Geschichte der Friedensbewegung

Geschichte der bundesdeutschen Friedensbewegung und ihrer Wirkungen


Foto: Friedensdemonstration 10.10.1981 in Bonn mit Gewerkschaftern der Gewerkschaft HBV Hamburg, Public Domain

Friedensdemagogie der Nazis
Seit dem Ende des Ersten Weltkrieg war gerade mal 21 Jahre vergangen, als sich die deutsche Bevölkerung in den Zweiten hetzen ließ. Es wurde viel gelogen. Am 17. März 1933, noch vor dem Ermächtigungsgesetz vom 23. März, stellte Hitler vor dem Reichstag die Nazibewegung als eine Bewegung dar, die einzig dem Frieden verpflichtet sei. Er wolle die bestehenden Verträge beachten. Allein auf dem Verhandlungswege strebe er eine Revision des Versailler Vertrages an.

"Indem wir in grenzenloser Liebe und Treue an unserem eigenen Volkstum hängen, respektieren wir die nationalen Rechte auch der anderen Völker und möchten aus tiefinnerstem Herzen mit ihnen in Frieden und Freundschaft leben."
Einige Monate danach, am 10. Novemer 1933, sprach Hitler vor Siemensarbeitern. Der Film darüber wird verbreitet mit dem Rolltitel: „Zehntausend Siemens Arbeitskameraden, Männer und Frauen, haben am 10. November im Dynamowerk den Führer sehen und hören dürfen bei seinem letzten großen Aufruf des deutschen Volkes zum einmütigen Bekenntnis für einen Welt-Frieden in Ehre und Gleichberechtigung.“ Goebbels sagte bei dieser Gelegenheit: "Mein Führer! Das deutsche Volk gelobt Ihnen, in unerschütterlicher Treue in diesem Kampfe hinter Ihnen zu stehen und komme, was kommen mag, die deutsche Ehre, die deutsche gleiche Berechtigung und den Frieden Europas zu verteidigen."
Sechs Jahre später, am 1. September 1939, begann der Krieg. Angeblicher Grund war der Überfall auf den Sender Gleiwitz (Hitler: „Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen.“). Eine Lüge, aber offenkundig war zu diesem Zeitpunkt die Kriegsbereitschaft in der Bevölkerung den Nazis immer noch unzureichend.
Aber der Blutdurst des Kapitalismus ist gewaltig. Vor allem, wenn es gegen den Sozialismus und um die Wahrung des Privateigentums an Produktionsmitteln geht. Der Zweite Weltkrieg nahm seinen Lauf, er kostete 65 Millionen Menschen das Leben. Seit dem 8. Mai 1945 feiern wir jährlich sein Ende.

Kampf gegen Atomwaffen
Aber schon am 6. und 9. August 1945, unmittelbar nach der Potsdamer Konferenz, wirft die US-Luftwaffe Atombomben auf die Städte Hiroshima und Nagasaki. Diese Demonstration militärischer Überlegenheit ist weniger gegen das längst besiegte Japan gerichtet als gegen die UdSSR.
Bereits im Dezember 1945 wird unter der Leitung von General Dwight D. Eisenhower ein
Kriegsplan gegen die UdSSR, die „Operation Totality“ (JIC 329/1) ausgearbeitet.
Dieser Plan sieht den Abwurf von 30 Atombomben auf 20 sowjetische Städte vor, unter anderem auf Moskau und Leningrad. Drei Jahre später sind es schon 133 Atombomben, die auf sowjetische Städte fallen sollen. Die US-Strategie sieht ausdrücklich den atomaren Präventivschlag (First Strike) vor.
Am 4. April 1949, wenige Tage vor der Gründung der Bundesrepublik, wird die NATO aus der Taufe gehoben. In der Präambel des Nordatlantik-Vertrags heißt es: „(Die Parteien dieses Vertrags) sind entschlossen, ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu vereinigen.“
Mit Artikel 1 verpflichten sich die vertragsschließenden Parteien, „in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen, jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, daß der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind.“ Aber die Grundlage des NATO-Vertrags ist die offenkundige Feindschaft gegen die UdSSR. Ihr, der UdSSR, werden expansive Absichten unterstellt. Angesichts dessen beschleunigt die Sowjetunion ihre Bemühungen, eine eigene Atombombe zu entwickeln. Das Gegenstück zur NATO, das Militärbündnis der Staaten des Warschauer Vertrags, kommt erst am 4. Juni 1955 zustande.
Ein Krieg gegen die Sowjetunion, dem Verbündeten in der Anti-Hitler-Koaltion, ist aber trotz der Kriegsrhetorik des Westens samt Roll-Back-Strategie mit den Bevölkerungen der westlichen Siegermächte nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs nicht zu machen. Zu groß ist die Kriegsmüdigkeit. Zu stark verankert sind antifaschistische Einstellungen. Die Sowjetunion genießt hohe Sympathiewerte in der US-Bevölkerung. Ihr muss der Antikommunismus eines McCarthy erst noch eingetrichtert werden.

Am 20. April 1949, 16 Tage nach Gründung der NATO treffen sich 2000 Delegierte aus 72 Ländern in der Salle Pleyel in Paris zum Weltkongress der Kämpfer für den Frieden. Präsident des Kongresses ist Frédéric Joliot-Curie. Pablo Picasso ist delegiert. Von ihm stammt die Friedenstaube, das Kongressemblem. Aus dem Pariser Weltfriedenskongress geht der Weltfriedensrat hervor. Ein Jahr später tagen in Stockholm die Kämpfer für den Frieden. Den Stockholmer Appell zur Ächtung der Atombombe und speziell zur Verurteilung des Ersteinsatzes von Atomwaffen vom 19. März 1950 unterzeichnen über 500 Millionen Menschen. 2,2 Millionen Unterschriften kommen aus der jungen Bundesrepublik.

Schon am 5. Mai 1949 ist das Westdeutsche Friedenskomitee gegründet worden, noch vor der Gründung der BRD. Es wird Teil des Weltfriedensrates, der im November 1950 auf dem zweiten Weltfriedenskongress in Warschau ins Leben gerufen wird.

Am 29. August 1949 kann die UdSSR eine eigene Atombombe zünden. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Weltfriedensbewegung zur Sicherung des Frieden politisch beitragen können. Durch die Brechung des US-Atombombenmonopols ist nunmehr zudem die imperialistische Aggressionspolitik mit hohen militärischen Risiken verbunden.

Wiederbewaffnung
Bundeskanzler Konrad Adenauer richtet im Mai 1950 mit dem Tarnnamen „Zentrale für Heimatdienst“ (ZfH) ein Gremium von hohen Wehrmachtsoffizieren ein, das die Wiederbewaffnung planen und mit westlichen Militärs diskutieren soll.
Im Kloster Walberberg, zwischen Köln und Bonn, findet bereits Ende August 1950 das erste Treffen eines Ausschusses für Sicherheitsfragen statt. Adenauer stützt sich dabei auf die Erfahrungen hoher Nazimilitärs. Ein erweitertes Gremium kommt schließlich im Oktober 1950 im Kloster Himmerod zusammen. Es geht darum, zur Vorbereitung der deutschen Wiederbewaffnung ein Konzept für Rüstung und Organisation, Ausstattung und Ausrüstung der künftigen deutschen Streitkräfte zu erstellen. Ergebnis ist die Himmeroder Denkschrift, Blaupause für eine Bundeswehr. Der damalige Innenminister Gustav Heinemann tritt aus Protest am 9. Oktober 1950 zurück, verlässt 1952 die CDU.

Friedensbewegung in den fünfziger Jahren
In der jungen Bundesrepublik entwickeln sich außerparlamentarische Kampagnen gegen die Wiederbewaffung und den drohenden Atomkrieg. Dem Stockholmer Appel folgt die politisch heterogene Ohne-mich-Bewegung, die man als breite bürgerliche Alternative zum Weltfriedensrat verstehen darf.
Es kommt aber auch zur Volksbefragungsbewegung 1951/52. Sie kämpft gegen die Wiederaufrüstung. Einer ihrer Protagonisten ist Pastor Martin Niemöller.. Trotz des Verbots der Aktion durch den neuen Innenminister Robert Lehr im April 1951 können fast 6 Millionen Unterschriften gesammelt werden.

Die Paulskirchenbewegung ist die vierte außerparlamentarische Kampagne in dieser Reihe, viele Sozialdemokraten und Gewerkschafter beteiligten sich. Sie wenden sich gegen die Pariser Verträge. Belgien, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, GB und Nordirland hatten am 23. Oktober 1954 zusammen mit der Bundesrepublik zugestimmt. Im „Deutschen Manifest" der Paulskirchenbewegung vom 29. Januar 1955 heißt es: „Die Antwort auf die deutsche Schicksalsfrage der Gegenwart — ob unser Volk in Frieden und Freiheit wiedervereinigt werden kann oder ob es in dem unnatürlichen Zustand der staatlichen Aufspaltung und in einer fortschreitenden menschlichen Entfremdung leben muß — hängt heute in erster Linie von der Entscheidung über die Pariser Verträge ab. Die Aufstellung deutscher Streitkräfte in der Bundesrepublik und in der Sowjetzone muß die Chancen der Wiedervereinigung auf unabsehbare Zeit auslöschen ..".
Die Pariser Verträge krönt der NATO-Vertrag, dem die Bundesrepublik Deutschland trotz einer starken politischen Opposition am 5. Mai 1955 beitritt.

Die Adenauerregierung, in der eine Reihe alter Nazis wirkt, führt den Kampf gegen die Friedensbewegung, insbesondere gegen die hier engagierten Kommunisten, mit harten Bandagen. 1951 wird die FDJ verboten. Der sogenannte Adenauererlass vom 19. September 1950 sorgt für Berufsverbote für Kommunisten, Antifaschisten und andere Linke.
Gegen den EVG-Vertrag, der am 26. Mai 1952 unterzeichnet werden soll, will am 11. Mai 1952 die „Jugendkarawane gegen Wiederaufrüstung und Generalvertrag“ in Essen demonstrieren. Am 10. Mai verbietet der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold (CDU), der zugleich Ministerpräsident ist, die Demonstration. 30.000 Menschen organisieren an verschiedenen Orten in Essen kleinere Veranstaltungen. Meist werden sie von der Polizei aufgelöst. Aber vor der Grugahalle widersetzen sich Demonstranten den Aufforderungen der Polizei. Kommissar Knobloch erteilt Schießbefehl. Zwei Kugeln eines Polizisten treffen Philipp Müller, eine davon geht ins Herz, ist tödlich. Durch Polizeikugeln schwer verletzt werden außerdem der Sozialdemokrat Bernhard Schwarze aus Münster und der parteilose Gewerkschafter Albert Bretthauer aus Kassel.
Die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Armee durch eine EVG indes gelingt nicht. Sie scheitert am Ende an der französischen Nationalversammlung, die die Ratifizierung des EVG-Vertrags am 30. August 1954 ablehnt.

In der Tat braucht die Remilitarisierung Jahre. Die Tätigkeit von Kommunisten wird massiv behindert und schließlich verboten. Die Wiederaufrüstung kann nur mit rücksichtslosem Antikommunismus durchgesetzt werden. Die Allgemeine Wehrpflicht wird im Juli 1956 eingeführt, das Verbot der KPD folgt fast gleichzeitig im August 1956.

„Weiterentwicklung der Artillerie“
Ende 1956 wird ruchbar, dass die Bundeswehr mit amerikanischen Atomwaffen ausgerüstet werden soll. Adenauer erklärt am 5. April 1957 auf einer Pressekonferenz, die neue Generation von taktischen Nuklearwaffen sei „nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie. Selbstverständlich können wir nicht darauf verzichten, dass unsere Truppen auch in der normalen Bewaffnung die neueste Entwicklung mitmachen.“

Eine Woche später, am 12. April 1957, veröffentlichen 18 Professoren, die meisten von ihnen Atomphysiker, die „Göttinger Erklärung“, in der sie sich vehement gegen eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr aussprechen. Max Born, Otto Hahn, Werner Heisenberg, Max von Laue, Carl Friedrich von Weizsäcker und andere betonen, dass „jede einzelne taktische Atomwaffe oder -granate“ ähnliche Wirkung wie die erste auf Hiroshima abgeworfene Atombombe habe.
Die Unterzeichner, unter ihnen vier Nobelpreisträger, seien nicht bereit, sich an der Herstellung, Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen zu beteiligen. Sie werden zu Zeugen einer weitreichenden Bewegung „Kampf dem Atomtod“.

Am 19. Dezember 1957 beschließt der NATO-Rat, in Europa Mittelstreckenraketen mit atomaren Sprengköpfen aufzustellen, und am 25. Februar 1958 spricht sich NATO-Oberbefehlshaber General Lauris Norstad öffentlich für die atomare Bewaffnung der Bundeswehr aus.
Adenauers Forderung nach einem alleinigen Zugriff auf Atomsprengköpfe wird indes von den USA abgewiesen. Aber bis heute liegen atomare Sprengköpfe im Rahmen der Nuklearen Teilhabe gemeinsam bewacht von Deutschen und Amerikanern in Büchel parat, neuerdings auch in Nörvenich. Und beiläufig: Auf dem Gelände der ehemaligen Raketenstation Hombroich in Neuß wird heute allerlei Kunst präsentiert. Aber bis 1990 befanden sich hier drei Abschussbasen für Nike-Hercules-Raketen mit einer Reichweite von 150 km. Bestückt waren die Raketen mit dem Nuklearsprengstoff W31. Die Raketenstation betrieben zwischen 1968 und 1985 die belgische Luftwaffe und US-amerikanische Soldaten. In den achtziger Jahren organisierte die Friedensbewegung hier Sitzblockaden und Demonstrationen, zuletzt im Januar 1984. Erst im Zuge der Umsetzung des INF-Vertrages wurden die Raketen 1988 demontiert und abtransportiert.

Im Jahr 1958 organisiert die Kampagne „Kampf dem Atomtod“ Massendemonstrationen gegen die beabsichtigte nukleare Bewaffnung der Bundeswehr. Sie wird von SPD, Kirchen und Gewerkschaften unterstützt. Dennoch beschließt der Bundestag am 25. März 1958 gegen die Stimmen der SPD- und FDP-Abgeordneten die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen. Am 17. April 1958 finden Demonstrationen in Bremen, Kiel, München, Mannheim, Dortmund Essen und Hamburg statt. In Hamburg stehen die meisten städtischen Verkehrsmittel fast eine Stunde still, um ihren Mitarbeitern die Teilnahme zu ermöglichen. Es ist die bis dahin größte politische Demonstration der Nachkriegszeit mit weit über 120.000 Teilnehmern. Im Frühjahr 1958 erreichen die Massenkundgebungen insgesamt etwa 1,5 Millionen Teilnehmer.

Das Bundesverfassungsgericht erklärt im Juli 1958 eine allgemeine Volksbefragung zur Atombewaffnung für grundgesetzwidrig.
Die SPD zieht sich 1959 aus der Kampagne zurück.

Kriminalisierung des Friedenskampfes
Am 17. Januar 1959 wird die Anklageschrift gegen die Angehörigen des Friedenskomitees der BRD (vormals Westdeutsches Friedenskomitee) zugestellt. Angeklagt wurden Johannes Oberhof, Pfarrer und Verlagslektor, Erwin Eckert, Schriftsteller und ehemaliger Pfarrer, die frühere SPD-Stadträtin Edith Hoereth-Menge, der Diplomdolmetscher Walter Diehl, der Verlagsleiter Gerhard Wohlrath, der Kaufmann Gustav Thiefes, der Versicherungsangestellte Erich Kompalla. Sie werden angeklagt, „in Düsseldorf und anderen Orten im In- und Ausland seit 1951 fortgesetzt und gemeinschaftlich durch dieselbe Handlung a) die Bestrebungen einer Vereinigung, deren Zwecke oder deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, als Rädelsführer gefördert zu haben, b) an einer Verbindung teilgenommen zu haben, deren Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll, und zwar als Vorsteher, c) eine Vereinigung gegründet zu haben, deren Zweck oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, strafbare Handlungen zu begehen, oder sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt zu haben, wobei die Angeschuldigten zu den Rädelsführern gehörten, wobei ferner die Verfehlungn zu b) und c) in der Absicht begangen wurden, die in § 88 StGB bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben oder eine solche Bestrebung zu fördern.“
Verboten wird das Friedenskomitee am 2. März 1959.
Gegen die Angeklagten wird am 10. November 1959 das Strafverfahren vor einer Sonderstrafkammer in Düsseldorf eröffnet. Es dauert 56 Verhandlungstage, bis zum 8. April 1960. Die Delinquenten werden durch den Generalbundesanwalt wegen ihres Engagements im Friedenskomitee der Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation angeklagt. Dies wird insbesondere damit begründet, dass einige der Angeklagten der inzwischen verbotenen KPD angehört hatten. Ihre Aktivitäten für den Frieden seien demnach nur Tarnung für das vom Generalbundesanwalt angenommene eigentliche Ziel der „Errichtung eines kommunistischen Regimes in der Bundesrepublik“.
Angesichts eine aufmerksamen internationalen Öffentlichkeit gibt es relativ milde Strafen. Oberhof bekommt 3 Monate, Wohlrath 6 Monate, Diehl 1 Jahr, Eckert 9 Monate, Thiefes 5 Monate, Kompalla 500 Mark Strafe. Alle Strafen zur Bewährung, auch die von Diehl, für den indes eine nachträgliche Verhandlung notwendig wird. Frau Hoereth-Menge stirbt 10 Tage nach der Urteilsverkündung.
Am 8. April 1960 werden die Urteile gegen die Angehörigen des Friedenskomitees der BRD in Düsseldorf verkündet. Die Rechtsanwälte Walther Ammann, Diether Posser, Friedrich Karl Kaul, der britische Kronanwalt Denis Nowell Pritt und Heinrich Hannover können sich mit ihrem Versuch, die von der Anklage kritisierten Aussagen über die „Remilitarisierung der Bundesrepublik“ durch offizielle Dokumente der Politik zu belegen, nicht durchsetzen. Die Beweisanträge werden fast vollständig abgelehnt, so dass sich das Gericht bei seiner Urteilsfindung letztendlich von vagen Behauptungen der „Offenkundigkeit“ leiten läßt (z.B.: es sei offenkundig, dass die Bundesregierung die Grundsätze der friedlichen Koexistenz nicht ablehne). Auch renommierte Entlastungszeugen, zu denen u. a. Gustav Heinemann und Martin Niemöller gehören, können das Urteil nicht verhindern. Als Erfolg indes darf gewertet werden, dass die Angeklagten bis auf Walter Diehl, der ein Jahr Gefängnis erhält, nur zu Bewährungsstrafen verurteilt werden. Der Prozess erregt im Ausland großes Aufsehen, ist doch die Bundesrepublik neben Spanien unter Franco das einzige Land, das die Arbeit der Sektionen des Friedenskomitees behindert.

Am Ostermontag 1960 endet der erste Ostermarsch mit rund 1200 Teilnehmern beim Truppenübungsplatz Bergen-Hohne. Danach werden in Hannover für 1961 weitere Ostermärsche verabredet. Die jährliche Teilnehmerzahl steigt bis 1968 auf 300.000 an. Zuletzt werden die Ostermärsche unter dem Namen „Kampagne für Demokratie und Abrüstung“ organisiert. Ende der sechziger Jahre drängt sich der Vietnamkrieg ins öffentliche Bewusstsein und sorgt für eine starke Protestbewegung, die eine eigene Darstellung verdient hätte.
Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer steigt in den sechziger Jahren dramatisch an.

Mittelstreckenraketen
Mir geht es zuletzt um den Doppelbeschluss der NATO vom 12. Dezember 1979. Die NATO will 198 neue mit Atomsprengköpfen bestückte Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II und 464 Marschflugkörper in Westeuropa aufstellen. Dagegen richtet sich der Krefelder Appell vom 16. November 1980. Die Bundesregierung wird aufgefordert, ihre Zustimmung zur Stationierung von Pershing-II-Raketen und Marschflugkörpern in Mitteleuropa zurückzuziehen. Schon nach sechs Monaten hatten rund 800.000 Menschen den Appell unterschrieben, bis 1983 sogar über vier Millionen. Selbstverständlich lehnen die im Bundestag vertretenen Parteien den Appell ab. Häufig mit Hinweise auf den Einfluss der DKP in der Kampagne.
Indes sind diese Hinweise sachlich richtig. Ich kann mich an eine Düsseldorfer Kreisvorstandssitzung vom 7. Januar 1981 erinnern. Nach einem Referat über die internationale Lage und die Raketen wurde das Konzept beraten. Es ging um die Planung konkreter Zahlen bei der Sammlung von Unterschriften zum Krefelder Appell. Zu diesem Zeitpunkt reichten uns noch 15.000. Später wurden es 40.000. Sie waren Anlass zur Gründung von Friedensgruppen, zunächst stadtteilbezogen, dann auch berufsbezogen. 1983 gab es 40 Friedensgruppen in Düsseldorf. Aber ich weiß, dass die DKP in Köln nicht anderes vorgegangen ist.
Der Verlag Pahl-Rugenstein verbreitet damals den Text des Pentagon-Strategen Colin S. Gray. Der glaubt, in einem Atomkrieg durch einen Überraschungsangriff die Chance zur Zerstörung der sowjetischen Kommandozentralen zu haben und sowjetische Vergeltungsschläge auf Europa begrenzen zu können. 1983 verkündet US-Präsident Ronald Reagan seine Strategic Defense Initiative (SDI), die darauf hinausläuft, das Territorium der USA mit Hilfe von Anti-Raketen-Raketen und weltraumgestützten Laserwaffen unverwundbar zu machen.
In den DGB-Gewerkschaften wächst die Ablehnung des sogenannten Nachrüstungsbeschlusses. Immer stärker wird der Ruf nach Abrüstung bzw. Konversion der Rüstungsproduktion.
Am 10. Oktober 1981 demonstrieren im Bonner Hofgarten mehr als 300.000 Menschen friedlich gegen Atomwaffen. Die Polzei hatte den Einzelhandel gewarnt. Viele Läden nageln ihre Schaufenster mit Brettern zu. Bei späteren Friedensdemonstrationen in Bonn sind derartige Ängste nicht mehr wahrzunehmen.
Am 25. Oktober 1981 demonstrieren 200.000 Menschen in Brüssel, am 21. November 400.000 Menschen in Amsterdam. Anlässlich eines Staatsbesuches von US-Präsident Ronald Reagan wird wieder massenhaft demonstriert, allein am 10. Juni 1982 finden sich auf den Bonner Rheinwiesen 500.000 Menschen ein. Fast die Hälfte meines Kollegiums ist dabei. Auf den Autobahnen rund um Bonn stauen sich immer noch ankommende Busse, als die Demonstration selbst schon beendet ist.
Am 22. Oktober 1983 demonstrieren in Bonn, Berlin, Hamburg sowie zwischen Stuttgart und Ulm insgesamt 1,3 Millionen Menschen. Zwischen Stuttgart und Ulm entsteht eine durchgehende Menschenkette. Weitere Großdemonstrationen folgen in Brüssel (am 23. Oktober 1983, mit 400.000 Menschen) und in Den Haag (am 29. Oktober 1983, mit 550.000 Menschen).
Als im Hunsrück 1986 – von US-Streitkräften bewacht – 96 abschussbereite Cruise Missiles mit Atomsprengköpfen stationiert werden, gipfelt der Protest der Bevölkerung am 11. Oktober 1986 in der größten Demonstration im Hunsrück. Rund 200.000 Menschen protestieren.
Die Friedensbewegung führt unter anderem 1980 zur Gründung der Partei der Grünen.
Wichtig ist aber auch, ohne die Friedensbewegung hätte es den INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces-Vertrag) von 1987 nicht gegeben. Der Vertrag verbietet den Vertragsparteien erstmals komplette Waffenkategorien. Der Vertrag ist zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossen worden. Es ist der bis dahin strikteste und genaueste Vertrag zur Kontrolle von Atomwaffen und sieht vor, bodengebundene Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper der Reichweite 500 bis 5.000 Kilometer vollständig zu vernichten. Bereits stationierte Systeme, die Operationsinfrastruktur und Produktionsbasis sollen innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten zerstört werden. Weiterhin werden sowohl der Besitz, als auch die Benutzung solcher Waffen grundsätzlich untersagt. Im April und Mai 1991 geben die USA und Russland bekannt, dass sie alle Intermediate Range Nuclear Weapons vernichtet haben, insgesamt 2,692 Marschflugkörper.
Aber am 1. Februar 2019 erklären die USA offiziell den Ausstieg aus dem INF-Abrüstungsvertrag.

In dieser kurzen Darstellung der Geschichte der Friedensbewegung fehlt einiges. Etwa die Wirkungen von Kubakrise und SPIEGEL-Affäre 1962 auf die öffentliche Diskussion über Atombewaffnung. Vor allem fehlen die Aktionen gegen den Golfkrieg 1990/91 und den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, der im Frühjahr 1999 in einen wochenlangen Bombenkrieg gegen Restjugoslawien mündete.

Aber an eine der größten Aktionen will ich noch erinnern. Sie richtete sich gegen den drohenden Irakkrieg 2003. Am 15. Februar 2003 demonstrierten, koordiniert in einer weltweiten Kampagne des Europäischen Sozialforums, neun bis zehn Millionen Menschen. Die Manifestationen fanden in vielen Großstädten statt, u. a. in London, Rom, Madrid und Barcelona. In Berlin war eine halbe Million Menschen auf der Straße.
Sie konnten aber die USA nicht von ihrem den Krieg gegen den Irak abhalten. Er begann am 20. März 2003.

Klaus, MV der DKP Köln Innenstadt, 30. September 2024

 


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