Kundgebung „Köln wehrt sich“, 2. November 2014

Köln 2. November 2014.
Heftige Diskussionen in Köln. Seit der schändlichen Zusammenrottung von Nazihooligans am vergangenen Sonntag (26. Oktober) ist das Erschrecken groß. Helle Empörung. Ein Demonstrationsaufruf, der kurz entschlossen von der SDAJ Köln in den elektronischen Medien verbreitet wird, findet erstaunliche Resonanz.
„Köln wehrt sich! Gemeinsam gegen Neonazis, rechte Hooligans und Rassismus!“

Demonstranten mit Fahnen.

Der kurze Text der SDAJ Köln formuliert am Ende: „Wir richten uns entschlossen gegen Neonazis, rechte Hooligans und ihre menschenverachtende Ideologie! Wir verurteilen den erstarkenden Rassismus in der Gesellschaft! Wir treten gemeinsam für die Betroffenen der HOGESA und gegen jede faschistische Ideologie ein! Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“
Die jungen GenossInnen bitten um die Verbreitung ihres Aufrufs, fordern zu weiteren auf. „Sagt allen Bescheid! Lasst uns den Neonazis zeigen, dass für sie kein Platz ist – nicht in Köln und nirgendwo!“
Die SDAJ hatte die Demonstration schon angemeldet. Das gefiel nicht allen, war aber angesichts der kurzen Zeit, die für die Mobilisierung verblieb, offenkundig richtig.
Bald schlossen sich weitere Organisationen an. Und tatsächlich kamen heute überraschend viele, vorwiegend junge Menschen auf dem Rudolfplatz zusammen. Mit der anschließenden Demonstration durch die Innenstadt erreichten sie am verkaufsoffenen Sonntag bei untypischem Novemberwetter viel Zustimmung. Auf dem Roncalliplatz endete die Veranstaltung mit einer weiteren Kundgebung vor über 3000 Menschen.
In den Reden kamen die unzulänglichen Maßnahmen der Polizei am vergangenen Sonntag zu Sprache, aber auch der Zusammenhang von erstarkendem Faschismus, Kriegspolitik und anhaltender Krise.
Alle waren sich einig: die nächsten Antinazi-Demonstrationen sind fällig. Wir werden mehr. Köln wehrt sich!

 

Rede von Klaus Stein, DKP Köln

Das Polizeikonzept gegen die Nazihooligans hat funktioniert. Das sagte am vergangenen Montagmorgen der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger im ZDF. Und Burkhard Freier, Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, sagte, die Krawalle waren keine Überraschung. Weder für den Verfassungsschutz noch für die Polizei.
Keine Überraschung!
In der Tat sind die Umgruppierungen in der Fußballfanszene nicht vom Himmel gefallen. Dazu waren intensive politische Vorbereitungen nötig. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb am Dienstag auf ihrer Sportseite: „Nicht zuletzt ein hervorragend informierter Fanforscher mit besonderer Kenntnis der rechten Szene, der das Institut für Fankultur gegründet hatte, warnte vor dieser Entwicklung. Im Sommer wurde er als langjähriger Mitarbeiter des Verfassungsschutzes enttarnt und ist seitdem untergetaucht. Die Sicherheitsbehörden dürften daher kaum überrascht sein von dem Szenario in Köln, bei den Hooligans nun auch mit anderen Rechtsextremen gemeinsame Sache machten.“
Mich erinnert das an den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Thüringer Landtags. Die Thüringer wollten angesichts der Untätigkeit von Verfassungsschutz und Polizei bei der Fahndung nach dem NSU-Trio nicht mehr von unglücklichen Umständen, Pannen, Fehlern sprechen, sondern von Verdacht gezielter Sabotage und bewusstem Hintertreiben.
Wie im Falles des NSU-Skandals müssen wir davon ausgehen, dass unser Inlandsgeheimdienst derartige politische Entwicklungen nicht dem Zufall überlässt. Insbesondere angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise. Eben hat die Europäische Zentralbank in einem lächerlichen Stresstest die Banken gecheckt. Wir sollen wieder an die Stabilität des Finanzsystems glauben. Aber die Aussichten sind schlecht: bei Ford-Köln wurde an 11 Tagen im Oktober kurzgearbeitet. Beim Sprinter-Werk von Daimler in Düsseldorf werden 1800 Arbeiter entlassen. Gestern schrieben die Zeitungen von 1000 Arbeitsplätzen, die bei Lanxess in Köln und Leverkusen abgebaut werden. Angesichts der drohenden Rezession bereitet das Bundesarbeitsministerium eine Verordnung vor, wonach das Kurzarbeitergeld auch im kommenden Jahr von sechs auf zwölf Monate verlängert wird. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider will in Einzelfällen sogar bis zu 18 Monate Kurzarbeitergeld zahlen. So könnten Entlassungen vermieden werden.
Und soziale Unruhen als mögliche Folge, denken wir uns.

Im anderen Fall dürfte es im Sinne von Herrschaftssicherung nützlich sein, wenn sich die Leute, je nach Gebetbuch, gegenseitig bekriegen, statt den Zorn auf die Nutznießer der Krise und Anstifter der Kriege zu richten. Erst päppelt die US-Regierung, der Hooligan der Weltpolitik, den islamistischen Terror hoch. Dann gibt sie vor, ihn zu bekämpfen, und zettelt Kriege gegen die ölfördernden Länder an. Das ist dasselbe Muster, mit dem unsere Nazihooligans gegen Muslime vorgehen. Die Ängste vor dem Islam sollen von Arbeitslosigkeit, wachsender Armut und den reichen Nutznießern der anhaltenden Krise ablenken.
Ich denke dabei an 1929, an den Börsenkrach vom 25. Oktober vor 85 Jahren. Erst in der Folge der Wirtschaftskrise wurde die NSDAP zur Massenpartei und terrorisierte Judentum und Arbeiterbewegung.
Rassismus entsteht selten spontan, seine faschistischen Organisationsformen sind kriminell und zu verbieten. Damit das geschieht, müssen wir uns rühren. Köln wehrt sich und wird sich wehren!