Landtagswahl in Thüringen
Zur Auswertung der Landtagswahl
in Thüringen am 27. Oktober 2019.
Kurze Einschätzung
vorgetragen im Kreisvorstand
Die relativen Zahlen sind mittlerweile geläufig. Die CDU (2014: 33,5%, 2019: 21,7%) und die SPD (2014: 12,4%, 2019: 8,2%) haben große Verluste zu verzeichnen. Es fällt nicht schwer, dafür die Politik der Bundesregierung verantwortlich zu machen. Denn diese Verluste liegen durchaus auf der Linie des republikweiten Zustimmungsschwundes für die Groko. Keine Überraschung. Keine wirkliche Überraschung sind auch die Zustimmungswerte für die Höcke-AfD: 23,4% (2014: 10,6%). Offenbar sind die Enttäuschungen der CDU- und SPD-Wähler bei der AfD als Hoffnung deponiert worden. Allenfalls sind die Zustimmungsgewinne für die Linkspartei in Höhe von 31% (2014: 28,2%) ungewöhnlich und erklärungsbedürftig. Auch die Tatsache, daß die Grünen einen halben Prozentpunkt verloren haben (2014: 5,7%; 2019 5,2%), scheint dem Trend nicht zu folgen. Die FDP hat nur knapp die Fünfprozenthürde überspringen können. Am 7. November teilte der Landeswahlleiter mit, daß die Liberalen im Vergleich zum vorläufigen Ergebnis insgesamt 68 Stimmen mehr verzeichnen können. Vor der neuerlichen Auszählung waren es zunächst mikroskopische fünf Stimmen gewesen, die den Ausschlag gaben. Das Ergebnis von 5,0% ist knapp genug, aber immerhin 2,5% mehr als 2014.
Die Prozent-Ergebnisse lassen zunächst einmal die Feststellung zu, daß das rechte Parteienlager mit 50,1% gegenüber 2014 gewonnen hat, und zwar um 3,5%. Vor fünf Jahren kamen CDU, FDP, AfD auf zusammen 46,6%. Die Koalition von SPD, Grünen und Linken, die noch 2014 mit zusammen 46,3% der Wählerstimmen die Regierung hatte bilden konnten, hat in diesem Jahr zusammen nur 44,4% (= - 1,9%) erreicht.
Es gibt aber noch weitere Kennziffern, die zur Beurteilung des Wahlergebnisses von Belang sind. Da ist zunächst einmal die Wahlbeteiligung. Sie ist von 52,7 auf 64,9 gestiegen, in absoluten Zahlen: von 954.927 auf 1.121.948 Wähler – nebenher: die Zahl der Wahlberechtigen hat sich in diesen fünf Jahren um 4,6% gemindert, um 85.000 auf 1,73 Mio. Wenn sich diese Tendenz nicht wendet, ist Thüringen in etwa 20 Jahren entvölkert.
Es lassen sich also aus der Analyse der absoluten Zahlen weitere Erkenntnisse erhoffen. Nehmen wir als Referenz die Bundestagswahlen vom 24. September 2017. Hier war die Wahlbeteiligung mit 74,3% ( = 1.312.052) am höchsten. Die CDU konnte in Thüringen noch 28,8% der Wähler (= 372.258) überzeugen und die SPD 13,2 (= 171.032). Beide zusammen kamen auf 543.290 (= 42%) Wähler. Die AfD erreichte 2017 schon 294.069 Stimmen (= 22,7%), die FDP 101.129 (= 7,8%) und die Grünen 53.340 (= 4,1%). Die Linke kam vor zwei Jahren mit 218.212 Stimmen auf 16,9%.
Die Europawahl mit einer Wahlbeteiligung von 61,5% (= 1.071.240) zeigte im Mai 2019 ein ganz anderes Bild. Die CDU rutschte mit 259.817 Stimmen auf 24,7%, die SPD mit 115.583 Stimmen auf 11,0 %. Die Zustimmung zu den Groko-Parteien lag also nur noch bei 35,7%, das sind 6,3% weniger als bei der Bundestagswahl. Unter Berücksichtigung der absoluten Zahlen sind es sogar 31% weniger Wähler (minus 167.890 von 543.290) als 20 Monate zuvor. Die FDP blieb mit 45.715 Stimmen bei 4,4% hängen, sicher ein Lindner-Effekt. Die Verluste der etablierten Parteien hat aber die Höcke-Partei nicht als Gewinn verbuchen können. Sie kam im Mai 2019 – es sind selbstverständich immer noch zu viele – auf 236.579 Stimmen (= 22,5%), aber 57.490 weniger (= 19,5%) als zur Bundestagswahl.
Wir werden uns erinnern, strahlender Sieger des Mai waren die Grünen angesichts des Höhepunkts der Klimadebatte. Die Grünen in Thüringen konnten mit 90.409 Stimmen (= 8,6%) von diesem Trend in einem gewissen Maße profitieren. Aber sie haben das Niveau der Zustimmung zu ihrer Klimapolitik nicht halten können. Im Verhältnis zum Mai verloren sie im Oktober 32.924 Stimmen = 36,4% weniger.
Und beiläufig: Ihre 57.485 Stimmen haben zwar nur 5,2% gebracht, tatsächlich aber waren es in absoluten Zahlen mehr Stimmen als 2014. Die damalige Zahl von 53.407 Stimmen schlug mit 5,7% zu Buche.
Und die AfD ist aus ihrer Delle nicht so recht herausgekommen. Sie blieb am 27. Oktober bei 259.359 Stimmen = 23,4%. Das ergibt beim Blick auf die absoluten Zahlen der Bundestagswahlen immerhin eine um 34.710 = 11,8% geringere Summe (294.069 = 22,7%).
Ein solches Ergebnis für die AfD soll uns nicht beruhigen, kann aber deutlich machen, daß soziale und demokratische Bewegungen imstande sind, die Rechtsentwicklung zu stoppen und zurückzudrängen.
Im übrigen: die Wählerwanderung ist erheblich. Die Zustimmung fragil.
Beim Blick auf die absoluten Zahlen erscheinen auch die Zuwächse der Linkspartei eindrucksvoller. Bei den Bundestagswahlen konnte sie 218.212 Stimmen = 16,9% auf sich vereinigen, im Mai 2019 verlor sie davon 33,6% bzw. 73.346 Stimmen. Aber im Verhältnis zu den Landtagswahlen 2014 konnte sie ihre Stimmenzahl 2019 wieder um 78.308, also um 29,5%, das ist fast wieder ein Drittel im Verhältnis zu den absoluten Zahlen von 2014, erhöhen.
Die Gründe dafür erschließen sich nicht ohne weiteres, zumal wir häufiger vom Opportunismus der Thüringer Linken erfahren, Thema Verfassungsschutz, Aussagen über die DDR als Unrechsstaat u.ä. Was sie zum Thema Wohnungen, Verkehr, Bildung, Kultur und in der Sozialpolitik etc. machen, erfahren wir weniger. So teilt auch niemand mit, warum die Linkspartei mehr Zustimmung in Thüringen erhält als in anderen Ländern auf dem Gebiet der DDR. An die gängigen Mystifikationen möchte ich mich nicht halten. Den exklusiven Effekt eines Persönlichkeitszaubers von Ramelow dürfen wir wohl ausschließen.
Zuletzt noch einige Bemerkungen zur Situation im Landtag. 2014 sind dort 91 Sitze angefallen, eine Mehrheit benötigte folglich 46 Sitze. Die brachte die Koalition von Linken (28), SPD (12) und Grünen (6) zustande. 2019 sind es 90 Sitze, auch damit ist eine Mehrheit nur mit 46 Sitzen möglich. Die Linke hat 29 (+1), die SPD 8 (-4), die Grünen 5 (-1), zusammen sind das 42 Sitze. CDU kommt auf 21 (-1), die AfD auf 22 (+1), gemeinsam verfügen sie über 43 Sitze, die FDP in ihrem Glück könnte noch fünf Sitze beisteuern. Das ist die Situation, in der Phantasien gedeihen von einer rechten Koalition oder gar von einer mit CDU und Linken, die allein auf 50 Sitze käme. Bodo Ramelow indes träumt wohl von einer Minderheitsregierung an der kurzen Leine der CDU.
Unsere Partei hat zur Landtagswahl nicht kandidiert. Bei den Europawahlen im Mai erzielte sie in Thüringen 1143 Stimmen = 0,1%.
Klaus, 12. November 2019
Grafik: Wikipedia