Eine viertel Million Menschen gegen TTIP und CETA

250 Tausend Demonstranten

Eine viertel Million Menschen stehen auf gegen TTIP und CETA, das war eine beeindruckende, bunte, vielfältige Demo am gestrigen Samstag in Berlin - einer der größten Massenproteste der vergangenen Jahre. Doch die Demo ist nur eine Etappe in der Verteidigung von Demokratie, öffentlicher Daseinsvorsorge und Umweltschutz gegen die Vormacht der Konzerne.
Mit der Demo von 250.000 Menschen ist der Widerstand gegen „Frei"handelsabkommen wie TTIP und CETA unübersehbar geworden!
TTIP und CETA segeln aber vor allem unter der Flagge des „Freihandels“. „Freihandel nutzt allen“, heißt die wenig widersprochene Parole der Marktradikalen. Adam Smith habe das schon gewusst. Nun gibt es im Raum der TTIP und CETA-Abkommen kaum Handels- und Kapitalverkehrshindernisse abzubauen. Die Propaganda ist hier ebenso irreal wie der davon versprochene Wirtschaftsaufschwung.


Adam Smith, der „zusammenfassende politische Ökonom der Manufakturperiode“ (Marx) schrieb gegen den Merkantilismus des feudalen Absolutismus an, der die aufkommende Industrie zu gängeln und auszubeuten trachtete. Seine Forderung nach „Freihandel“ hat hier ihren Platz. Der heutige Welthandel wird von riesigen, international investierenden Konzernen dominiert. Die Forderung nach Freihandel hat hier eine entwaffnende Funktion. Spätestens seit der Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium trat, bedeutet zwischenstaatlicher Freihandel die Durchsetzung des ökonomischen Faustrechts des Stärkeren. „Ein Kapitalist schlägt viele tot“ (Marx). National wie international.
Selbstredend ist das auch den großen „Freihandels“-Propheten bewusst. Auch England und die USA waren streng protektionistisch, bis ihnen die industrielle Revolution, ab Mitte des 19. Jahrhundert, den nötigen Konkurrenzvorteil verschaffte. Auch heute sind die USA und die EU ganz selbstverständlich protektionistisch, wenn sie es für opportun halten. Beispielsweise auf dem Solarmarkt. Im Mai 2012 führten die USA Strafzölle von 31 Prozent bis 250 Prozent auf chinesische Solarpaneelen ein. Die EU zog nach.
Beide imperialen Großräume subventionieren massiv ihre Landwirtschaft. „Freihandel“ ist eine neoliberale Propagandablase. Handelskonditionen sind konkurrenzentscheidend. Sie werden auf dem Wege der Durchsetzung von Macht entschieden.
Das noble England erzwang sich seinen Zugang zum chinesischen Markt in zwei Opiumkriegen (1839-42 und 1858-60), um als Top-Großdealer mit Millionen Drogenopfern Geschichte zu machen. Chinas Handelsüberschuss verwandelte sich durch die erzwungenen ungleichen Verträge in ein Defizit. Der englische Silberabfluss ins Reich der Mitte wurde durch Krieg gestoppt. Die USA zwangen 1853 das isolationistische Japan zur „Marktöffnung“. Der Vertrag von 1858 räumte den USA einseitige Handelskonzessionen, die „Exterritorialität“ der US-Bürger, sowie minimale Importzölle ein. Nichtimperiale Länder können „Freihandel“ nur bei vorgehaltener Waffe akzeptieren.
Nach dem die ehemaligen Kolonien sich unter großen Opfern endlich freigekämpft hatten, hofften die Kämpfer ihre Wirtschaft neu aufbauen zu können. Dazu brauchten sie Kredite und Absatzmärkte. Der „Volcker-Shock“, eine massive Heraufsetzung der Leitzinsen in den USA 1981, machte die Kredite für die „Dritte Welt“ astronomisch teuer und gleichzeitig verfielen die Handelsraten (Terms of Trade). Fast alle „Entwicklungsländer“ fanden sich in der Schuldenfalle wieder.
Die Schulden waren die Kriegsschiffe des 20. Jahrhunderts. Wer nicht mehr zahlen konnte, wurde unter das Joch des „Washingtoner Consensus“ gezwungen, jenes Bündel von Liberalisierungs-, Deregulierungs- Kürzungs- und Privatisierungsmaßnahmen mit dem IWF und Weltbank ganze Weltregionen ins Elend des „freien Handels“ stürzten.
Wer noch der empirischen Belege zu den Wirkungen von „Freihandelszonen“ im wieder weltweit entgrenzten Kapitalismus bedarf, findet sie in der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA. Mexiko ist heute, nach 20 Jahren NAFTA ein zerstörtes Land, in dem die Mafia regiert. Millionen Kleinbauern verloren ihre Existenz, weil sie mit den Preisen (20 Prozent unter den Produktionskosten) der hochsubventionierten Agro-Indus-trie der USA nicht standhalten konnten. Der ehemalige Selbstversorger Mexiko muss heute 60 Prozent seines Weizens und 70 Prozent seines Reis importieren. NAFTA ist wie TTIP und CETA ein Verelendungsabkommen.
Zudem haben europaweit mehr als drei Millionen Menschen inzwischen die selbstorganisierte Europäische BürgerInneninitiative (sEBI) gegen diese Abkommen unterzeichnet! Gemeinsam haben wir deutlich gemacht: Wir wollen und werden TTIP und CETA kippen! Diese beiden großen Erfolge stärken unseren Widerstand, und wir werden nicht nachlassen.
In den nächsten Monaten müssen wir unser Engagement gegen CETA verstärken und brauchen dafür jede Unterstützung. Im Gegensatz zu TTIP ist CETA bereits ausverhandelt. Dieses Abkommen entzieht einem gerechten Welthandel die Grundlage. Während Öffentlichkeit und Parlamente ausgeschlossen blieben, erhielten Wirtschaftslobbyisten erheblichen Einfluss auf den Vertragstext, der in Kürze an den Europäischen Rat und das Europaparlament zur Zustimmung weitergereicht wird. Wir müssen diese Ratifizierung verhindern!
Am Samstag haben wir gemeinsam Geschichte geschrieben: 250.000 Menschen strömten in das Berliner Regierungsviertel – eine der größten Demonstrationen, die dieses Land je gesehen hat. Es war unglaublich: überall Fahnen und Transparente gegen TTIP und CETA, Entschlossenheit in den Gesichtern, kraftvolle Sprechchöre. Die Botschaft des Tages in allen Abendnachrichten: Diese Bürgerbewegung ist bereit, noch lange zu kämpfen. Sie ist gigantisch im Netz – und auch auf der Straße.
Ganz klar: Die TTIP-Befürworter sind nervös. Kurz vor der Demo schmähten sie die Aktiven des breiten Bündnisses als Opfer einer „Empörungsindustrie“ – und stempelten sie sogar als „einfach strukturiert“ ab. Den Monsantos, Bayers und Googles dieser Welt scheint längst jedes Mittel recht – und sie geben noch lange nicht auf. Denn es geht um viel Geld, Einfluss und Macht.
Die „einfach strukturierten“ Bürger jedoch haben das durchschaut. Vergangenen Dienstag lief die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA mit 3.263.922 Unterschriften ins Ziel ein. Die größte, die es bisher gab!
Und dann die 250.000 Menschen auf den Straßen Berlins: Was für ein Ereignis, was für ein Signal!
Doch um TTIP und CETA wirklich zu Fall zu bringen, werden wir viel Ausdauer brauchen. Wir müssen nicht nur dranbleiben, sondern weiter kräftig zupacken. Als nächstes beim SPD-Parteitag in Berlin im Dezember, wenn um die Abkommen gerungen wird. Und dann bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Berlin, wo sich entscheidet, ob es im Bundesrat eine Mehrheit gegen TTIP und CETA gibt.
Noch haben wir die Möglichkeit, auf die politischen Entscheidungen zu CETA Einfluss zu nehmen – unter anderem auf den Parteitagen von CDU, SPD und auch von den Grünen Ende dieses Jahres.
Um das Thema TTIP in den Köpfen zu halten und den Widerstand auszubauen, haben wir einiges vor. Wir wollen... :
Mitte Dezember vor dem Parteitag der Regierungspartei SPD die TTIP-kritischen Delegierten stärken. Überall im Land werden wir sie bei Aktionen vor SPD-Büros oder Bürgersprechstunden auffordern, die von der Partei gezogenen roten Linien gegenüber Sigmar Gabriel weiter zu verteidigen.

im nächsten Jahr vor den Landtagswahlkämpfen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz den Grünen, der SPD und den Linken das Versprechen abringen, dass sie CETA und TTIP im Bundesrat ablehnen. Denn ohne diese Parteien hat die Große Koalition im Bund keine Mehrheit dafür.

auch in Bayern Dampf machen. Und zwar mit einer regionalen Kampagne, die die TTIP-kritische CSU-Basis gegen ihre Parteioberen mobilisiert.

vor den Büros der deutschen Abgeordneten präsent sein, wenn nächsten Jahres die Ratifizierung von CETA im Europaparlament ansteht.

eine große Aktionskonferenz unterstützen, die die vielen lokalen Initiativen gegen TTIP und CETA vernetzt.