder Stromimports der EU aufbringt. Für den Energiebereich sind darüber hinaus keine weiteren Vorbehalte formuliert.
Auch für zukünftige Entwicklungen wie Smart Grids, also intelligente Stromnetze, die sämtliche Akteure auf dem Strommarkt durch das Zusammenspiel von Erzeugung, Speicherung, Netzmanagement und Verbrauch in ein Gesamtsystem integrieren, werden keine Vorbehalte formuliert. Zu befürchten ist, dass weltweit führende IT-Unternehmen wie Google bestehende Lücken so ausfüllen, dass die Kontrolle durch kommunale Energieunternehmen verloren geht. Die EU-Kommission sieht Telekommunikations-dienstleistungen als bereits liberalisiert an. Die Fragen der demokratischen Kontrolle von IT-Dienstleistungen der Daseinsfürsorge wird aber angesichts neuester Entwicklungen erst gerade wieder neu gestellt. Kommunale Energie- und IT-Dienstleistungen unterliegen nach CETA und TTIP demnach vollumfänglich den Liberalisierungsverpflichtungen.
2. Wasser: Die EU hat in CETA eine Ausnahme für bestehende und zukünftige Maßnahmen zur Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Wasser an Haushalte, industrielle, kommerzielle und andere Nutzer, inklusive der Versorgung mit Trinkwasser und des Wassermanagements gelistet. Die Wasserversorgung bleibt demnach bei CETA unberührt. Dennoch ist Vorsicht geboten. Der im CETA-Abkommen enthaltene Investitionsschutz würde ausländischen Investoren Sonderrechte gegenüber nur im Inland tätigen Unternehmen wie den Stadtwerken Karlsruhe gewähren. Diese Sonderrechte könnten sich auch auf die Erteilung von Wasserrechten auswirken und den behördlichen Ermessungsspielraum zugunsten von ausländischen Investoren einschränken. Ein Beispiel hierfür ist die Investitionsschutzklage (2009 – 2011) von Vattenfall hinsichtlich Bestimmungen zum erteilten Wasserrecht für das Kraftwerk Moorburg, die später gelockert wurden.
Die Stadtwerke einzelner Kommunen könnten z.B. dann nachteilig betroffen werden, wenn ein bereits niedergelassener, ausländischer Investor um ein von den Stadtwerken genutztes Grundwasservorkommen konkurrieren würde. Darüber hinaus könnte sich der CETA-Investitionsschutz auch bei der Ausweisung von Wasserschutzgebieten stark nachteilig für die kommunalen Stadt- und Wasserwerke auswirken. Zudem werden bestimmte Entscheidungen der Stadtwerke auf neuartige Weise beklagbar.
Entgegen ihren Zusagen hat die EU-Kommission in ihrem TTIP-Angebot zu Dienstleistungen bestimmte Verpflichtungen im Bereich Wasserversorgung angeboten – sogar hinsichtlich Marktzugang. Zudem sind die Ausnahmebestimmungen im CETA-Abkommen lückenhaft. Die kommunale Wasserversorgung bedarf jedoch einer vollständigen und rechtssicheren Ausnahme in allen geplanten Handels- und Investitionsabkommen.
Die Vergabe von Konzessionen bedeutet für die kommunale Wasserversorgung häufig eine beträchtliche Rechtsunsicherheit. Deren geplante Auslegung zulasten von Kommunen und der kommunalen Wasserversorgung in der EU-Konzessionsrichtlinie konnte 2013 nach langem Ringen vermieden und eine Ausnahme für die Wasserwirtschaft erwirkt werden. Es stellt sich die Frage, inwiefern sich diese Thematik durch die Hintertür der Verhandlungen zum TTIP-Vergabekapitel wiederholen könnte. Eine Reihe von Hinweisen zu den Verhandlungen gibt Anlass zu Sorge hierzu.
In den USA und Kanada hat das in der EU und Deutschland geltende Vorsorgeprinzip keine vergleichbare Geltung. Aus Sicht eines vorsorgenden Schutzes der Wasservorkommen kommt der Sicherung bzw. Stärkung des Vorsorgeprinzips in TTIP und CETA eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu.
3. Nahverkehr: Öffentliche Monopole und exklusive Rechte im Verkehrsbereich sind von den Marktzugangsverpflichtungen in CETA ausgenommen. Die Ausnahme gilt für bestehende und zukünftige Maßnahmen. Ob dies auch für TTIP und TiSA gilt, bleibt zumindest fraglich.
4. Entsorgung: In Deutschland wird die Abfallwirtschaft durch das Kreislaufwirtschafts-gesetz, die darauf fußenden Verordnungen sowie weitere Abfallgesetze des Bundes (z.B. das Elektro- und Elektronikgesetz) und der Länder (z.B. Abfallgesetz NRW) geregelt. Zu nennen ist die 5-stufige Entsorgungshierarchie aus (1) Vermeidung, (2) Vorbereitung zur Wiederverwendung, (3) Recycling, (4) sonstige Verwertung und (5) Beseitigung. In CETA hat Deutschland eine Ausnahme für „Waste management: Sewage, refuse disposal, and sanitation services“ gelistet. Die vielfältigen Dienstleistungen, die in den Bereich der Entsorgung fallen, werden mit dem Begriff „refuse disposal“, der eigentlich lediglich die Abfallbeseitigung meint, daher nur unzureichend erfasst. Es besteht daher die Gefahr, dass bei einer Entwicklung der Abfall- zu einer Wertstoffwirtschaft der Begriff „waste“ nicht mehr passend ist.
Außerdem ist für Träger der Daseinsfürsorge wichtig, dass bestehendes und zukünftiges Umweltrecht nicht ausgehebelt wird. Denn die Entsorgungswege oder die Deponierung beispielsweise in den USA sind günstiger als CO²-neutrale Verbrennungsanlagen oder aufwendige Recyclingsysteme, sodass die Verbringung ganzer Schiffsladungen in die USA wirtschaftlicher sein könnte. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (Abfallhierarchie, Verwertungs-quoten, etc.), die TA Siedlungsabfall (Technische Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungsabfällen, insbesondere dem Verbot der Deponierung organischer Abfälle) und die 17. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen vom 2. Mai 2013, die u.a. die Anforderungen an Müllverbrennungsanlagen und an die Abgasreinigung stellt) müssen weiter Bestand haben.
Für kommunale Entsorgungsunternehmen ist darüber hinaus von Bedeutung, dass interkommunale Zusammenarbeit und „In-House“-Vergaben weiterhin möglich bleiben. Diese Instrumente der kommunalen Selbstverwaltung werden nach geltendem EU-Recht ausdrücklich anerkannt, aber in CETA und TTIP nicht abgebildet.
5. Weitere kommunale Dienstleistungen: Durch die Wahl des Negativlistenansatzes müssen in CETA und TTIP alle Bereiche gelistet werden, die in Zukunft eine Marktzugangsbeschränkung darstellen könnten, aber von den Liberalisierungsbestimmungen ausgenommen werden sollen. Zahlreiche kommunale Dienstleistungen wurden jedoch nicht gelistet. Hierzu zählen die öffentliche Beleuchtung, öffentlicher Parkraum, Grünflächen, Breitbandversorgung, sozialer Wohnungsbau, der neben kommunalen auch durch landesweite Wohnungsbaugesellschaften erfolgt, Studentenwohnungen oder Schulkantinen.
Auch unterliegen durch den Negativlistenansatz grundsätzlich alle „neuen“ Dienstleistungen Marktzugangsverpflichtungen. Dadurch könnten staatliche Maßnahmen in Bereichen, die sich in Zukunft erst noch entwickeln, womöglich als „diskriminierend“ angesehen werden. Dies könnte insbesondere für den Bereich der IT-Dienstleistungen in Zukunft relevant sein.
6. Kultur: Für den Kulturbereich gilt, dass zwar „audio-visuelle“ Medien vom Anwendungsbereich ausgenommen wurden, sich daraus jedoch keine Generalausnahme für den Kulturbereich ableitet. Die UN-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt1, die von der EU und Kanada ratifiziert wurde, sichert den Unterzeichnern die gegenseitige Anerkennung einer eigenständigen Kulturförderung völkerrechtlich zu. In Bezug auf TTIP ist jedoch bedenklich, dass die US-Regierung die UN-Konvention bislang nicht unterzeichnet hat. Darin spiegeln sich nicht zuletzt ein unterschiedliches Staatsverständnis und damit auch ein unterschiedliches Verständnis über die Rolle des Staates in kulturellen Angelegenheiten. Letztlich bleibt jedoch auch in CETA ungeklärt, wie kulturelle Güter und Dienstleistungen definiert werden. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob dies digitale Angebote wie Downloadportale mit einschließt. In diesen Bereichen sind offensive amerikanische Interessen zu vermuten. Unerwähnt bleiben auch öffentliche – meist durch die Bundesländer kontrollierte Rundfunkanstalten (wie beispielsweise der WDR, Radio Bremen oder der saarländische Rundfunk) sowie städtische Orchester und kommunale sowie landesweite Kultureinrichtungen.

7. Arbeitnehmerrechte: Durch weitgehende Liberalisierungsverpflichtungen und verschärfte Regeln im öffentlichen Beschaffungswesen wird zusätzlicher Druck auf Tarifverträge und Löhne entstehen. Arbeitnehmerrechte können zudem über Schiedsgerichtsverfahren angegriffen werden, wie die Klage des französischen Konzerns Veolia gegen den ägyptischen Mindestlohn vor einem privaten Schiedsgericht zeigt.
Harmonisierungen oder Angleichungen von Normen und Standards führen zu einer Herabsenkung des Niveaus, da sich die Vertragsparteien in der Regel auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Es ist nicht gelungen, die Ratifizierung der ILO-Kernarbeitsnormen2 als Bedingung für den Abschluss von Handelsabkommen zu machen. Diese regeln grundlegende Rechte der Beschäftigten, wie das Verbot von Kinderarbeit oder freie gewerkschaftliche Betätigung. Die USA haben bisher nur zwei von acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Unsere Forderung besteht daher darin, dass die Kernarbeits-normen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO wie universelle Menschenrechte behandelt werden. Hierzu gehören auch Sanktionsmöglichkeiten wie Geldstrafen oder Handels-sanktionen.
In CETA werden Gremien eingerichtet, denen weitgehende Rechte zur weiteren Interpretation des geplanten Abkommens zugestanden werden. Hierdurch wird die Weiterentwicklung des internationalen Handelsrechts an Parlamenten vorbei reinen Exekutivorganen zugebilligt, wodurch demokratische Mitwirkung ausgeschlossen wird.
Die Freihandelsverträge hätten direkte Auswirkungen auf die kommunale Daseinsvorsorge, also auf die grundlegende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger, etwa mit Energie und Trinkwasser, dem ÖPNV oder aber der Müllabfuhr.
Das Kölner Netzwerk für Daseinsvorsorge hat festgestellt, welche Auswirkungen CETA, also das bereits ausgehandelte Abkommen zwischen Kanada und Europa, haben wird: Sämtliche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die sich zukünftig durch technologischen, sozialen oder demografischen Wandel ergeben, sind den Kommunen entzogen. Auch die kommunalen Netze für Strom, Gas, Wasser und Fernwärme, Breitband, Smart Grids – also die digitalen Netze –, die öffentliche Beleuchtung, die Grünflächen, die Binnen- und Seehäfen, der öffentliche Wohnungsbau – all das ist bei CETA nicht vor Privatisierung geschützt.
Die Versorgung mit grundlegenden Gütern zu günstigen Preisen in guter Qualität ist gefährdet. Ebenso die Sicherstellung einer verlässlichen Infrastruktur für die regionalen klein- und mittelständischen Unternehmen. Es drohen Preissteigerungen von bis zu 400 Prozent, die bei der Privatisierung der Trinkwasserversorgung zu beobachten waren. In Berlin hat man deshalb die Wasserversorgung wieder zurück in die städtische Hand gebracht. Zudem war die Wasserqualität merklich gesunken. Meist gehen mit Privatisierungen auch Personalabbau und Gehaltskürzungen einher. All dies entzieht den Regionen und Bundesländern Kaufkraft und belastet die Sozialkassen.

Im Moment fließen die Gewinne der Stadtwerke in die Haushalte der Städte und Gemeinden. Es ist zu befürchten, dass durch CETA und TTIP die Städte und Gemeinden finanziell handlungsunfähig werden. Die Stadtwerke Köln geben beispielsweise jedes Jahr rund 110 Millionen Euro in die Stadtkasse. Wenn durch Privatisierung ein Teil dieser Zahlungen entfällt, wird es im städtischen Haushalt eng. Eine weitere Gefahr ist, dass die Gewerbesteuer einbricht, die die größte Einnahmequelle der Stadt ist. In Köln wird sie zu einem großen Teil von kleinen und mittelständischen Unternehmen entrichtet. Dazu zählen schließlich 95 Prozent aller Betriebe im Raum Köln. Und die sehen sich durch CETA und TTIP massiv in ihrer Existenz bedroht.
Das Europäische Rechtszentrum in Bremen hat ein Gutachten zu CETA erstellt. Daraus geht hervor, dass Sozial-, Arbeits-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards in CETA nicht ausreichend verankert sind. Schutzzölle sind dazu da, unterschiedliche Standards zu schützen, weil man sagt: Uns ist wichtig, dass die Umwelt intakt bleibt und dass Mitarbeiter sozial abgesichert sind. Doch mit CETA werden Unternehmen, die mit niedrigen Standards und entsprechend günstiger arbeiten, ihre Produkte und Dienstleistungen bei uns ungehindert anbieten können. Mittelständische Unternehmen, die nicht international operieren und sich weiterhin an höhere Standards halten müssen, haben das Nachsehen.
Einer der Kritikpunkte an den geplanten „Freihandels“-Abkommen ist der sogenannte „Investorenschutz“. Ideal wäre es, wenn Stadtrat, Landesparlament oder Bundesrat nach der Maßgabe „nützt es den Bürgern oder schadet es ihnen?“ entscheiden würden. Bei dem Abschluss entsprechender Abkommen wird zukünftig die Frage ausschließlich lauten: „Handeln wir uns mit unserer Entscheidung womöglich eine Schiedsgerichtsklage ein?“ Wenn eine Kommune eine Entscheidung trifft, die einen Investor aus dessen Sicht schädigt – und das muss nicht einmal zutreffen – dann kann der Investor klagen und die Stadt Köln sowie das Land NRW müssten für die Kosten aufkommen.
Allein in Deutschland haben inzwischen rund 330 Städte und Kommunen kritische Resolutionen gegen CETA, TTIP und TiSA verabschiedet. Wichtig ist, dass noch viel mehr Menschen die Europäische Bürgerinitiative unterstützen, es haben bereits 3,4 Millionen Europäer gegen die Abkommen gestimmt. Im März 2015 war Köln die erste deutsche Millionenstadt, die mit großer Mehrheit eine Resolution gegen CETA, TTIP und TiSA verabschiedet hat.
Wir unterstützen dabei die Arbeit des Kölner Bündnisses gegen die Freihandelsabkommen. Ausgehend von der politischen Erfahrung, dass einzelne Organisationen und Parteien zu schwach sind, die mit den Transatlantischen Freihandelsabkommen CETA (EU-Kanada), TTIP (EU- USA) und TiSA (EU, USA, Kanada und weitere 22 Staaten) verbundenen Angriffe transnationaler Konzerne auf die sozialen, ökologischen und arbeitsrechtlichen Schutzklauseln in den beteiligten Wirtschaftsräumen abzuwehren, gründeten sich europa- und weltweit Bündnisse gegen CETA, TTIP und TiSA. So auch im März 2014 das ‚Kölner Bündnis gegen TTIP (CETA/TiSA)‘ mit dem folgenden Selbstverständnis:
 Wir wollen CETA und TTIP verhindern, da sie zwecks Investitionsschutz private Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren und Regelungen zur sogenannten Regulatorischen Kooperation einführen wollen. Diese würden demokratische und rechtsstaatliche Strukturen zugunsten der Profite global handelnder Konzerne weiter aushöhlen;
 Wir wollen verhindern, dass in geheimen Verhandlungen Arbeits-, Sozial-, Umwelt-, Datenschutz- und Verbraucherschutzstandards gesenkt werden;
 Wir wollen verhindern, dass mit CETA, TTIP und vor allem TiSA öffentliche Dienstleistungen (z.B. die kommunale Wasserversorgung) und Kulturgüter dereguliert und dem Zugriff transnationaler Konzerne ausgeliefert werden. Privatisierungen großen Stils im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge würden Tür und Tor geöffnet werden.
Diese Ziele sind für uns nicht voneinander zu trennen, unser Widerstand endet erst mit der kompromisslosen und vollständigen Durchsetzung aller genannten Ziele. Wir lehnen CETA, TTIP und TiSA in Gänze und ohne Ausnahmen ab, oder wie es unsere Kurzformel ausdrückt: „CETA, TTIP und TiSA in die Tonne!“
Zurzeit kursieren viele widersprüchliche Informationen darüber, wann und wie über die Anwendbarkeit von CETA abgestimmt wird. In der Stellungnahme von Prof. Fisahn heißt es: „Der Rat der EU kann beschließen, dass völkerrechtliche Verträge vorläufig anwendbar sind. Vor der formellen Annahme durch das Parlament und der Ratifizierung, werden die vereinbarten Regeln schon angewendet. In der Bundesrepublik gibt es kein vergleichbares Verfahren: Regeln gelten erst, wenn das Parlament zugestimmt hat.
Daneben gibt es viele widersprüchliche Informationen darüber, wann, ob und wie über CETA beschlossen wird. Wir sind der Auffassung, dass die Bundesregierung gegen das GG verstoßen würde, wenn sie der vorläufigen Anwendbarkeit zustimmt. Deshalb erscheint dies als richtiger Zeitpunkt, um beim Bundesverfassungsgericht den Antrag zu stellen, die Zustimmung der Bundesregierung zur vorläufigen Anwendung zu untersagen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass es sich nur um eine vorläufige Tagesordnung handelt, die also noch geändert werden kann, so dass sich der Termin verschieben könnte.“
Am Montag, den 02.05.2016 wurden bisher geheime Dokumente aus den Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP als Leak veröffentlicht. Die Texte waren Greenpeace zugespielt worden und sind ab sofort für die Öffentlichkeit zugänglich.
Die vertraulichen Dokumente enthalten konkrete Textvorschläge beider Verhandlungspartner und geben darüber hinaus Hinweise auf den Verlauf der Verhandlungen und die Taktik der beiden Seiten. Zum ersten Mal sind damit auch konkrete Forderungen der US-Regierung öffentlich geworden. Die Texte zeigen deutlich, dass die GegnerInnen des Abkommens mit ihren Einschätzungen richtig lagen:
Die USA wollen mit Gentechnik und Hormonfleisch auf den europäischen Markt. Entgegen der Versicherungen seitens der EU-Kommission wird darüber auch verhandelt.
Die USA greifen das Vorsorgeprinzip im Verbraucher- und Umweltschutz in den Verhandlungen offensiv an.
Die Schiedsgerichte für Schadensersatzklagen von ausländischen InvestorInnen sind nach wie vor eine große Gefahr. Nicht einmal die Reformvorschläge von Handelskommissarin Malmström wurden bisher diskutiert.
Es wird über einen Rat für regulatorische Koopertation verhandelt. Dahinter steckt ein Angriff auf die Demokratie, weil die faktische Macht von gewählten Parlamenten geschwächt wird.
Die Verhandlungen sind nicht Ausdruck einer Wertegemeinschaft oder einer geopolitischen Strategie, sondern einfach ein Gefeilsche um Marktanteile. Beide Seiten verteidigen bis ins Detail die Interessen der eigenen Monopolindustrie.
Wie geht es weiter?
Unsere Aufgabe muss nun sein:
1.) Sich grundsätzlich gegen alle Freihandelsabkommen zur Wehr zu setzen.
2.) CETA und die Economic Partnership Agreements (EPA's) in den Mittelpunkt unserer Aktivitäten zu rücken und gegen diese Abkommen ähnlich erfolgreiche Kampagnen zu initiieren, wie uns das gegen TTIP gelungen ist.
Dass die Kampagnen gegen die Freihandelsabkommen erfolgreich sein können, zeigen die jüngsten Entwicklungen in einigen EU-Staaten. Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt hat das wallonische Regionalparlament Ende April die Zustimmung zu CETA verweigert. Belgien kann damit dem Pakt nicht zustimmen. Neben Belgien sind Griechenland und Portugal potenzielle Kandidaten, die das Abkommen ablehnen könnten.
Auch Luxemburg könnte die Ratifizierung des CETA-Abkommens mit Kanada durcheinanderbringen: Das Parlament hat am Dienstag, den 07. Juni die Regierung des Großherzogtums aufgefordert, CETA in seiner jetzigen Form nicht zuzustimmen. Die Abgeordneten kritisieren vor allem das System der Staat-Investor-Schiedsgerichte. Bis auf zwei Enthaltungen stimmten alle VolksvertreterInnen zu.
Auch das niederländische Parlament hat sich mit sehr großer Mehrheit skeptisch gezeigt: Die Abgeordneten beschlossen, dass die Regierung der vorläufigen Anwendung von CETA ohne expliziten Parlamentsbeschluss nicht zustimmen darf. Und Rumänien droht, ein Veto gegen das Abkommen einzulegen, wenn sich Kanada bei der diskriminierenden Visa-Vergabe an rumänische und bulgarische Staatsangehörige nicht bewegt.
Wegen dieser ablehnenden Haltung einiger Länder will die EU-Kommission jetzt bei dem Ratifizierungsprozess die nationalen Parlamente ganz ausschalten. Entsprechend hat Juncker Anfang Juli verkündet, CETA sei ein Abkommen, das allein in die Zuständigkeit der EU falle. Folglich hätten die nationalen Parlamente nichts zu sagen und der EU-Rat brauche nur eine qualifizierte Mehrheit, statt der sonst nötigen Einstimmigkeit, um CETA in Kraft zu setzen. Diese Rechtsauffassung, die der Rechtsauffassung der Mehrheit der Regierungen im EU-Rat widerspricht, ist nicht neu.

Die Regierungen halten CETA für ein gemischtes Abkommen, weil es eine Vielzahl von
Bereichen regelt, die in nationale Zuständigkeit fallen. Neu ist, dass die Kommission so tut, als könne sie darüber bestimmen, welchen Charakter CETA hat. Das ist aber nicht der Fall. Die Regierungen haben der Kommission den Auftrag gegeben, ein gemischtes Abkommen zu verhandeln. Sie hat nicht die Kompetenz, am Ende zu sagen, das, was sie ausgehandelt hat, sei ein EU-only-Abkommen.

Sie beruft sich dabei auf Art. 293 AEUV3, der die Abänderung von Gesetzen regelt, für die die Kommission das Vorschlagsrecht hat. Diese kann der Rat vor Weiterleitung an das EU-Parlament tatsächlich nur einstimmig abändern. Das, so die Kommission gelte nun auch für die Einschätzung der Kommission zur Rechtsnatur von CETA. Das ist aus zweierlei Gründen falsch. Selbst wenn Artikel 293 einschlägig wäre: Der Rat kann
eine Gesetzesvorlage ablehnen, statt sie zu ändern. Dann muss die Kommission mit einem neuen, mehrheitsfähigen Vorschlag kommen. Wichtiger noch. Es gibt einen speziellen Art. 218 AEUV für die Verabschiedung von völkerrechtlichen Verträgen, und diesem zufolge hat der Rat das Sagen.

Merkel und Gabriel könnten und müssten also, wenn sie ihre vielfachen Versprechen einhalten wollten, dass der Bundestag nach eingehender Beratung das Sagen über CETA haben werde, Juncker in die Parade fahren und klarstellen, bzw. ernsthaft prüfen lassen, wer bestimmt, welche Rechtsnatur CETA hat. Doch nichts dergleichen geschieht. Stattdessen tun beide so, als sei die Rechtsauffassung der Kommission korrekt und
unumstößlich. Dass der Rat die Einschätzung der Kommission zur Rechtsnatur von CETA nicht einstimmig zurückweist, werden mindestens die Italiener sicherstellen, denen die Kommission nötigenfalls mit einer Genehmigung von Hilfen für die italienischen Banken danke sagen könnte. Die Bundesregierung kann also gefahrlos dagegen stimmen und sich besiegen lassen.

Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat am 07. Juli angekündigt, auch auf rechtlichem Wege gegen den drohenden Abschluss des Freihandels- und Investitionsschutz-abkommens CETA vorzugehen. Die Fraktion und ihre Abgeordneten werden gegen die Ratifizierung von CETA Organklage und Verfassungsbeschwerden vor dem Bundes-verfassungsgericht erheben, denn das Freihandelsabkommen ist aus ihrer Sicht nicht nur politisch falsch, sondern auch verfassungswidrig.

Um die parlamentarischen Entscheidungen weiterhin im Sinne der Ablehnung der Freihandelsabkommen zu beeinflussen, ist es nach wie vor notwendig, den Druck auf der Straße zu erhöhen und damit europaweit deutlich zu machen, dass sich ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen die Freihandelsabkommen stellt.

Warum wird am 17.9. demonstriert?

In der Woche nach dem 17. September plant die SPD einen Parteikonvent um über ihre Zustimmung zu CETA abzustimmen, dies hat die SPD-Basis ihrem Vorsitzenden Gabriel abgerungen. Danach wird auf europäischer Ebene über die Zustimmung über den ausverhandelten Vertrag entschieden. Damit ist klar: der Druck auf die SPD-Führung muss im Vorfeld weiter steigen, viele SPD-Mitglieder sind gegen TTIP und CETA und wir wollen sie in ihrer ablehnenden Haltung bestärken. Zudem findet am 22./23. September eine entscheidende Sitzung des Handelsministerrats zu CETA statt.

Auch TTIP hat einen schweren Schlag erlitten: Zahlreiche PolitikerInnen gingen in den letzten Tagen auf Distanz zu dem Abkommen, darunter der Französische Präsident François Hollande, der neue Österreichische Bundeskanzler Christian Kern und Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments.

Doch noch sind weder CETA noch TTIP gescheitert. Wir arbeiten weiter, bis der Spuk wirklich vorbei ist. Der Schwerpunkt der nächsten Monate wird es jedoch, die Ratifizierung von CETA zu verhindern, denn viele Probleme, die TTIP bringen würde, sind in dem fertigen Vertrag mit Kanada ebenso enthalten.

Dazu haben wir viel vor:

Mit einer neuen Kampagne werden wir es BürgerInnen aus ganz Europa ermöglichen, sich direkt an die Abgeordneten im Europäischen Parlament zu wenden.
In Kooperation mit dem „Mehr Demokratie“ e.V. wollen wir mit einer Volksinitiative in NRW die Ratifizierung von CETA im Bundesrat verhindern und gleichzeitig in den Landtagswahlkampf eingreifen.4
Der nächste Höhepunkt ist am Samstag, dem 17. September. Nach den erfolgreichen Großdemonstrationen am 10. Oktober in Berlin und am 23. April 2016 zum Obama-Besuch in Hannover geht der Protest gegen TTIP und CETA in die nächste Runde: Mit einem bundesweiten Aktionstag wollen wir einmal mehr deutlich machen, dass die Bügerinnen und Bürger diese Abkommen ablehnen. Für diesen Tag plant dasselbe Bündnis, das bereits die erfolgreichen Demonstrationen im Oktober in Berlin und im April in Hannover organisierte, in sieben Städten regionale Großdemonstrationen. Die Demo-Standorte sind jetzt fix: Hamburg, Berlin, Leipzig, Köln, Frankfurt/Main, Stuttgart und Nürnberg. Auch der DGB ist wieder mit dabei und ruft zur Teilnahme auf.