Banken sind soziale Bomben

Kunden vor einer Filiale von Northern Rock

Die EZB macht sich Sorgen

Die Zeit drängt.
Banken gehören in gesellschaftliches Eigentum!


Schon vor vier Jahren, Ende 2016, hatten die Schulden der Weltwirtschaft eine beunruhigende Höhe erreicht. FAZ-Wirtschaftsredakteur Markus Frühauf warnte: Die Schulden in der Welt wachsen gefährlich schnell. Die Weltwirtschaft steht auf tönernen Füßen: Staaten, Unternehmen und Haushalte haben sich mit 215 Billionen Dollar, das entspricht 325% der Weltwirtschaftsleistung, verschuldet. Das berge große Risiken. Er fragte: «Droht eine neue Wirtschaftskrise?» (7. April 2017)

Sie blieb aus. Offenbar ist der große Krach bislang vermieden worden. Wodurch?

Es wurden weitere Schulden gemacht.

Mittlerweile betragen sie laut Institute of International Finance (IIF), der weltweiten Bankenlobby-Organisation, Ende des dritten Quartals 272 Billionen Dollar. Bis Ende des Jahres werden sie auf 277 Billionen (=365% des Welt-BIP) angeschwollen sein. Banken leben davon. Sie träumen von einem Anstieg auf 360 Billionen bis 2030.

Heute berichtete Markus Frühauf von einem Schreiben der EZB an die Vorstandschefs der 113 von ihr direkt beaufsichtigten Banken. Es mahnt zu mehr Vorsicht. Der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, fordert die Institute auf, die Kreditrisiken in ihren Bilanzen ausreichend zu berücksichtigen.

Schon seit Wochen warnt Enria vor den Wirkungen des schweren Konjunktureinbruchs: ein Rückgang der Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um 10 Prozent. Den möglichen Anstieg der notleidenden Kredite beziffert er auf 1,4 Billionen Euro.

Es wird ab Silvester krachen

Ich habe schon in der aktuellen DrP («de rude Pooz», Kleinzeitung der DKP-Gruppe Köln Innenstadt) auf die bundesdeutsche Insolvenzordnung (InsO) hingewiesen, die die Unternehmen im § 15 a verpflichtet, im Falle von Überschuldung die Insolvenz zu beantragen. Das Versäumnis ist ein Straftatbestand und heißt Insolvenzverschleppung. Die Pflicht zum Insolvenzantrag wurde am 27. März angesichts der Pandemie ausgesetzt. Die Regelung gilt nach einer Verlängerung bis Ende Dezember. Aller Voraussicht nach wird es ab Silvester krachen, weil die aufgeschobenen Insolvenzen gebündelt fällig werden. Gerhard Hofmann,Vorstandsmitglied im Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken und zuvor leitender Bankenaufseher der Bundesbank, hält einen Anstieg von 20 bis 30% für verkraftbar. Er verweist indes gleichzeitig auf die besondere Verantwortung der Bankenaufseher. Sie müssten den Eindruck vermeiden, dass die nächste systemische Bankenkrise unmittelbar bevorstehe.

Auch Claudio Borio, Chefvolkswirt der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), lässt in diesem Sinne Vorsicht walten. Er versucht zu beruhigen.

Nach den Nachrichten zu Corona-Impfstoffen hätten sich die Kapitalmärkte im November deutlich erholt. Die Bewertungen befänden sich mittlerweile oberhalb oder nahe der Niveaus vor der Pandemie.

Aber schon damals sei von Überbewertungen die Rede gewesen, die aus der expansiven Geldpolitik der Notenbanken folge – und der Geldgier der Anleger. Letzteres nennt er vornehm «Jagd der Investoren nach Rendite» und «Risikoappetit». In Wahrheit ist es der Zwang zur Kapitalverwertung.

Dennoch rechnet Borio einerseits «mit mehr Unternehmensinsolvenzen», hofft andererseits vage auf Polster aus Kapital und Liquidität, empfiehlt den Herren der Finanzwelt den vorläufigen Verzicht auf Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen.

Überproduktionskrise

Man ahnt die Zwickmühle, wenn in diesem Zusammenhang von Eigenkapitalerleichterungen gesprochen wird, die die EZB den Banken zugestanden habe, «damit sie auch weiterhin Kredite vergeben können», wenn fast im selben Satz von Kapitalpuffern und Liqidität schwadroniert wird sowie von angeblich starken Bilanzen, mit denen die Banken in die Corona-Krise gegangen seien. Borio könne die von den Bankenaufsehern verlangte Zurückhaltung mit Blick auf Dividendenzahlungen «nachvollziehen». Die Investoren mögen darüber nicht glücklich sein, würden aber in ernsthaften Schieflagen ebenfalls leiden. Ob die Banken in eine Krise geraten können, macht Borio vom Verlauf der Pandemie abhängig. Im Klartext: Alles wird zur Rettung getan, aber bitte keinen unkeuschen Jubel!

Das ist die Lage, in der die EZB veranlasst ist, am kommenden Donnerstag (10. Dezember) die Anleihekäufe aufzustocken. Es laufen gegenwärtig zwei Programme, sie heißen PSPP (Public Sector Purchase Programme) und PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme), in der Summe erreichen sie bis Ende des Jahres 3 Billionen Euro. Es wird spekuliert, wie viel und für welchen Zeitraum aufgestockt werden soll. Frederik Ducrozet von der Bank Pictet glaubt an mindestens 500 Mrd Euro bis Mitte März 2022. Stefan Bielmeier von der DZ Bank rechnet mit 350 Mrd Euro. Michael Schubert von der Commerzbank hält 600 Mrd für wahrscheinlich. Karsten Junius von der Bank Safra Sarasin erwartet 750 Mrd. Möglich wär auch eine Billion. Das wäre dann doch für die Notenbank «schwierig zu kommunizieren». Klar, denn es sind Beträge, die hundertfach über denen liegen, auf die in der Summe Kurzarbeiter und Arbeitslose in Gestalt von Zuschüssen zur Arbeitslosenversicherung rechnen können oder auch Soloselbständige und kleine Unternehmen in Gestalt von Hilfen. Aber die Banken ausreichend mit Liquidität zu versorgen, bleibt im Verhältnis zu solchen Kinkerlitzchen die Kernaufgabe der Notenbank.

Alle rechnen mit Langfristkrediten für Banken, TLTRO genannt. Zu einem Minimalzinssatz von minus 1 Prozent. Die Kreditnehmer profitieren folglich a) allein schon mal durch den Umstand, dass sie Banken sind und als Banken Kredite in Anspruch nehmen, allerdings sollen sie b) nachweisen, dass sie diese Kredite weitergeben (womit sie ein zweites Mal gewinnen). Das indes verweist auf das Kernproblem, auf die Überproduktionskrise. Darauf deutet auch ein anderer Vorschlag: die Anforderungen des Krisenprogramms PEPP herunterzusetzen. Etwa, wenn Unternehmen, schon überschuldet, weitere Kredite in Anspruch nehmen dürften. Damit würde die EZB den Befürchtungen Rechnung tragen, dass eine Insolvenzwelle die Finanzstabilität gefährden könnte, meint Herr Ducrozet von der Bank Pictet.

Banken sind soziale Bomben. Allein Vergesellschaftung entschärft sie.

Klaus, im KV Köln, 8. Dezember 2020
Foto von Alex Gunningham from London, Perfidious Albion (UK plc)
Northern Rock Customers, Golders Green., CC BY 2.0