Die EZB druckt keine 500-Euro-Scheine mehr.
Was steckt hinter den Absichten zur Beschränkung oder gar Abschaffung des Bargelds?
Kurze Einschätzung auf der MV der DKP Köln Innenstadt
Bekannt ist die Anekdote von der Oma, die ihr gesamtes Geld abheben will. Der Bankangestellte will es nicht glauben und fragt noch mal nach. Die alte Dame beharrt auf der Auszahlung ihrer Spareinlagen, nehmen wir mal an, von 12 000 Euro. Also zahlt der Kassierer das Geld vollständig aus, woraufhin die betagte Kundin die Scheine nachzählt und dem Kassierer mit Dank zurückreicht. Sie habe nur mal nachsehen wollen, ob ihr Geld noch da ist.
Der Witz liegt in der Verkennung des Bankgeschäfts, das darin besteht, dass die Bank mit anderer Leute Geld handelt. Wenn alle Einlagen kurzfristig abgezogen werden, wird die Bank insolvent. Schon das Gerücht über drohende Involvenz kann dazu führen, daß es wahr wird, beschleunigt durch den Grundsatz, wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Solche Bankenstürme, „Bank Runs“, hat es in der letzten Zeit einige gegeben. Andere konnten nur knapp verhindert werden.
Northern Rock, eine britische Bank, geriet im Zuge der Krise von 2007 in Refinanzierungsschwierigkeiten. Vom Freitag, den 14. September, bis Montag, den 17. September 2007, hoben die Kunden etwa zwei Milliarden Pfund von Konten der Bank ab, so dass am 17. September die Schalteröffnungszeiten verlängert werden mussten, um dem Ansturm verängstigter Anleger Herr zu werden. Der britische Finanzminister Alistair Darling musste eine staatliche Garantie abgeben. Ein halbes Jahr später wurde die Bank verstaatlicht, die abgespaltenen Bereiche mit den uneinbringlichen Krediten sind es heute noch.
Im Herbst 2008 wurde die Schweizerische UBS Opfer eines Bank Run. Innerhalb von kurzer Frist wurden 25 Mrd Schweizer Franken abgezogen. Die Schweizerische Eidgenossenschaft und ihre Zentralbank konnten schließlich mit einem Notfallplan die Liquidität der Bank gewährleisten.
Am 12. Juni 2014 berichtete die FAZ, wie die EZB im Jahre 2012 mittels dreier Flugzeuge voller Bargeld Griechenland von einem Bank Run bewahrt hat. Millionen 50- und 100-Euro-Scheine seien mit drei Flügen von Transportmaschinen der griechischen Luftwaffe vom Typ Hercules C-130 aus Rom und Wien gekommen. Viele Griechen hatten fast täglich den höchstmöglichen Betrag an den Bankautomaten abgehoben. Den Höhepunkt stellten die beiden Tage unmittelbar vor den griechischen Parlamentswahlen am Sonntag, den 17. Juni 2012, dar. Es drohte eine Panik. Damals hoben Sparer 3,5 Milliarden Euro ab.
Sogenannte Einlagensicherungen sollen einen Bank Run verhindern. Sie haben vor allem den Zweck, Vertrauen herzustellen, der sich selbst erfüllenden Prophezeiung vorzubeugen. Wenn das nichts nützt, wird angekündigt, bei einer bestimmten Sperrschwelle die Zahlungen auszusetzen. Auch diese Maßnahme ist gegenüber einer Panik von begrenzter Wirksamkeit. Schließlich bleibt nur noch die Schließung der Banken, wie es im Zusammenhang mit dem Referendum im Juli vergangenen Jahres in Griechenland geschehen ist. Es wird einfach verhindert, daß Bargeld abgehoben oder ausgezahlt wird.
Der Blick auf solche Ereignisse erhellt vielleicht den Zweck der vollständigen Abschaffung von Bargeld, die gegenwärtig diskutiert wird. Die EZB will sie. Zunächst werden keine 500-Euro-Scheine mehr gedruckt. Begründung: der 500-Euro-Schein spiele eine große Rolle für kriminelle Geschäfte.
Die FAZ am 16. Februar (Druckausgabe) verweist auf Kritiker der Maßnahme. Ein Ende der 500er-Note könne der erste Schritt hin zu einer kompletten Abschaffung des Bargelds sein.
„Nach EZB-Angaben gab es Ende 2015 rund 614 Millionen der violetten Scheine im Wert von 307 Milliarden Euro. Rund ein Viertel der 500-Euro-Scheine könnte außerhalb ders Euroraums gehortet sein, schätzt die Zentralbank. Insgesamt sind Eurogeldscheine im Wert von rund einer Billion Euro im Umlauf. Davon macht der violette Schein somit rund ein Drittel aus. Das Banknotenvolumen habe in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Während der Euro-Krise gab es einen Sprung in der Nachfrage nach den größten Scheinen, als verunsicherte Kunden ihre Bankkonten leerräumten.“
Schattenwirtschaftsfachmann Friedrich Schneider von der Universität Linz ebenso wie Bundesbankchef Jens Weidmann bezweifeln, dass eine Abschaffung großer Banknoten Kriminalität und Schattenwirtschaft behindern könnten.
Wenn aber mit diesem Mittel illegale Geschäfte nicht einzudämmen sind, was ist der tatsächliche Zweck dieser Maßnahme? Die FAZ vom 17. Februar (online) verweist auf Hans-Werner Sinn. Er rechne für den Fall der Bargeldabschaffung vor, wie die EZB die Strafzinsen für Banken erhöhen könne. Zum Thema Vorbeugung gegen Bank Runs lassen zwar weder Hans-Werner Sinn noch die FAZ etwas verlauten. Allerdings fällt die Gleichzeitigkeit aktueller Wertverluste der Banken bei der Diskussion ums Bargeld auf.
Klaus Stein, 16. Februar 2016
Zur abgebildeten Banknote: Dieses Werk stellt eine Abbildung einer durch die Europäische Zentralbank (EZB) herausgegebenen Banknote dar. Das graphische Design ist durch die EZB urheberrechtlich geschützt, „darf [jedoch] ohne vorherige Genehmigung der EZB verwendet werden [...], solange Reproduktionen in der Werbung oder in Illustrationen nicht mit echten Banknoten verwechselt werden können.“ (EZB/2003/4 und EZB/2003/5 vom 20. März 2003)