Referat auf der Kommunalberatung

Kommunalberatung der DKP Bezirk Rheinland-Westfalen am 15. Juni 2013

Konferenzraum mit Teilnehmern.

 

Klaus Stein hielt das Referat. Wir dokumentieren:

Liebe Genossinnen und Genossen,

Die öffentlichen Haushalte in der Republik sind mit über zwei Billionen Euro verschuldet. An jedem Tag müssen bei einem historisch niedrigen Niveau etwa 170 Millionen Euro allein an Zinsen aufgebracht werden. Meiner Rechnung nach sind das 62 Milliarden Euro im Jahr – bei einem Gesamtetat aller öffentlichen Haushalte von 1.164 Milliarden Euro im Jahre 2011.

Das ist selbstverständlich ein Geschäft für die kreditgebenden Banken, das nur funktioniert, wenn die Kredite brav bedient werden. Es ist politisch gewollt, dass die öffentlichen Haushalte ein Maximum an Krediten beanspruchen, aber ein Übermaß vermeiden, das die Rückzahlung gefährden würde.

Diese Fixierung auf Kreditfinanzierung spiegelt sich in einer absurden Formulierung eines Beschlusses der Deutschen Städtetags vom 14. November vergangenen Jahres: Unter der Überschrift »Zukunft der Kommunalfinanzierung« heißt es da: »Der Hauptausschuss des Deutschen Städtetages stellt fest, dass deutsche Kommunen solvente Schuldner mit höchster Bonität sind. Er geht davon aus, dass der Kommunalkredit auch in Zukunft als Hauptinstrument zur Finanzierung kommunaler Aufgaben zur Verfügung steht.«

Dabei stehen den Städten und Gemeinden die Schulden Oberkante Unterlippe. Insofern ist die gegenwärtige Flutkatastrophe an Donau und Elbe eine Metapher für die finanzielle Lage der Kommunen.

Alle Städte und Gemeinden zusammen hatten im Jahr 2012 einen Etat von 190 Milliarden Euro. Zum Vergleich: das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug 2011 2.570 Milliarden Euro. Der Bundeshaushalt hat ein Volumen von etwa 300 Milliarden, der von Köln 3,78 Milliarden Euro. Die kommunalen sozialen Leistungen sind im Jahr 2012 auf 45 Milliarden Euro gestiegen.

Und seit 2005 haben sich die Kassenkredite verdoppelt. Kassenkredit? Das ist für die Städte und Gemeinden, was für den Privatmann der Dispo. Auch dem Privatmann geht es ja um die »Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe«.

Am 28. Mai 2013 wurde bekannt gegeben, dass sich die Schulden der kommunalen Kernhaushalte in NRW im vergangenen Jahr auf 46,4 Milliarden Euro erhöht haben. Davon entfallen allein auf Kassenkredite 23,7 Milliarden Euro. Innerhalb von 10 Jahren ist die durchschnittliche kommunale Pro-Kopf-Verschuldung in NRW von 2098 Euro um 55,2% auf 3.256 Euro gestiegen. Diese Erhöhung ist vor allem auf die Kassenkredite zurückzuführen. Die sind innerhalb der letzten 10 Jahre um mehr als 400 Prozent expandiert. Da geht es den Kommunen wie dem privaten Schuldner. So kommt man aus der Schuldenfalle nicht mehr heraus. In Köln betragen bei einem Etat von 3,78 Milliarden die Schulden 2,7 Milliarden Euro. Die Kassenkredite erscheinen vergleichsweise glimpflich mit 300 Millionen Euro.

Köln hat 1 Million Einwohner. Im Eifelstädtchen Nideggen, zwischen Euskirchen und Düren gelegen, wohnen gerade mal 10 000 Menschen, ein Hundertstel davon. Dieses Städtchen hat 25 Millionen Euro Schulden, also sogar relativ weniger als Köln. Nideggen erhält aus dem Stärkungspakt 750 000 Euro pro Jahr vom Land und soll deswegen einen harten Sparkurs akzeptieren, wie 60 andere Kommunen in NRW. Der Stadtrat von Nideggen hat aber keinen genehmigungsfähigen Etat vorgelegt. Innenminister Jäger schickte einen Sparkommissar nach Nideggen. Das ging dann so:

70 Bürger, davon nicht wenige Ratsmitglieder, stehen am 22. Mai im Rathaus herum und harren der Dinge. Der Sparkommissar erscheint. Ralph Ballast ist sein Name. Er ist jetzt identisch mit dem Stadtrat. Er sagt: »Der Beauftragte ist anwesend. Die Sitzung ist also beschlussfähig« und beschließt: Der Gewerbesteuer-Hebesatz steigt von 420 auf 450 Prozent, die Grundsteuer A von 300 auf 500 Prozent und die Grundsteuer B von 450 auf 600 Prozent. Sein Sanierungskonzept sieht weitere mittelfristige Planungen vor. Demnach steigt der Grundstücks-Steuersatz bis 2021 auf satte 990 Prozent. »Als Beauftragter stimme ich dem Beschlussvorschlag zu«, sagt Ballast. Einer der Zuhörer bezweifelt, dass er sich sein Haus noch wird leisten können.

Helmut Dedy, Finanzdezernent des Deutschen Städtetages, äußerte vor 10 Tagen in einem Interview: »Wir beobachten zwei Entwicklungen, die uns große Sorgen bereiten. Zum einen steigt das Volumen der Kassenkredite weiter an, inzwischen auf schier unglaubliche 48 Milliarden Euro. Zum anderen verzeichnen wir einen überproportionalen Anstieg bei den Sozialausgaben, obwohl die Lage am Arbeitsmarkt in Deutschland momentan relativ entspannt ist. Das verdeutlicht, dass sich der Anstieg der kommunalen Soziallasten von der Arbeitsmarktsituation weitgehend abgekoppelt hat.« (In Wahrheit hat sich die Arbeitslosenstatistik von der Arbeitslosenrealität abgekoppelt!)

»Wir leben derzeit im kommunalen Bereich oftmals von der Substanz. Wir haben dort seit Jahren mehr Abschreibungen als Neuinvestitionen. Das ist deshalb eine große Herausforderung, weil die Städte damit den Erwartungen der Bürger und den Erfordernissen der Wirtschaft nicht mehr gerecht werden können. Unsere Infrastruktur wird aufgezehrt. Ich denke, wir werden vor dem Hintergrund der Schuldenbremse und des europäischen Fiskalpaktes gar nicht umhin kommen, die Frage zu stellen, wie wir diese nachvollziehbaren Erwartungen an kommunale Infrastruktur und die dazu erforderlichen Einnahmen in ein austariertes Verhältnis bringen können.« Mal abgesehen davon, dass Helmut Dedy mit dem Subjekt »Wir« eine andere Klientel meint als unsereins, weist er mit Recht auf den kommunalen Kürzungszwang durch Fiskalpakt und Schuldenbremsen hin.

Wie Ihr wisst, ist das Grundgesetz kein Stehplatz, sondern allenfalls als Loseblattsammlung zu abonnieren. Seit 2009 weist es mit den Artikeln 109 und 115 zwei neue Textstellen auf, in denen die sogenannten Schuldenbremsen formuliert sind. Es handelt sich dabei um Vorgaben, die die Aufnahme von Krediten regeln sollen. Wirksam sind sie seit dem 1. Januar 2011. »Bund und Länder erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft auf Grund des Artikels 104 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin und tragen in diesem Rahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung« (Artikel 109,2). »Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.« (109,3) Derselbe Absatz regelt aber auch gleich schon mal die Ausnahmen. Hier sei eine Tilgungsregelung vorzusehen »mit der Maßgabe, dass Satz 1 entsprochen ist, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten.«

Für den Fall von Sanktionsmaßnahmen der EU wird vorsorglich bestimmt, wer die Knöllchen zahlt, nämlich Bund und Länder im Verhältnis 65 zu 35 (Art. 109,5). Weitere Übergangsregelungen, die vor allem die Länder bis zum Jahre 2020 betreffen, sind in Artikel 143 gefasst.

Der Fiskalpakt ist in Brüssel am 2. März vergangenen Jahres vereinbart und als Gesetz am 29. Juni 2012 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. Seit September 2012 ist er nach der zögerlichen Absegnung durch das Bundesverfassungsgericht in Kraft. Er verpflichtet die Vertragsparteien zu einem ausgeglichenen Haushalt. Bei einem Schuldenstand von über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts müssen Schulden, die diesen Wert übersteigen, pro Jahr um ein Zwanzigstel verringert werden. Es wird ein Korrekturmechanismus vorgesehen, der bei Säumnissen automatisch ausgelöst wird. Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befinden, müssen ein verbindliches Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm vorlegen, das die einzelnen Maßnahmen beschreibt, mit denen das Defizit und Schuldenstand gesenkt werden sollen. Der Rat der EU und die Europäische Kommission genehmigen das Programm und überwachen seine Umsetzung.

Und die Gewährleistung derartiger Kürzungsprogramme ist die Voraussetzung dafür, dass Gelder aus dem ESM fließen. ESM-Mittel erhalten ausschließlich Länder, die den Fiskalvertrag bis März 2013 ratifiziert und die Schuldenbremse ein Jahr nach Inkrafttreten des Fiskalvertrags in ihr jeweiliges Rechtssystem verankert haben.

Gregor Gysi kritisierte am 29. März 2012 den Fiskalpakt. Der Vertrag schränke die Budgethoheit der Staaten und ihrer, wie er sich ausdrückte, frei gewählten Parlamente ein. Das werde die Situation in den EU-Staaten grundlegend verändern. Der Vertrag sei unkündbar und die Unkündbarkeit bedeute, dass die GG-Artikel, die staatliches Handeln an EU-Recht und Sanktionen binden, die eben erwähnten Art. 109, 115 und 143 d des Grundgesetzes, niemals mehr verändert werden dürfen. Gysi rechnete den Abgeordneten des Bundestages vor, dass auch die deutschen Schulden die Grenze von 60% vom BIP überschritten haben. Es sind mittlerweile 83%. Über 2.000 Milliarden Euro.

Der Vertrag verpflichte folglich die Bundesrepublik, 500 Milliarden Schulden um jährlich um 5% abzubauen. Also 20 Jahre lang jährlich 25 Milliarden Euro. Die Neuverschuldung wäre auf 12 Milliarden Euro beschränkt, würde aber selbstverständlich Teil des Abbauplans.

Damit werde nicht nur in die Haushaltshoheit der betroffenen Länder eingegriffen, sagt Gysi, sondern die Regierungschefs über die Parlamente gestellt. Das widerspreche dem GG, welches in Artikel 20 festlege, dass die Staatsgewalt vom Volke ausgehe. Das BVerfG habe das in seinem Lissabon-Urteil vom 30. Juni 2009 bekräftigt: »Zu wesentlichen Bereichen demokratischer Gestaltung gehören Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Kreditaufnahme.«

Das übrigens ist ein Sachverhalt, der in dieser Woche wieder das Bundesverfassungsgericht beschäftigte. Es geht diesmal um die Aufgaben der EZB.

Gysi wies auch darauf hin, dass alle diese Maßnahmen das Problem vom falschen Ende aufrollen. Hier würden Ursache und Wirkung verwechselt. Die Staatsschulden sind nicht die Ursache der Krise. Vielmehr seien das die Banken, die 2008 mit einem Rettungsschirm von 480 Milliarden Euro versehen worden sind.

Gysi bezog sich in seiner Rede auf eine Bemerkung von EU-Wettbewerbskommissar Almunia, der im Februar feststellte, dass allein von 2008 bis 2010 die EU-Staaten mehr als 1 600 Milliarden Euro bzw. 13 Prozent ihrer gesamten Wirtschaftsleistung, der Wirtschaftsleistung der 27 EU-Staaten, für die Rettung von Banken ausgegeben haben. Das Wort Staatsschuldenkrise, meinte Gysi, suggeriere den Leuten, sie hätten zu viel verbraucht oder, wie Frau Merkel sage, über ihre Verhältnisse gelebt. Damit gerieten Banken, Hedgefonds und Spekulanten aus dem Blick. Soweit Gysi.

Der Deutsche Städtetag beschreibt den Zusammenhang von Fiskalpakt und kommunalen Kürzungen wie folgt: »Durch die innerstaatliche Umsetzung des Paktes dürften sich bis zum Jahr 2020 keine grundlegenden Veränderungen für die Kommunen ergeben. Wie bisher ist keine länderindividuelle Zurechnung der kommunalen Defizite geplant. Den einzelnen Ländern wird also weiterhin nicht die Verpflichtung auferlegt, dafür Sorge zu tragen, dass die Summe ihres jeweiligen Defizits und der Defizite der Kommunen im jeweiligen Land zusammen einen bestimmten Schwellenwert unterschreitet. Defizitgrenzen gelten, wenn überhaupt, nur für das einzelne Land ohne Berücksichtigung der Kommunen. Wie schon bei der Diskussion um die Schuldenbremse deutlich wird, entsteht auf diesem Weg ein Anreiz für Länder, ihre Defizite auf die kommunale Ebene zu verlagern und damit den Konsolidierungszwang auf die Kommunen abzuwälzen.« (»Schlaglichter aus dem Gemeindefinanzbericht 2012 des Deutschen Städtetages«, Deutscher Städtetag, September 2012)

Angela Merkel war am 24. April zu Gast beim Städtetag in Frankfurt. Sie bestätigte die eben wiedergegebene Einschätzung, als sie sagte: »Es geht im Kern darum, ob wir es eines Tages schaffen, nur von dem, was wir einnehmen, zu leben. Das ist im Übrigen für Sie sehr viel verpflichtender als für andere staatliche Ebenen.«

Der Parteitag der DKP sagte es so: »Die Kommunen werden in Deutschland die Hauptlast des Fiskalpakts zu tragen haben.« (Antworten der DKP auf die Krise). Kurz: Der Fiskalpakt rettet Banken, vermehrt die Vermögen der Reichen und organisiert im Gegenzug Kürzungsprogramme bei allen öffentlichen Haushalten, Austerität und wachsende Armut. Bund und Länder reichen den Druck auf die kommunalen Haushalte weiter. Den letzten beißen die Hunde.

Vielleicht habt Ihr schon mal vom Bundeskongress Haushalt und Finanzen gehört. Er tagte just am Dienstag dieser Woche in Berlin. Es handelt sich dabei um eine scheinbar private Veranstaltung, die seit fünf Jahren von der Zeitung Behörden-Spiegel organisiert wird. Das klingt harmlos, aber diese Zeitung mit einer Auflage von 100.000 Stück organisiert ausgesucht reaktionäre Kongresse und Konferenzen. In der Ankündigung zum Bundeskongress Haushalt und Finanzen hieß es: »Die Konsolidierung der Kommunalfinanzen und die Einführung der Schuldenbremse prägen heute schon die Handlungsfähigkeit des Staates und werden diesen Druck auch in den kommenden Jahren ausüben. Einnahme- und Ausgabenseite müssen daher gleichermaßen auf den Prüfstand...«

Schirmherr der Veranstaltung war Ralf Jäger, Innenminister von NRW. Fachlicher Leiter Dr. Volker Oerter.

Wer ist das? Volker Oerter war ab 1985 zunächst in Siegen als Stadtdirektor beschäftigt, war dann viele Jahre in Spitzenpositionen im Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen tätig und hat, wie es heißt, die Verwaltungsmodernisierung in NRW mitgeprägt. Von 1989 bis Dezember 2007 Ministerialdirigent, zuletzt Leiter der Abteilung III (Strukturförderung, Verwaltungsmodernisierung, Neues Steuerungssystem, Public Private Partnership) und Leiter des Arbeitsstabes Neue Steuerung (u.a. New Public Management, Einführung der Doppik landesweit). In dieser Funktion war er mit dem Projekt EPOS maßgeblich an dem laufenden Projekt der Umstellung des Haushalts- und Rechnungswesens der Landesverwaltung beteiligt. Außerdem leitete er den Arbeitsstab der Task Force Public-Private-Partnership (PPP) des Landes Nordrhein-Westfalen. Schon in den 90er Jahren leitete Volker Oerter den »Arbeitsstab Aufgabenkritik", in dessen Rahmen die Organisationsstruktur der nordrhein-westfälischen Landesverwaltung reformiert wurde. Seit seinem Ausscheiden aus dem Landesdienst Ende 2007 betätigt er sich als freiberuflicher Berater für staatliche und kommunale Verwaltungen.

Von Januar 2001 bis März 2002 hatte er als erster Geschäftsführer des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB) mehr als 1300 Grundstücke und 4250 Immobilien auf rund 41 Millionen Quadratmeter Grundstücksfläche des Landes in diese formell private Gesellschaft mit 2000 Mitarbeitern zu überführen. Jahr für Jahr wird in den BLB eine Milliarde Euro investiert. Der riesige Betrieb ist ein Kind der Ära des Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (damals SPD). Mit dem Ende 2000 vom Landtag verabschiedeten »Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens ‚Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen'« erhoffte sich die damalige rot-grüne Landesregierung mehr Effizienz, mehr Transparenz. Das nach heutigem Stand 9,2 Milliarden Euro schwere Liegenschaftsvermögen wurde vom übrigen Landesvermögen abgetrennt. »Wir wollen einen professionell geführten, kaufmännisch-betriebswirtschaftlich orientierten Landesbetrieb schaffen«, sagte der damalige nordrhein-westfälische Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Es müsse »ein Anreizmechanismus etabliert werden, damit es zu wirtschaftlichen Lösungen kommt«. Und: »Alles ist darauf ausgerichtet, vorhandene Einsparpotenziale zu realisieren.« Auf 125 Millionen Euro bezifferte das Finanzministerium dieses Potential. (FAZ 21.1.12)

Volker Oerter beschrieb am 18. Januar 2002 die Zwecke des BLB: »Unsere Zielsetzung und unsere Geschäftsabläufe ähneln denen vieler großer Unternehmen der privaten Wirtschaft, z.B. denen der Thyssen Krupp AG, der DB Immo oder der DeTe Immobilien.« »Aus den Nutzern sind über Nacht eigenverantwortlich rechnende Mieter geworden; aus der Bau- und Liegenschaftsverwaltung ein nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen arbeitender und rechnender Landesbetrieb. Alle Akteure stehen nun vor einer großen Herausforderung: Verwaltungsabläufe in betriebswirtschaftliche Geschäftsabläufe zu überführen.«

An gewinnbringenden betriebswirtschaftlichen Geschäftsabläufen sollte es künftig nicht fehlen. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans mußte vor zwei Jahren, am 8. April 2011, im Haushalts- und Finanzausschuss mitteilen: »dass für die Vergangenheit massive Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung, namentlich gegen das Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot durch den BLB NRW begründet und hinreichend zu besorgen sind.«

Offenkundig hatten einige Manager der BLB bei der Privatisierung gewisse Grenzen überschritten. Die Wuppertaler Staatsanwaltschaft ermittelt gegen führende BLB-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue. Es ist von einem mindestens dreistelligen Millionen-Schaden für das Land auszugehen. Bekannt geworden sind die merkwürdigen Kostensteigerungen beim Duisburger Landesarchiv, anlässlich des Kaufs von Schloss Kellenberg, des Erweiterungsbaus Polizeipräsidium Köln-Kalk und der Geschäfte mit dem Kölner ehemaligen Dombrauereigelände im Frühjahr 2009. Hier hatte die Firma Bouwens des Adenauer-Enkels und Kölner IHK-Vorsitzenden Bouwens-Adenauer innerhalb von 8 Wochen durch den Handel allein mit einem Teilstück einen schönen Gewinn von 10,5 Millionen Euro gemacht.

Im Mai 2010 wurde der Landtag neu gewählt. Rüttgers wurde abgelöst. Ein Jahr später, im Mai 2011, aber so lange dauert so was schon mal, bequemte man sich endlich angesichts der merkwürdigen Geschäfte des BLB zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Erstmals zusammengetreten ist er im Oktober 2011. Am 14. März 2012 war schon wieder Schluß, weil der Landtag aufgelöst wurde. Das traf auch den BLB-Untersuchungsausschuss. Immerhin konnte der sich am Jahresende 2012 neu konstituieren. Die alten waren noch nicht erledigt, schon warteten auf ihn neue Aufgaben. Der Untersuchungsauftrag wurde auf den Erwerb des Vodafone-Hochhauses in Düsseldorf und den Verkauf des Landesbehördenhauses in Bonn erweitert. Das war im Dezember. Im April 2013, vor zwei Monaten, teilte der Landesrechnungshof mit, dass auch beim Neubau des Landeskriminalamtes in Nordrhein-Westfalen Millionensummen verschwendet worden sind. Mit 106 Millionen Euro Gesamtkosten habe der 2010 fertiggestellte Neubau 40 Millionen Euro mehr verschlungen als kalkuliert. Die Planung sei unzureichend gewesen, das Projektmanagement mangelhaft, das Verfahren unwirtschaftlich.

Wir beobachten also beispielhaft die fließenden Übergänge von der Verwaltungsmodernisierung zum Diebstahl öffentlichen Eigentums. Untersuchungsausschuss und Staatsanwaltschaft richten ihr Augenmerk zunächst auf die Landesbediensteten, den mutmaßlich Bestochenen. Von den Tätern, den mutmaßlichen Korrumpierern, wird weniger geredet. Hier wäre dringend die Anwendung des Artikels 27,2 der Landesverfassung in Erwägung zu ziehen. Danach sind Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, zu verbieten. Das sollte namentlich für solche gelten, die sich mittels Bestechung Vorteile verschaffen.

Der Verwaltungsmodernisierer Volker Oerter ist im Jahre 2007 aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden und arbeitet gegenwärtig als Senior Advisor für BearingPoint, einer Unternehmensberatung. Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU führt ihn in seiner Liste als Mitglied des Fachverbandes Öffentlicher Sektor auf, das heißt, er sorgt dafür, dass öffentliche Verwaltungen im Sinne privater Finanzdienstleister arbeiten. Unter anderem hat er auf dem erwähnten Bundeskongress Haushalt und Finanzen am vergangenen Dienstag ein Fachforum geleitet, in dem es um Steuerung und Controlling ging. »Scheitert die Wirkungsorientierung an der Wirklichkeit?« war die Frage, die hier erörtert werden sollte. Diese Frage behandelte auch die Kölner Stadtkämmerin, Gabriele C. Klug, im selben Fachforum. Vielleicht hat sie von unseren Protesten unter dem Motto »UmFAIRteilen statt Kaputtkürzen« erzählt. Im übrigen geht es bei dem Stichwort Wirkungsorientierung um die Durchsetzung der Doppik, also der betriebswirtschaftlichen Rechnungsführung in den Städten und Gemeinden, auch Neues kommunales Finanzmanagement (NKF) genannt. Da hakt es auch in Köln.

Übrigens tummelten sich in allen Fachforen des Bundeskongresses Haushalt und Finanzen Vertreter privater Firmen. Im Fachforum Software mit dem Thema »Strategische und operative Haushalts- und Finanzplanung in Zeiten von Konsolidierung und Schuldenbremse« waren vertreten:

  • Die Unternehmensberatungsfirma Earing Point durch Robert Friebe, Manager Public Finance
  • Die Firma Steria Mummert Consulting durch Boris Hauke, Public-Experte
  • Die Firma SAP (= »Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung«, der größte Anbieter von Unternehmenssoftware) vertreten durch Dr. Ulrike Brecht, Geschäftsentwicklung öffentliche Verwaltung.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass dieser Kongreß von den Unternehmensberatungen BearingPoint, Ernst & Young, Ikor, Steria Mummert sowie dem Softwarehersteller Jedox gesponsert wurde. Offenbar werden hier die Weichen für die weitere Verschlankung öffentlicher Verwaltung gestellt.

Das führt in der Regel nicht zur Qualifizierung ihrer Tätigkeit. Im Gegenteil. Die Stadtverwaltungen werden gegenwärtig nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten verschlankt und dequalifiziert, erfüllen aber in der Folge ihre Aufgaben nicht mehr. Die städtisch Beschäftigten geraten unter den Druck privater Konkurrenz, wenn nicht überhaupt systematisch öffentliche Funktionen an private Auftragnehmer ausgelagert werden. Das hat sich in Köln unter anderem sehr schmerzhaft beim Bau der U-Bahn gezeigt. Die Tätigkeit der beauftragten Baukonzerne konnte nicht durch stadteigene Ingenieure beaufsichtigt werden. Die entsprechende Abteilung war vorher abgewickelt worden.

Aber woher kommen die Schulden? Der Beschluss zur Kommunalpolitik, den die DKP schon im März auf dem Mörfeldener Teil des Parteitages fassen konnten, sieht dafür drei alte und eine neue Ursache.

»Bund und Länder wälzen Aufgaben auf die Kommunen ab, die diese zu finanzieren haben, ohne dass sie entsprechende zusätzliche Mittel erhalten.«

Das betrifft mittlerweile die Kosten für die Unterkunft nach SGB II, der Eingliederungshilfe nach SGB XII, der Pflegeversicherung, der Eingliederungshilfe für Behinderte. Da hatte übrigens die Bundesregierung Abhilfe versprochen, um sich der Zustimmung der Städte und Gemeinden zu Fiskalpakt und ESM zu versichern.

»Die Steuergesetze lassen vor allem den Großkonzernen weite Spielräume, um sich der Zahlung der Gewerbesteuer teilweise bis vollständig zu entziehen.«

In der Tat. Wir haben das in Köln sehr schmerzhaft gespürt, als im vergangenen Jahr insgesamt 171 Millionen an Gewerbesteuer fehlten. Allein an Ford mussten 113 Millionen Euro zurückgezahlt werden. Wie zu hören ist, reklamierte der Konzern die Gewerbesteuer der vergangenen Jahre bis 2006.

»Bürgerliche Kommunalpolitik reagiert hilflos durch ›Standortpolitik‹, kürzt einerseits und investiert andererseits massiv in Schaufenster- und Hochglanzprojekte, die sich an den Interessen ›der Reichen und Schönen‹ orientieren.«

Auch dazu können die Kölner einige Strophen singen. Es ist das Lied vom Kölschen Klüngel, wie er verniedlichend bezeichnet wird.

Sicher gehört zu solchen Großprojekten die eigentlich überflüssige U-Bahn durch die Südstadt. Sie hatte schon vor dem Einsturz des Stadtarchivs am 3. März 2009 eine Milliarde Euro verschlungen.

Eine andere Strophe handelt von Schauspielhaus und Oper am Offenbachplatz, denkmalgeschützte Bauten des Architekten Wilhelm Riphahn von 1957 bzw. 1962. Die Pflege der Bausubstanz dieses Ensembles wurde im Laufe der Jahre offenkundig vernachlässigt. Eine Sanierung wurde fällig. Am 17. Dezember 2009 beschloss der Stadtrat stattdessen Abriss und Neubau.

Dieser Neubau war erstens ästhetisch umstritten (er bestand aus einem riesigen Quader) und zweitens nicht mehr ganz so billig zu haben, wie ursprünglich geplant. Selbst die abgespeckte Version hätte annähernd eine halbe Milliarde Euro gekostet. Eine Initiative plädierte für die Sanierung. Tatsächlich schaffte es das Bürgerbegehren der Initiative »Mut zur Kultur« nach 50 000 Unterschriften im Frühjahr 2010, den Stadtrat zu überzeugen. Er nahm den Beschluss zugunsten der Sanierung zurück. Die Kosten sind immer noch hoch, gegenwärtig werden sie mit einer Viertelmilliarde beziffert. Städtischerseits müsste man doch eigentlich dankbar für diese Kürzungsmaßnahme sein. Aber dort herrschen die Betonseelen der Baukonzerne.

Als weiteres Beispiel ist der Oppenheim-Esch-Fonds mit seinen Public-Private-Partnership-Projekten. Dieser Immobilienfonds hat mit der Lanxess-Arena (Bausumme 300 Millionen), dem technischen Rathaus (600 Millionen), dem Rathaus Nippes und den Messehallen (330 Millionen) die Stadt um mehr als eine Milliarde Euro durch überhöhte Mieten erleichtert. Bei der Messe führt das regelmäßig zu Defiziten. Zwischenzeitlich ist das Bankhaus Sal. Oppenheim von der Deutschen Bank übernommen worden. Jetzt stehen seine Manager vor Gericht.

Sie sind der Untreue angeklagt. Die Bankiers hätten die Bank geschädigt. Beispielsweise wurden Millionen in die Renovierung einer Villa im Kölner Villenviertel Marienburg gesteckt. Hier wohnte die Mutter von Christopher Oppenheim nach vollendeter Renovierung zu einer ungewöhnlich günstigen Miete.

Wohlgemerkt, die Staatsanwaltschaft klagt nicht gegen das Milliardenloch, das dieselbe Bank in den städtischen Haushalt gerissen hat. Was lehrt uns das? Nicht etwa die Raubzüge derartiger Public-Private-Partnership-Geschäfte zum Schaden der Stadt sind strafbar und werden durch bürgerliche Gerichte geahndet, sondern verhältnismäßig kleine Mietnachlässe für die Oppenheim-Mutter zum Schaden der Bank. Aber das selbstverständlich erst, nachdem Oppenheim von der Deutschen Bank übernommen worden ist.

Aber zu diesen gewissermaßen tradierten Ausplünderungsmethoden kommt gegenwärtig eine neue im Zuge der gegenwärtigen Krise. Dazu nur wenige Worte. Krisen begleiten den Kapitalismus, seit er existiert. Er leidet unter einem unaufhebbaren Widerspruch. Einerseits minimieren die Unternehmer unter Konkurrenzdruck und bei Strafe ihres Untergangs die Lohnkosten. Andererseits reduzieren sie damit die Massennachfrage nach Gütern. Henry Ford hat den Zusammenhang erfasst, als er sagte: »Autos kaufen keine Autos.« Der Widerspruch von hohem Produktionspotential und niedriger kaufkräftiger Nachfrage wird im Konkurrenzkapitalismus des 19. Jahrhunderts noch mittels zyklischer Krisen aufgehoben. In den Krisen werden veraltete Produktionskapazitäten vernichtet, neue setzen sich durch. Auf einer neuen Stufe der Produktivität werden Arbeitsplätze geschaffen und es wird wieder konsumiert.

Mittlerweile klaffen aber Entwicklung der Masseneinkommen auf der einen Seite und das Wachstum der Produktivität weit auseinander. Vor allem wird die reinigende Funktion der Krise behindert, weil spontane Krisenwirkungen das ganze System in Frage zu stellen drohen. Banken werden vor der Pleite bewahrt, wenn sie mit dem Prädikat »systemrelevant« versehen sind. Für ihre faulen Kredite kommen gegenwärtig die öffentlichen Haushalte auf. Die übernehmen die Schulden, geraten an Stelle der Banken in die Schuldenfallen. Marx hatte schon im Kommunistischen Manifest konstatiert: »Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.«

Die EU ist mittlerweile zum Geldeintreiber für Banken und Reiche verkommen. Die EU-Staaten sind heute mit 11,5 Billionen Euro verschuldet. Pro Jahr müssen 2 Bio Euro neu an Schulden aufgenommen werden, um die alten Schulden zu bedienen. Das entspricht vier Fünftel des deutschen Sozialprodukts. Darauf zielt die jetzige Austeritäts-Politik ab. Oberstes Ziel ist das Wegkürzen von sozialen Leistungen und Masseneinkommen, um die Gläubiger zu befriedigen. Damit haben wir es also in den Städten und Gemeinden zu tun.

Die Reichen dagegen haben seit 2000 ihren Reichtum um 50% erhöhen können, während die Masseneinkommen stagnierten, real sogar absanken. Das private Geldvermögen übertrifft die Staatsverschuldung in Deutschland um das zweieinhalbfache. Wo ein Schuldental, ist der Vermögensberg nicht weit. Aber seit 1997 ruht in Deutschland die Vermögensteuer. Die Körperschaftssteuer wurde von 45% auf 15% gesenkt. Immer noch wird von der Finanztransaktionssteuer nur geredet.

Tatsächlich handelt es sich um einen riesigen Umverteilungsmechanismus von Arm zu Reich, um einen gewaltigen neuen Schub der Aneignung fremder Arbeit, fremden Eigentums, fremden Kapitals. Der leninistische Fachbegriff dafür heißt: Monopolkapitalismus.

Angesichts der noch immer andauernden Niederlage der sozialistischen Alternative, des Fehlens einer »sozialistischen Gefahr« stehen alle Zugeständnisse, die sich die Arbeiterbewegung in den mehr als 150 Jahren ihrer Existenz erkämpft hat, und mit ihnen der Sozialstaat zur Disposition. Es droht keine Pariser Kommune, deswegen werden die Segnungen der Bismarckschen Sozialgesetze allmählich abgebaut. Es droht keine Räterepublik wie 1918, deswegen scheint schon eine Arbeitszeitverkürzung utopisch. Es gibt keine DDR mehr, deswegen kann die Rente gekürzt werden. Und angesichts der gegenwärtigen Seltenheit und Schwäche von staatlich organisiertem Sozialismus bleibt die Vernichtung von Kapital mittels Kriegen eine Option.

Es ist richtig, was wir in Mörfelden zur Kommunalpolitik gesagt haben: »Mit drastischen Einschnitten und Kürzungen bei den kommunalen Leistungen im Sozial-, Jugend- und Bildungsbereich versuchen die Städte, der Vergeblichkeitsfalle zu entkommen. Reihenweise werden kommunale Einrichtungen wie Bibliotheken, Schwimmbäder, Beratungsstellen und Sozialeinrichtungen geschlossen. Die kommunalen Gebühren werden drastisch erhöht. Besonders arme Menschen werden immer mehr vom gesellschaftlichen und sozialen Leben ausgeschlossen. Sozialtarife für den Öffentlichen Nahverkehr werden nicht realisiert und die Leistungen von Sozialpässen gestrichen.«

Der Klassencharakter solcher Maßnahmen ist kaum zu verhehlen. In Köln ist jedes vierte Kind arm. Aber die Stadtkämmerin Gabriele Klug plante den Wegfall der Einschulungshilfe. Es waren 160.000 Euro für I-Dötze, die das Geld für einen Schulranzen und die Erstausstattung mit Heften, Stiften, Turnzeug nicht haben – sowas kostet seine 200 Euro. Diese Summe erscheint indes durch die Protestaktionen gerettet.

Den Köln-Pass-Kindern will die Stadt aber weiterhin das Mittagessen nicht mehr bezahlen. Sie geht davon aus, dass sie ihren Anspruch aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der Frau von der Leyen geltend machen. Die Anträge dazu sind berüchtigt. Sie sind kompliziert. Deswegen werden sie nicht gestellt. Einsparvolumen: 600 000 Euro in diesem, 700.000 Euro im nächsten Jahr.

Die Streichung des Kölntags in den Museen (erster Donnerstag im Monat freier Eintritt für Kölnerinnen und Kölner) ist wohl zurückgenommen. Auch der ursprünglich zur Streichung vorgesehene freie Eintritt für Kinder und Jugendliche wird womöglich doch aufrecht erhalten. Davon hatten sich die Verantwortlichen Mehreinnahmen erhofft, aber vielleicht doch eingesehen, dass die hohen Preise dazu führen würden, dass Kinder und Jugendliche einfach weg blieben (360 000 Euro).

Die Stadt verzichtet schrittweise, wie es heißt, auf die Übermittagsbetreuung von Schulkindern. Dadurch sollen 250 000 Euro erwirtschaftet werden. Begründung: die Kinder würden zunehmend in Ganztagsschulen unterrichtet.

Die Stadt ist verpflichtet, zu den Unterkunftskosten von Erwerbslosen beizutragen. Vorgesehen ist aber eine Einsparung von zwei Millionen Euro. Grund: Die Kämmerin geht davon aus, dass infolge einer verbesserten Konjunkturerwartung eine schnelle Vermittlung in den Arbeitsmarkt zu erwarten sei.

Wer das nicht glaubt und sich empört, benötigt womöglich psychosoziale Beratung, aber auch die soll für Erwerbslose um 1,3 Millionen gekürzt werden.

Die freien Träger der Wohlfahrtspflege sollten 1,2 Millionen Euro einsparen, 75% ihrer sogenannten Globalmittel. Jetzt sind es nur noch 50%.

Die Bürgerzentren und Bürgerhäuser hätten ihre Arbeit einschränken, Leute entlassen, die Ausgaben um 1,1 Millionen kürzen müssen. Aber der Protest wirkte. Die Kürzungssumme wurde auf 260.000 Euro reduziert, erst im Jahre 2015 stehen wieder 1,1 Millionen zu Buche.

Interkulturelle Arbeit und solche mit Senioren: hier bleibt es dabei, es werden anderthalb Millionen herausgepresst. Es klingt zynisch, aber die Alten waren wahrscheinlich zu wenig kregel beim Protestieren. Wie überhaupt hoffen konnte, von Kürzungen verschont zu wurden, wer dagegen öffentlich protestierte.

Insgesamt aber haben die Kürzungen im Bereich Soziales, Jugend, Kultur, Bildung und Sport für das Jahr 2013 noch ein Volumen von 5,1 Millionen und für das Jahr 2014 von 11,7 Millionen Euro, bei einem Defizit von rund 300 Millionen, das durch Rücklagen ausgeglichen werden soll.

Die Stadt stoppt außerdem die Planung für den Neubau des Stadtarchivs. Damit ist auch die Kunst- und Museumsbibliothek in Frage gestellt, was gegenüber dieser einzigartigen Einrichtung eine Barbarei darstellt.

Es wurde zudem um 7 Millionen Euro gestritten. So teuer soll der jährliche Betrieb einer Teilstrecke der neuen U-Bahn zwischen Severinstraße und Rodenkirchen sein. Die Grünen haben sich mit der CDU darauf geeinigt und eine Koalitionskrise mit der SPD riskiert. Die ist dagegen und will noch vier Jahre warten. Nachdem schon eine Milliarde Euro für die U-Bahn in die Kassen der Baukonzerne geflossen war, erscheint ihr die Inbetriebnahme nicht mehr so dringlich.

Parkautomaten bringen der Stadt 15 Millionen Euro im Jahr. Nach ihrer Umrüstung kostet eine Stunde Parken 3 Euro, vorher zwei. Allein an Knöllchen will die Stadt 3,5 Millionen mehr einnehmen.

Die Liste ist noch länger, einiges davon wurde zunächst angesichts der Kommunalwahlen im nächsten Jahr zurückgenommen.

Denn es rührte sich Widerstand. Schon im November hatten sich die Wohlfahrtsverbände gemeldet. Dann waren es die bedrohten Bürgerhäuser und Bürgerzentren. Am 18. Dezember fanden sich vor dem Rathaus anlässlich der Etatberatung etwa 1000 Demonstranten ein und stellten ihre bescheidenen Forderungen. Ende Januar machten Occupy und Attac eine Veranstaltung in der Alten Feuerwache. Sie mobilisieren schon mal gegen die Kürzungspläne. Am 16. März organisierte das Bündnis »UmFAIRteilen statt Kaputtkürzen« eine große Kundgebung auf dem Neumarkt. Und bis zum schließlichen Stadtratsbeschluss über den Doppelhaushalt 2013/14 kam es noch zu zahlreichen großen und kleinen Protesten und Demonstrationen von Stadtschulpflegschaft, den von Verdi organisierten Kita-Mitarbeitern, den Freunden der Kunst- und Museumsbibliothek, vielfältigen Aktionen der 13 Bürgerzentren und Bürgerhäusern in Köln.

Aber es gab auch eine bemerkenswert abwegige Initiative namens »Mut zum Verzicht«, einer der Protagonisten ist ein Hotelier namens Werner Peters (»Gründer und Vorsitzender der Partei der Nichtwähler«). Ihm ist der Bau des Jüdischen Museums ein Dorn im Auge, er wollte 50 Millionen Euro einsparen, die dieser Bau kosten soll.

Das Bündnis »UmFAIRteilen statt Kaputtkürzen« hat sich nicht immer zu solchen Irritationen des Publikums äußern können. Das wollen wir aber noch tun. Uns geht es um Proteste gegen die nächstliegenden, die spürbarsten Einschnitte. Sie sollten verbunden sein mit solchen gegen die Umverteilungsmaschinen Fiskalpakt und ESM.

Der isolierte Protest gegen angebliche Prestigeprojekte, ohne Verknüpfung mit der Frage Arm und Reich, würde nach unserer Auffassung zu kurz greifen und das Ausmaß und die Dramatik der Kürzungsmaßnahmen nicht mehr erfassen. Er soll sich schließlich gegen die Banken und Großkonzerne richten. So kann er auch die notwendige Breite erreichen.

Streichen bei den Reichen, statt Sparen bei den Armen!