Köln braucht ein Marx-Denkmal!
5. Mai 2018. Kölner Kommunisten und Freunde treffen sich am Altermarkt.
Marx' Geburtstag. Vor 200 Jahren ist er in Trier geboren. Zufall.
Gar nicht zufällig aber gerät der eben erst promovierte Philosoph in Köln in die Politik, hier wird er zum Revolutionär. Als Redakteur der Rheinischen Zeitung, ein zunächst mal liberales Presseorgan in der preußischen Rheinprovinz, kann er in kurzer Frist dessen Auflage erhöhen. Er genießt Rückendeckung durch die Aktionäre der Zeitung, unter anderem durch Moses Hess, Gustav Mevissen und Dagobert Oppenheim. Marx hat zur sozialen Frage aber mehr zu sagen, als der preußischen Obrigkeit lieb ist. So wird die Rheinische Zeitung im März 1843 verboten. Marx geht nach Paris, freundet sich dort mit Heinrich Heine und vor allem mit Friedrich Engels an. Im Februar 1848 erscheint im Auftrag des Bundes der Kommunisten „Das Manifest der Kommunistischen Partei“. Marx und Engels kommen rechtzeitig nach Köln zurück. Hier ist im Zuge der Märzrevolution die Neugründung der Zeitung möglich geworden. Als „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint sie ab dem 1. Juni 1848. Sie entwickelt sich zum führenden Organ der 48er Revolution. Die Redakteure sind allesamt Kommunisten. Am 19. Mai 1849 erscheint die Zeitung zum letzten Mal.
Die Redaktionsräume waren im ersten Stock des Hauses Unter Hutmacher 17. Neben dem Eingang zum Café Rosenow, Heumarkt 65, erinnert eine Tafel an die Neue Rheinische Zeitung.
Marx wohnte seinerzeit in der Cäcilienstraße 7. Das Haus steht nicht mehr. Schon 1983 hatte der Stadtrat für eine Gedenktafel votiert, aber versäumt, den Beschluss umzusetzen. Erst im August 1989 gelangt eine Gedenktafel an einen Pfeiler des VHS-Gebäudes. Es ist die Stelle, wo seinerzeit das Wohnhaus von Marx stand. Text: „Karl Marx, geb. am 5. Mai 1818 in Trier, gest. am 14. März 1883 in London, Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus...“ Letzteres scheint strittig und Grund für die jahrelange Verzögerung. Ohnehin ist die Tafel nach wenigen Wochen wieder weg. Werner Jung schreibt: „Vielleicht montierte sie ja ein Gegner des 'wissenschaftlichen Sozialismus' ab. Bis heute wurde die Tafel nicht ersetzt. Gestört hat es seitdem niemanden. Von der anderen, von der Stadtverwaltung hergestellten Tafel fehlt ebenfalls jede Spur. Auch die im Abstand von fünf Jahren abgegebenen Beteuerungen von Bezirksvertretern, da würde man aber jetzt was machen, verpufften.“ (Werner Jung, Das neuzeitliche Köln, Bachem Verlag, Köln 2004, S. 147).
Walter hat einen wunderschönen Ersatz aus Pappe gefertigt. Kurze feierliche Ansprache: Eine stabile Tafel sei nötig. Weitere Forderung: Wir brauchen ein Marx-Denkmal in Köln!
Zuvor hatten wir am Ratsturm mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen können, dass dieses bemerkenswerte Denkmal bürgerlichen Selbstbewusstseins die fortschrittlichen, sogar revolutionären Tatsachen der Kölner Geschichte nicht vergisst. Hermann Becker, dem im Kölner Kommunistenprozess von 1852 fünf Jahre Haft aufgebrummt worden sind, hat sie abgesessen. Später wird er Bürgermeister, erst in Dortmund, dann in Köln. Seine Figur ist auf der Südseite, wenn auch nicht ganz leicht, zu sehen. Auf der Ostseite, zum Altermarkt hin stehen die Figuren von Robert Blum, Mathilde Anneke, Moses Hess neben Großbürgern wie Ludolf Camphausen, Abraham Oppenheim, August Reichensperger, Karl Joseph Daniel Dumont und Gustav Mevissen. Nun ja, um die Ecke auch Friedrich Wilhelm IV. - aber brav in der Reihe neben den anderen. Am Zylinder kenntlich ist Jacques Offenbach, der 1833 nach Paris ging. Zwischen ihm und Becker steht Karl Marx. Und weiter oben, ebenfalls noch auf der Südseite: Irmgard Keun und Heinrich Böll. Rubens, der als Flüchtling in Köln einige Jahre seiner Kindheit verbracht hat, ist vom Altermarkt aus nicht zu sehen.
Nach der Aktion an der VHS verabschieden wir uns. Die Sonne scheint auf gutgelaunte Passanten. Ein schöner Maitag. Keine 100 Meter weiter Richtung Taxistand liegt ein Obdachloser schlafend neben dem Papierkorb. Am Eingang zur U-Bahn verlangen zwei Mitarbeiterinnen des Ordnungsamts in Uniform Anmeldungen und Ausweise. Sie bekommen sie. Eine Gruppe von Frauen, zwei davon im Rollstuhl, informieren über den Mangel an bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum: Im vergangenen Jahr seien in Köln auf 30 rollstuhlgerechte Neubauten 409 offizielle Neu-Anträge gekommen – aber: die neue Landesregierung hat die Quote für rollstuhlgerechte Neubauten gekippt.
Was würde Marx dazu sagen? Marktkräfte, entfesselt oder gebändigt, werden es nicht richten.