Kundgebung von 30 000 Menschen für Frieden, Freiheit und Demokratie
Köln, Samstag, 3. September. Die Kundgebung von 30 000 Menschen für Frieden, Freiheit und Demokratie ist doch eher ein Fest. Alle sind sich einig im Protest gegen die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung in der Türkei und die völkerrechtswidrigen Angriffe türkischen Militärs gegen Syrien und die dort erfolgreich kämpfenden kurdischen Milizen. Wenige Tage zuvor hatte das Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V. (NAV-DEM) anlässlich des Weltfriedenstags am 1. September die deutschen Waffengeschäfte mit der Türkei kritisiert und zu Protesten aufgerufen. Deutsches Kriegsgerät wird gegen die zivile Bevölkerung in Kurdistan eingesetzt. Die türkischen Spezialeinheiten und dschihadistische Söldner benutzen bei ihrer Militäroffensive gegen die nordsyrische Stadt Dscharabulus deutsche Panzer.
Seit Jahren wird der IS über den Grenzübergang in dieser Stadt mit militärischem Nachschub versorgt. Aber Mitte August sind die Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF), ein Bündnis der kurdischen Selbstverteidigungskräfte (YPG/YPJ) mit lokalen arabischen Verteidigungseinheiten kurz davor, Dscharabulus zu befreien. Das soll verhindert werden.
NAV-DEM gehört zu den kurdischen Organisatoren der Kundgebung auf der Deutzer Werft. Zunächst war das Müngersdorfer Stadion für ein Kulturfest angemietet worden. In Abstimmung mit dem Verfassungsschutz hatte der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies aber bewirkt, dass die Stadt aus dem Vertrag ausstieg, offenkundig, um die Veranstaltung zu verhindern. Das gelang nicht. Aber vor dem Hintergrund des PKK-Verbots erinnert derartige Praxis an das KPD-Verbot, in dessen Folge Friedensinitiativen und andere demokratische Aktivitäten unterbunden wurden. Indes kann mit Hilfe der Kölner Interventionistischen Linken die Kundgebung am Samstag gesichert werden. Motto: „Weder Militärputsch, noch zivile Diktatur! Es lebe der Kampf der Völker für Freiheit und Demokratie“. Es wird musiziert, getanzt, diskutiert. Zahlreiche Stände und Pavillons versorgen die BesucherInnen mit Gegrilltem, mit Melonen, Tee, Wasser, aber auch mit Belletristik und politischer Lektüre.
Es spricht Selhattin Demirtas, Vorsitzender der HDP, dem selbst eine mehrjährige Haftstrafe wegen angeblicher Terrorpropaganda droht. Für Demirtas verursachen Al Nusra, die freie syrische Armee, der IS und die AKP das Leid der Menschen im Mittleren Osten. Die Kurden allein stellten sich wirksam gegen die Barbarei des IS. Angesichts des Rückzugs des IS sei der Einmarsch des türkischen Militärs in Syrien fällig geworden. Demirtas spricht von der Schwäche der AKP. Sie sei angreifbar wie nie zuvor in den vergangenen 15 Jahren. Gut sei es gewesen, dass der Putsch vom 15. Juli keinen Erfolg gehabt habe, aber für Erdogan sei dies ein Geschenk Gottes. Wenn es nach Erdogan und der AKP ginge, würden sie das Parlament auflösen, TV-Sender und Gerichte schließen. Nur die Kurden seien in der Lage, Widerstand zu leisten.
Der britische Gewerkschafter Steve Sweeney von der Unite National Publishing and Media Branch kritisiert mit der Haft von Öcalan auch dessen Haftbedingungen – seit 50 Tagen gebe es keinerlei Kontakt zu Anwälten oder Familie.
Salih Muslim spricht sich im Namen der Partei der Demokratischen Union (PYD) für die Einheit der Völker im Mittleren Osten aus, für Menschenrechte und Demokratie. Aber es gelte auch, die Rechte des kurdischen Volkes zu verteidigen.
Auch Bernd Riexinger, Parteivorsitzender der Linken, drängt auf die Aufhebung des PKK-Verbotes. Es passe nicht angesichts des Kampfes der Kurden gegen den IS. Zudem fordert er die Freilassung Öcalans und bezeichnet seine Isolationshaft als Folter. Er werde bei der türkischen Regierung eine Besuchserlaubis beantragen. Aufgabe von EU und Bundesregierung sei es, sich für den Demokratieprozess in der Türkei einzusetzen. Es sei unakzaptabel, dass dort demokratische Politiker verfolgt werden. Die Intervention des türkischen Militärs in Syrien sei Teil des Krieges gegen die Kurden, werde aber von der NATO geduldet. Die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei seien zu beenden, der Flüchtlingspakt zu kündigen. Und die Soldaten der Bundeswehr sollten aus der Türkei abgezogen werden.
Zu diesem friedlichen Fest sind die Besucher von überall her angereist, nicht selten sind französische und niederländische Autokennzeichen. Zwischenfälle werden nicht gemeldet. Eine Gegendemonstration von rechten Türken, angekündigt waren 100 Personen, zählt schließlich 15 Teilnehmer.
Allerdings wird just zur Anreisezeit die Deutzer Brücker von der Polizei für jeglichen, auch Fußgängerverkehr, gesperrt, als sich ein Rucksack unbekannten Inhalts findet. Er enthält harmlose Kleidungsstücke, wie sich nach Stunden herausstellt.