Energiepreispolitik

Strommasten, Schornsteine, dampfende Kühltürme.

Warum der Strom wirklich teurer wird

Referat auf der Kreisvorstandssitzung

12. Juni 2012 | Die Industrie beschwert sich über die Höhe des Strompreises. Sie bezahlt in Deutschland 10,13 Cent/kWh, mehr als die Industrie in den Nachbarländern – in den Niederlanden: 7,88 Cent, in Spanien 7,12 Cent, in Frankreich 6,31 Cent. Das sei ein schwerer Wettbewerbsnachteil stellte das Handelsblatt am 23. Mai 2012 fest und untertitelte: „Trotz der Energiewende soll Strom bezahlbar bleiben, hat die Kanzlerin versprochen – doch die Preise explodieren. Verbraucher und Wirtschaft zahlen die Zeche – Deutschland droht eine schleichende Deindustrialisierung.“

In der Tat sind die Energiepreise in Deutschland dramatisch gestiegen. Allein in den vergangenen zehn Jahren um 57 Prozent, berichtet das Handelsblatt. Das sei vor allem der Förderung der erneuerbaren Energien geschuldet, die in diesem Jahr ein Volumen von 14,1 Milliarden Euro erreichen werde. Am stärksten von den Strompreisen betroffen seien die Chemie-, Metall- und Papierindustrie. In der Aluminiumbranche belaufen sich die Stromkosten auf über 40 Prozent der Gesamtkosten.

Die Unternehmensberatung McKinsey prognostiziert, dass sich die Kosten für die Energiewende zwischen 2011 und 2020 auf 175 Milliarden Euro summieren werden. Allein im Jahr 2020 werden die Stromverbraucher demnach Kosten von 21,5 Milliarden Euro tragen müssen, die nur durch den Umstieg auf die erneuerbaren Energien verursacht werden.

Nun verschwieg aber das Handelsblatt wie alle anderen Medien einen monatealten Bericht der Bundesnetzagentur. Darin heißt es, daß einige hundert Firmen rund 18 Prozent des deutschen Stroms verbrauchen, aber nur 0,3 Prozent der Umlage für erneuerbare Energien zahlen. Dieser Bericht ist erst nach der NRW-Wahl veröffentlicht worden. Der SPIEGEL vom 15. Mai: Auf die gewerblichen Kleinverbraucher und die privaten Haushalte würden Kosten von rund 2,5 Milliarden Euro abgewälzt.

Nun unterscheidet das Handelsblatt in seinem Bericht ohnehin nicht zwischen Industrieverbrauch und Privathaushalt, wenn sie vom Stromverbraucher spricht, gewissermaßen vom ideellen Stromgesamtverbraucher. Schlimm findet das Blatt den Preis von 10 Cent/kWh, indes bezahlt der Privatverbraucher mittlerweile in Köln 27 Cent. Die gehen an die Rheinenergie. Das ist etwas mehr als der NRW-Durchschnitt von 25 Cent. Dieser Preis gilt für den Durchschnittshaushalt mit Durchschnittsverbrauch von 4000 kWh im Jahr. Knapp unter 1000 Euro im Jahr.

47% des Stromverbrauchs fallen auf die Industrie, 27% auf die privaten Haushalte, 14% auf Handel und Gewerbe. Öffentliche Einrichtungen verbrauchen 8%, der Verkehr 3% und die Landwirtschaft 1%. Im vergangenen Jahr haben wir mit Blick auf ein Gutachten von Prof. Uwe Leprich und Prof. Andy Junker darauf hingewiesen, daß die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, wenn sie hätte durchgesetzt werden können, den vier großen Energiekonzernen 50 Milliarden zusätzliche Gewinne beschert hätten.

Diese Laufzeitverlängerung musste angesichts der Proteste im Gefolge von Fukushima zurückgenommen werden. Damit sind der Viererbande Riesengewinne entgangen. So hat die AKW-Abschaltung RWE einen Gewinneinbruch im Jahre 2011 beschert. Das betriebliche Ergebnis des Konzerns sank um 24 Prozent auf 5,8 Milliarden Euro. Das Nettoergebnis verringerte sich sogar um 45,4 Prozent auf 1,8 Mrd Euro.

Das soll sich ändern. Angestrebt werden 7 Milliarden Euro (Focus online 10. Mai). Der Fehlbetrag für E.ON betrug im Jahr 2011 2,2 Milliarden Euro. Im ersten Quartal 2012 rechnet E.ON aber mit einer deutlich verbesserten Ertragslage, teilt VERIVOX am 3. Mai mit. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat seine Gewinne zum Jahresauftakt wieder kräftig gesteigert. Der Nettogewinn verdoppelte sich nach dem Einbruch 2011 im ersten Quartal auf rund 1,56 Milliarden Euro.

Auch Deutschlands drittgrößter Energiekonzern EnBW hat zwei seiner vier Atomkraftwerke abschalten und eine Verringerung des Gewinns hinnehmen müssen. Im Auftaktquartal dieses Jahres stieg zwar der Umsatz um 1,4 Prozent auf 5,1 Milliarden Euro, der operative Gewinn sank aber um 4,4 Prozent auf bemitleidenswerte 914,8 Millionen Euro. Damit ist etwa das Bermudadreieck umrissen, in dem der Kampf um die Gewinne tobt. Die Energiekonzerne drängen auf eine Kompensation ihrer Verluste nach der Abschaltung eines Teils der AKWs, demgegenüber beansprucht die energieverbrauchende Industrie Preisprivilegien.

Am Ende wird die Bevölkerung zahlen. Jetzt schon werden wir auf phantastische Preiserhöhungen eingeschworen. Die Kölnische Rundschau (KR) am 7. Juni: „Strom- und Gaskunden drohen Preiserhöhungen auf breiter Front. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, dass die Bundesnetzagentur in der Vergangenheit den Anlagenwert der Strom- und Gasnetze zum Nachteil der Betreiber zu niedrig kalkuliert habe.“ Der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier sei unverändert davon überzeugt, schreibt die KR, dass der Ausstieg aus der Atomkraft die richtige Entscheidung gewesen sei. 2022 soll das letzte deutsche Atomkraftwerk abgeschaltet werden.

Wind, Sonne, Biomasse und Wasser müssten zum Rückgrat der Energieversorgung in Deutschland gemacht werden. Aber: Die Energiewende werde es „nicht zum Nulltarif geben, das haben alle gewusst“. Am 24. Januar hatte die RheinEnergie mitgeteilt, daß ihre Strompreise nach 15 Monaten der Stabilität am 1. April 2012 um rund neun Prozent steigen würden. 2,4 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeute für einen durchschnittlichen Haushaltskunden mit 3.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch monatliche Mehrkosten von etwa 6 Euro brutto im Monat. Das Unternehmen erklärte dazu, dass es „ausschließlich gestiegene Kosten“ weitergebe. Es erwähnte dabei ausdrücklich Netznutzungsentgelte, Beschaffungskosten und die „neue“ Umlage zur Entlastung energieintensiver Industriezweige (sogenannte § 19-Umlage).

Diese Behauptung ist geprüft worden.

  1. Laut Veröffentlichungen der Rheinischen Netzgesellschaft (RNG) im Internet erhöhen sich die Netzentgelte für Strom im Stadtgebiet Köln (Strom-Netz 2) für Standardlastprofilkunden von 3,9 auf 4,62 um 0,72 Cent je Kilowattstunde.
  2. Beschaffungskosten Nach Angaben von Rheinenergie („Kölner Stadt Anzeiger“ vom 25. Januar 2012) beschafft der Versorger seinen Strom mit einer Vorlaufzeit von zwölf bis 15 Monaten. Daraus ergibt sich ein Beschaffungskostenanstieg von ziemlich genau 0,5 Cent je Kilowattstunde, der sich aus den EEX-Daten am Terminmarkt sehr gut bestimmen lässt.
  3. §19-Umlage Diese Umlage wurde für 2012 auf einheitlich 0,151 Cent pro Kilowattstunde festgelegt. Ergebnis: 0,8 Cent In der Summe ergibt sich eine Kostenerhöhung von 1,371 Cent je Kilowattstunde. Gleichzeitig gilt es jedoch, kostensenkende Effekte wie den Rückgang der KWK-Umlage in Höhe von 0,03 Cent je Kilowattstunde zu berücksichtigen. Somit verbleibt eine Kostenerhöhung von 1,341 Cent je Kilowattstunde. Hinzu kommt allerdings noch die Umsatzsteuer von 19 Prozent.

Insgesamt wäre eine Preiserhöhung von 1,60 Cent je Kilowattstunde berechtigt, sagt der Bund der Energieverbraucher auf seiner Homepage. Die tatsächliche Preiserhöhung liegt mit 2,4 Cent je Kilowattstunde jedoch erheblich höher.

Zum selben Thema hat MONITOR am 2. Februar eine Sendung gemacht.

Ich lese den Betrag in fast voller Länge vor, er ist sehr aufschlussreich und wie ich Euch kenne, hat nicht jeder diese Sendung sehen können. Sie hat den Titel:

Die Legende vom Strompreis: Warum der Strom wirklich teurer wird.

Monika Wagener: „Vielleicht haben sie auch in den letzten Wochen Post von Ihrem Stromanbieter bekommen und vielleicht stand da auch, man müsse leider, leider den Preis erhöhen, vor allem wegen Fukushima und wegen der Energiewende. Da hat man natürlich Verständnis. Und wer kann so eine Stromrechnung schon nachvollziehen, wenn da die Rede ist von Netzentgelten, Netzgebühren, Beschaffungspreisen und EEG-Umlagen. Dabei steckt in den spröden Zahlen der Stromrechnung politischer Sprengstoff. Es geht um Umverteilung – von den Großen zu den Kleinen.“

Energiewende lässt Strompreise explodieren. Das ist die Legende vom Strompreis. Nach Fukushima waren sich Politiker und Versorger einig; das Reaktorunglück hat die Preise hochgetrieben. Wir sind bei den Schaffraths in Köln. 800 € zahlt die vierköpfige Familie im Jahr für den Strom, und jetzt scheint die Prophezeiung der Politiker wahr zu werden: Denn ab April will der Stromversorger noch mal 70 € mehr. Hunderte Stromversorger erhöhen in diesen Monaten ihren Strompreis: um 4, 6 oder 8 %. Bei der RheinEnergie, dem Versorger der Schaffraths, sind es sogar 9 % mehr. Die RheinEnergie erklärt das ihren Kunden so: Zitat: „Unsere Bezugskosten sind – insbesondere durch den Atomunfall in Fukushima und die folgende Energiewende – gestiegen. Und außerdem wurden die ‚Netzentgelte deutlich angehoben.’“ Würden die Schaffraths wegen der Energiewende mehr für den Strom zahlen? Katrin Schaffrath: „Okay wäre es für uns, wenn wir wüssten, dass diese 60, 70 € bei den erneuerbaren Energien landen.“ Frank Schaffrath: „Dann, ... dann ist das ein Beitrag, bei dem ich mich sehr gut fühlen würde.“ Laut RheinEnergie sollen also Fukushima, die Energiewende und gestiegene Netzentgelte schuld sein am Preisanstieg. Wirklich?

Wir gehen der Sache nach. Ist der Atomunfall in Fukushima wirklich der Grund für die Preiserhöhung? Hier an der Leipziger Börse wird der Strompreis gemacht. Und hier stellt man seit Jahren fest: Die erneuerbaren Energien lassen den Strompreis sinken, weil sie unendlich zur Verfügung stehen.

Welchen Einfluss hat nun Fukushima auf den Preis? Ein kurzer Anstieg im März nach der Reaktorkatastrophe – dann sank der Strompreis an den Börsen im Sommer wieder deutlich. Bei der Verbraucherzentrale in Berlin lassen wir uns das genauer erklären. Gab es einen großen Preissprung durch Fukushima ? Eher nein. Frauke Rogalla, Bundesverband Verbraucherzentrale: „Es hat aber vielmehr eine Entwicklung dazu gegeben, dass insgesamt das Strompreisniveau nach unten gegangen ist. Es gibt Ausschläge an der Börse, wie an jedem Börsenhandel. Aber auch nach Fukushima ist das stabil geblieben im Schnitt. Und wir hatten im Januar sogar Preise, die unter dem Niveau von Fukushima gelegen haben.“

RheinEnergie wollte MONITOR keine Zahlen nennen. Also rechnen wir selbst. Die Schaffraths könnte der kurze Preisanstieg nach Fukushima 10,71 € kosten.

Das nächste Argument: Ist die Energiewende der Grund für die Preiserhöhung? Seit 2010 zahlt jeder Stromverbraucher für die Umstellung auf erneuerbare Energien eine Umlage. Nur die größten Stromschlucker müssen weniger bezahlen, zu Lasten der kleinen Stromverbraucher wie den Schaffraths. Für die Umlage der erneuerbaren Energien muss die Familie 2,14 € mehr bezahlen.

Und schließlich das dritte Argument: Die gestiegenen Netzentgelte. Treiben sie den Preis in die Höhe? Bundeswirtschaftsminister Rösler hat genau die Unternehmen davon befreit, die am meisten Strom verbrauchen. Über die Freude, die das bei der Industrie ausgelöst hat, konnte MONITOR schon im Oktober berichten. Annette Loske (27.10.2011), Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft: „Über diese Entlastung waren wir sehr überrascht, ja das ist richtig.“ Reporter: „Freudig überrascht.“ Annette Loske (27.10.2011), Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft: „Man wird auch manchmal freudig überrascht, das ist richtig.“

Für diese Geschenke an die energieintensiven Unternehmen zahlen die Verbraucher schon jetzt Milliarden – versteckt sind sie in ihren Stromrechnungen. Prof. Uwe Leprich ist Gutachter der Bundesregierung. Für ihn ist die Subventionierung der Unternehmen in dieser Höhe nicht gerecht. Prof. Uwe Leprich, Hochschule für Technik und, Wirtschaft, Saarbrücken: „Das ist unsolidarisch, meiner Ansicht nach. Wir können das Brett Energiewende als Gesellschaftswerk, glaube ich, nur stemmen, wenn alle mitmachen. Und da wäre auch die Politik gefordert, ja diesem Ausklammern der Industrie aus der Energiewende einen Riegel vorzuschieben.“

Halten wir fest: Für das Netzentgelt-Geschenk an die Industrie zahlen Schaffraths 5,35 € mehr im Jahr. Die Politik hat noch was versäumt, bei den Netzgebühren. Was den Schaffraths weitere 22,35 € beschert. Wir rechnen: Börsenpreis, Umlage für erneuerbare Energien, Netzgebühren und Steuern. Das macht zusammen 40,55 €. Die Schaffraths sollen aber 70 € bezahlen. Und der nicht ganz kleine Rest von 29,45 €? Darüber gibt RheinEnergie keine Auskunft. Jedenfalls bestreitet sie MONITOR gegenüber, einen Gewinn machen zu wollen.

Und was hat die Preiserhöhung jetzt mit der Energiewende zu tun? Frauke Rogalla, Bundesverband Verbraucherzentrale: „Die Preissteigerungen, die wir jetzt zum Anfang 2012 hatten, die haben erst mal noch nichts mit der Energiewende zu tun. Insofern ist es gerade jetzt ungerecht, das als Argument zu benutzen und vorzuschieben, das ist wirklich nicht nachvollziehbar.“ Milliarden für die Großindustrie zulasten kleiner Stromkunden. Und Wirtschaftsminister Rösler hat schon das nächste Geschenk parat. Denn er plant für die Großindustrie eine weitere Entlastung. Ein Entwurf seines Ministeriums sieht vor, bis zu 102 Millionen Euro sollen die Großunternehmen bekommen, als Vorsorge für eventuelle Stromengpässe im Netz. 100 Millionen Euro mehr als nach einem Gutachten ursprünglich dafür veranschlagt waren. Auch diese Mehrkosten werden Kunden wie die Schaffraths demnächst auf ihren Stromrechnungen wiederfinden. Sie sollen lieber nicht erfahren, dass die Strompreiserhöhungen kaum etwas mit der Energiewende zu tun haben. Dafür sorgen wohl eher die Geschenke an die Großindustrie. Frank Schaffrath: „Das ist ja ein Schlag ins Gesicht ..., dass ich denen Dinge bezahle, die anders abgesprochen und anders in den Medien auch vermittelt werden und ich vielleicht sogar noch guten Gewissens dieses Geld bezahlen würde. Und nachher kommt raus, nie, ist gar nicht, sondern die Großen subventionieren sich da.“

Was hat es denn auf sich mit der Energiewende? Findet sie statt, wer verdient daran?

Soweit MONITOR. Festzuhalten ist für uns: Atomenergie ist ein gutes Geschäft für die Energiekonzerne. Der Ausstieg aus der Atomenergie kann es ebenfalls werden, wenn hohe Preise für Energie als Tribut für die sogenannte Energiewende, als Entwicklungskosten erneuerbarer Energie plausibel gemacht werden. Die Kostenanteile der großen Energiekonzerne werden aber selbst von MONITOR nicht kritisiert. MONITOR greift in diesem Beitrag nicht die Vorgaben der großen Energiekonzerne an, sondern die staatlichen Stellen und einen kommunalen Versorger. Wir sollten die Kritik an den Energiepreisen mit einem Hinweis auf den Artikel 27 der Landesverfassung verbinden: (1) Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden. (2) Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.

Klaus


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