Kölnische Rundschau am 27. April 2016:
Deutschlands Jugend ist angepasst
Köln 27. April 2014. An den beiden Tagen der Verdi-Warnstreiks im öffentlichen Dienst demonstrieren Tausende gewerkschaftlich organisierte Jugendliche zusammen mit ihren Kollegen und werben für ihre Forderungen:
- 30 Tage Urlaub auch für Auszubildende,
- kostenlose Ausbildungsmittel,
- Übernahme der Fahrtkosten,
- unbefristete Übernahme nach erfolgreicher Ausbildung im erlernten Beruf,
- Erhöhung der Entgelte um sechs Prozent,
- 100 Euro mehr Ausbildungsvergütung:
„Dreist, gierig, unverschämt“ oder angepasst?
Das ist nach Auffassung der Arbeitgeber „überzogen, unverschämt, unbezahlbar“. Darauf antwortet die Jugend mit Fahnen und Transparenten ihrer Gewerkschaft und markiert sich selbst als „dreist“, „gierig“, „umverschämt“, „besser unbequem“. Am selben Tag erscheint eine Sinus-Studie, die auf einer dürftigen empirischen Grundlage von 72 „Tiefeninterviews“ mit Jugendlichen generelle Anpassungsbereitschaft und selbstverständliche Akzeptanz von Leistungsnormen und Sekundärtugenden bescheinigt. Solche Studien erinnern an die Marplan-Studie von 1967, in der über die seinerzeitige Jugend behauptet wurde, sie befürworte nicht nur die Patriarchenrolle des Vaters in der Familie, sondern akzeptiere auch weitgehend die traditionellen Werte des Elternhauses, also Anpassung an materiellen Erfolg und ein Übermaß an Sicherheitsdenken.
Irgendwie hat sich die damalige Jugend dann doch nicht an die Marplan-Studie gehalten.
In der Tat geht es um Anpassung, aber selbstverständlich um eine Anpassung der Lebensumstände an die drängendsten Bedürfnisse, der Löhne an die teure Realität und überhaupt des Niveaus politischer Aktionen an die Interessenlage.