Bezahlbare Mieten
Vortag auf der Kreismitgliederversammlung der Düsseldorfer DKP – wir dokumentieren:
Kann der Wohnungsmarkt für
bezahlbare Mieten sorgen?
Ministerpräsident Laschet ist gestern (13. September 2017) in seiner Regierungserklärung kurz auf die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum eingegangen. Er verspricht sozialen Wohnraum. Junge Familien sollen ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen können.
Die Regierung habe eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, um bei der Grunderwerbssteuer einen Freibetrag für selbstgenutztes Wohneigentum einzuführen. Zudem will sie die Eigentumsförderung bedarfsgerecht anheben, Baugenehmigungsverfahren beschleunigen, die Landesbauordnung überarbeiten und Hemmnisse zur Ausweisung von Wohnbauflächen aus dem Landesentwicklungsplan entfernen. Auch im Koalitionsvertrag wird bezahlbarer Wohnraum versprochen. CDU und FDP wollen den Wohnungsbau durch die Schaffung von Eigentum ankurbeln. Zitate: «Die wirksamste Maßnahme, um den Mietpreisanstieg unter Kontrolle zu bringen, sind Investitionen in neue Wohnraumangebote. Deshalb wollen wir die Rahmenbedingungen für Investoren so verbessern, dass es wieder attraktiv wird, in Nordrhein-Westfalen Wohnraum zu schaffen.»
«Die Mietpreisbremse hat in Nordrhein-Westfalen ihren Zweck nicht erfüllt. Sie hat nicht die Mieten gebremst, sondern private Investitionen in den Wohnungsbau. Um das Angebot auf dem Wohnungsmarkt zu vergrößern und für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, wollen wir private Investitionen wieder attraktiver machen.»
«Das Bundesrecht enthält bereits einen weitreichenden Mieterschutz. Darüber hinausgehende landeseigene Regelungen sind daher nicht erforderlich. Die Kündigungssperrfristverordnung, die Zweckentfremdungsverordnung, die Umwandlungsverordnung werden wir aufheben, das Wohnungsaufsichtsgesetz überprüfen.»
Auch das Wahlprogramm von CDU und CSU zur Bundestagswahl verspricht unter dem Titel «Eigentum und Wohnraum für alle» ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum. Ziel sei der Neubau von 1,5 Millionen Wohnungen im Zeitraum von 2017 – 2021. Wohnungsbau sei der beste Mieterschutz und das beste Mittel gegen ausufernde Mietpreise. Die CDU/CSU lehnen eine «überbordende Regulierung» ab. Neubau von Mietwohungen soll steuerlich gefördert werden. Sie planen eine degressive AfA, also die Möglichkeit, Wertminderung durch Abnutzung steuerlich geltend zu machen. Das Wohngeld wollen sie reformieren. Steuerlich begünstigt werden soll außerdem die Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen in Bauland und die Reinvestition der dabei erzielten Einnahmen in den Mietwohnungsbau. Grundstücke des Bundes sollen billig an Städte und Gemeinden abgegeben werden. Ausdrücklich wollen sie in diesen Fällen vom Wirtschaftlichkeitsprinzip abweichen. Für Investoren sollen mittels Abschaffung überflüssiger Vorschriften Kostensenkungspotenziale erschlossen werden. Steuerlich fördern wollen sie die energetische Gebäudesanierung - wohlwissend, dass wir es bei den folgenden Mietaufschlägen mit einem der wirksamsten Hebel der Gentrifizierung zu tun haben. Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit werden sich mehren.
Auch das Baukindergeld soll Wohnungsneubau befördern.
Kurz gesagt: CDU und CSU wollen ebenso wie schon die Landesregierung auf dem Wohnungsmarkt die Marktkräfte entfesseln. Dabei liegt es auf der Hand, dass just dieser Markt die Wohnungsnot schafft und braucht. Im Sinne der Investoren funktioniert er schon ganz wunderbar.
In der anhaltenden Überproduktionskrise suchen die Anleger aus Furcht vor Entwertung verzweifelt nach lohnenden Investitionsobjekten. Und finden sie insbesondere auf dem Gebiet der Immobilien.
Das Handelsblatt schwärmte am 26. April: gekauft werde, was das Zeug hält. Der internationale Immobiliendienstleister Cushman & Wakefield stellte fest, dass die Kaufwut noch mal zulege. In diesem Jahr allein für 1,4 Billionen Dollar. Die gewaltige Zahl komme zustande, weil Versicherer und Pensionsfonds Monat für Monat Milliardenbeiträge einnehmen – und nicht wissen, wohin damit, schreibt das Handelsblatt.
Die Märkte seien heiß gelaufen, Aktien entsprechend teuer. Außerdem brächten sie Unruhe ins Portfolio, weil ihre Kurse schwanken. Anleihen wären das Mittel der Wahl, doch zumindest erstklassige Staatsanleihen bringen kaum noch Rendite (die der zehnjährigen Bundesanleihe bewegt sich seit Monaten nahe Null). Da kommen Immobilien als Anlageform gelegen, vor allem, wenn sie regelmäßige Mietüberschüsse erwarten lassen.
Das Problem: Die weltweite Nachfrage nach Immobilien übersteige das Angebot. Deutschland zählte bereits im vergangenen Jahr zu den drei wichtigsten Investitionszielen ausländischer Käufer. Sie erwarben hierzulande Gebäude für 27 Milliarden Dollar. Mehr Geld aus dem Ausland zogen lediglich die USA mit 63 Milliarden Dollar und Großbritannien mit 31 Milliarden Dollar an.
Yvo Postleb, Deutschlandchef von Cushman & Wakefield, ist überzeugt: «Deutschland ist der führende Immobilienmarkt Europas, insbesondere die Hauptstadtregion Berlin liegt weiterhin im Fokus internationaler Investoren. Cushman & Wakefield sieht hier deshalb weiteres Wachstumspotenzial; auch wenn der Objektmangel in Berlin das Geschäft für die Käufer erschwert.» Objektmangel ist für die großen Maklerhäuser das Stichwort: Vor allem im vergangenen Jahr klagten sie, sie könnten viel mehr verkaufen, wenn sie nur Verkäufer fänden. In diesem Jahr hat sich das zumindest etwas gebessert. In keinem ersten Quartal wurde auf dem Gewerbeimmobilienmarkt mehr umgesetzt als im vergangenen.
In den fünf wichtigsten deutschen Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München zählte das Analysehaus CBRE im ersten Quartal Kaufverträge über 15,8 Milliarden Euro – Wohnungsportfolios eingerechnet. Das ist ein sattes Plus von rund 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Da wundert es nicht, dass die Marktkräfte dafür sorgten, dass beispielsweise in Köln in den vergangenen 5 Jahren die Kaltmieten bei Neuvermietungen um 36 Prozent gestiegen sind – von durchschnittlich 9,12 € pro Quadratmeter auf 12,39 Euro. Das berichtete der wdr am 16. August in der Sendung «Wohnung verzweifelt gesucht - Warum die Mieten explodieren». Eine Konsequenz sei, dass Berufstätige im Alter zwischen 30 und 60 Jahren und Familien ins Umland ziehen und die täglichen Pendlerströme vergrößern.
Ende Mai legte im Auftrag des Verbändebündnisses Wohnungsbau, dem neben den Verbänden der Bauwirtschaft der DMB und die IG BAU angehören, die Prognos AG eine Studie vor, die noch sehr zurückhaltend ein Ungleichgewicht von Angebots- und Nachfrageentwicklung konstatiert. Sie stellen aber vor allem bei den bezahlbaren Wohnungen den Mangel fest. «Im Zuge der erheblich gestiegenen Grundstückspreise und Baukosten findet der Wohnungsneubau gerade in den Ballungszentren zum überwiegenden Teil im hochpreisigen Segment statt. Eine wachsende Lücke zeichnet sich dagegen beim sozialen Wohnungsbau bzw. im niedrigen und mittleren Preissegment ab. In diesen Segmenten ist die Bautätigkeit vergleichsweise gering und im Vergleich zum Bedarf weit unterdurchschnittlich, während die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum anhaltend hoch ist bzw. steigt. Mit anderen Worten: Es wird nicht nur zu wenig gebaut, sondern auch zu teuer.»
Mit Bezug auf eine Pestel-Studie aus dem Jahr 2015 stellt Prognos für den Zeitraum 2009 bis 2015 ein Wohnraumdefizit von 800.000 Wohnungen fest, nachdem in den Jahren 2012 bis 2014 rund 200.000 Wohnungen pro Jahr und 2015 260.000 Wohnungen fertig gestellt worden seien. In den Jahren 2009-2016 wurden in Deutschland insgesamt 1 Million Wohnungen zu wenig gebaut. Um das auszugleichen, müssten im Zeitraum 2016 bis 2020 pro Jahr 400.000 Wohnungen neu errichtet werden. Die Neubautätigkeit deckt aber allenfalls die Hälfte des faktischen Bedarfs. Und just im Mietwohnungsbau sei das Defizit signifikant. Hier klaffe eine Lücke von 140.000 neu zu bauenden Mietwohnungen, davon allein 80.000 Sozialwohnungen. Der Bestand an Sozialwohnungen geht ohnehin zurück. Im Zeitraum 2002 bis 2013 sank er von 2,5 Millionen auf unter 1,3 Millionen Wohnungen, von 12 auf 7% des Geschosswohnungsbestands. Und im Zeitraum 2016 bis 2020 fallen weitere 190.000 Wohnungen aus der Belegungsbindung.
Auch 2016 wurden nur 278.000 Wohnungen fertig, also 69 % des Bedarfs von 400.000 Wohnungen.
Die Studie konstatiert noch die regionalen Unterschiede. Danach habe in Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt und Stuttgart die Bevölkerung sehr stark zugenommen, aber die nur durchschnittliche Angebotsentwicklung einen extremen Nachfrageüberhang bewirkt. Das führe zu einem überproportionalen Anstieg von Immobilienpreisen und Mieten. Seit 2011 hätten die Einkommen lediglich um 7,7 % zugelegt, während im gleichen Zeitraum die Mieten in den genannten Städten um mehr als 17 % zugenommen hätten. In Düsseldorf sind die Mietpreise bei Erst- und Wiedervermietung pro Quadratmeter von 8,03 Euro auf 9,92 Euro, also jährlich um 4,3% gestiegen, und wenn man den Blick auf die Erstvermietung richtet, sogar von 8,62 Euro auf 12,55 Euro, also um 7,8% im Jahr.
(Köln: 8,20 auf 9,94 Euro, also 3,9% bzw. 9,12 auf 12,39 Euro, also 6,3%)
Ich kann hier nur einen knappen Blick auf die Erscheinungen der Wohnungsnot werfen. Sie ist mittlerweile das soziale Problem Nr. 1. Merkwürdigerweise hat es im Bundestagswahlkampf keinen Platz. Die vier Journalisten, zwei von öffentlich-rechtlichen Sendern und zwei von Privaten, die am 3. September Merkel und Schulz befragten, wollten über Mieten und Wohnungsprobleme nichts wissen. Sie interessierten ohnehin kaum für soziale Probleme, stattdessen mehr für Fragen von Sicherheit und Ordnung, der Verweigerung von Asyl, für Obergrenzen und Abschiebungsmöglichkeiten – Themen, zu denen AfD und Nazis gern ihre Hetze verbreiten.
Bevor ich mich zu den Forderungen und Initiativen äußere, die von uns ausgehen könnten, kommt noch ein Hinweis auf die Aktivitäten der neuen Landesregierung. Ich habe es schon, als die Information noch ganz frisch war, in Solingen erzählt:
Der neue Finanzminister heißt Lutz Lienenkämper. Er ist Mitglied der CDU. Am 25. Juli ließ er mitteilen, dass Marcus Hermes am 1. September, den Posten des Geschäftsführers des Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB) NRW antreten wird. «Es ist uns gelungen, in Marcus Hermes einen ausgewiesenen Fachmann zu finden».
Dieselbe Presseerklärung sagt auch: «Der BLB NRW ist Eigentümer und Vermieter fast aller Immobilien des Landes Nordrhein-Westfalen. Mit mehr als 4.100 Gebäuden, einer Mietfläche von etwa 10,2 Millionen Quadratmetern und jährlichen Mieterlösen von rund 1,3 Milliarden Euro verwaltet der BLB NRW eines der größten und anspruchsvollsten Immobilienportfolios Europas.» Anders gesagt, der BLB NRW ist der zweitgrößte europäische Immobilienkonzern. Er gehört dem Land NRW. Seine Rechtsform ist noch nicht sehr alt. Das Bau- und Liegenschaftsbetriebsgesetz – BLBG – ist am 12. Dezember 2000 verabschiedet worden, wenige Monate, nachdem Wolfgang Clement als Ministerpräsident, damals noch SPD, wiedergewählt worden war. Nach diesem Gesetz hat der BLB «die Aufgabe, Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte für Zwecke des Landes nach kaufmännischen Grundsätzen zu erwerben, zu bewirtschaften, zu entwickeln und zu verwerten und dabei die baupolitischen Ziele des Landes zu beachten.» (§ 2,1 BLBG).
Der BLB ist nach Rechtsform und Inhalt auf Privatisierung ausgerichtet. Die Forderung nach Beachtung baupolitischer Ziele des Landes hat allenfalls die Funktion eines Feigenblatts. Zwangsläufig müssen die Aktivitäten des BLB zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung in Widerspruch geraten. Und so kam es und das fiel auch auf.
Denn es kam zu zahlreichen Korruptionsaffären. Am 13. Februar 2017 ist der ehemalige Geschäftsführer Tiggemann wegen Bestechlichkeit zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, just in einem der Gebäude, die Gegenstand seiner Geschäfte gewesen sind, und zwei Tage später wurde der Schlussbericht des BLB-Untersuchungsausschuss des Landtages veröffentlicht. Dreistellige Millionenbeträge sind dem Land verloren gegangen. Schon im August 2014 waren die Affären Gegenstand öffentlicher Debatten.
Die FDP seinerzeit: «Bloße kosmetische Veränderungen innerhalb des BLB NRW reichten daher nicht aus, um die horrende Verschwendung von Steuergeldern zu stoppen. Es bedürfe vielmehr einer Überführung des BLB NRW in grundlegend neue Strukturen und einer Neukonzeption der Immobilienbewirtschaftung des Landes. Die FDP fordert ein Kompetenzzentrum, das die Anforderungen an die Bereitstellung von Liegenschaften durch optimale Ausschreibungen am Markt und wettbewerbliche Vergaben an Dritte umsetze. Das operative Geschäft sei extern zu organisieren und durchzuführen.»
Auch die CDU verlangte in ihrem Antrag vom 1. April 2014 neue Strukturen beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb. Wie die FDP bezeichnete sie die Vorgänge als skandalös und forderte, dass der BLB zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts weiterentwickelt und der bisherige Verwaltungsrat in einen parlamentarischen Beirat umgewandelt werde. Ein Aufsichtsrat, angereichert mit «immobilienwirtschaftlichen Fachleuten», soll den BLB lenken. Denn auch die CDU hielt die Gelegenheit günstig zur Forcierung des Privatisierungskurses, sie will den Teufel mit dem Beelzbub austreiben.
Über Marcus Hermes teilte das Finanzministerium in der erwähnten Presseerklärung vom Juli mit, dass er seit über 18 Jahren in der Bau- und Immobilienwirtschaft tätig gewesen sei. Wörtlich: «Mit seiner Expertise und Erfahrung wird er insbesondere die kaufmännische Ausrichtung des BLB NRW weiter stärken. Zwischen 2003 und 2013 arbeitete der Ökonom als Geschäftsführer und Finanzchef für verschiedene Gesellschaften im Hochtief-Konzern.» Die Hochtief Aktiengesellschaft hat ihren Sitz in Essen wie RWE. RWE war bis 2004 Mehrheitsaktionär. Seit 2011 gehört er zur spanischen ACS-Gruppe.
Ich hatte oben schon von der Überproduktionskrise gesprochen, die zu einem Mangel an seriösen und profitablen Anlagemöglichkeiten führt. Im Bereich der Immobilien deutet sich eine Finanzblase an, also eine Überbewertung, die die Gefahr plötzlicher Wertverluste birgt. Wir müssen davon ausgehen, dass die neue Landesregierung solchen Investoren, die ihr Geld in Immobilien anlegen, mit ihrer Personalentscheidung beim BLB die Weichen für neue Anlagemöglichkeiten stellen will. Es kündigen sich neue Orgien der Privatisierung an. Zumal im Fall des BLB allenfalls die korrumpierten Geschäftsführer belangt werden. Die millionenschweren Korrumpeure und Nutznießer dieser Geschäfte zu Lasten des Landeshaushalts laufen frei herum und machen weiter mit der Folge, dass aus öffentlichen Gebäuden und Grundstücken teure private werden, die zu kostbar sind, um darauf bezahlbare Wohnungen zu errichten.
Was hilft? Stadt und Land müssen selbst bauen - auf Gelände, das ihnen gehört. Deswegen müssen sie es behalten und nicht nach kaufmännischen Grundsätzen verwerten. Und beim Wohnungsbau ist es einfach nicht zweckdientlich, private Gewinne zu subventionieren, noch dazu mit Summen, die an die Baukosten heranreichen. Wir wollen preiswerten öffentlichen Wohnungsbau.
Was ist zu tun?
In der UZ von morgen findet Ihr auf der Seite 5 einen Artikel über eine Aktion in Nürnberg, dem ein Kasten mit Forderungen des Nürnberger Sozialforums beigesellt ist. Diese Forderungen entsprechen dem gegenwärtigen Niveau der Auseinandersetzungen und sind vernünftig
1. Neue Wohnungsgemeinnützigkeit
Wir fordern die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit als Alternative zur renditeorientierten Wohnungswirtschaft
2. Mietenanstieg stoppen
Wir fordern eine wirksame, flächendeckende Begrenzung des Mietenanstiegs durch rechtlich verbindliche Mietspiegel, die das tatsächliche Mietenniveau aller Wohnungen abbilden
3. Keine Verdrängung durch Modernisierung
Die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete (§ 559 BGB) muss abgeschafft werden
4. Zwangsräumungen verhindern – Kündigungsschutz verbessern
Wir forden einen wirksamen Kündigungs- und Räumungsschutz für Mieter und Mieterinnen
5. Leerstände beenden
Wir forden, dass die Vermietung von spekulativem Leerstand erzwungen werden kann. Instandbesetzungen müssen legalisiert werden
6. Neuausrichtung der Bodenpolitik
Wir fordern, dass der Ausverkauf öffentlicher Liegenschaften und Wohnungsbestände gestoppt und umgekehrt wird
7. Wohnungsunternehmen demokratisieren – Kollektive Rechte schaffen
Wir fordern kollektive MieterInnenrecht in allen Wohnungsunternehmen und echte Mitbestimmung im öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungssektor
Ich möchte auf die erste Forderung näher eingehen, weil sie häufig vergessen wird. Es handelt sich um die Forderung nach einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit.
Der eine oder andere wird sich sicher an die Neue Heimat und ihre Nachfolgerin, die LEG, erinnern, die seinerzeit von Rüttgers und seiner Regierung für sehr billiges Geld verschleudert worden ist. Auch in Düsseldorf wurden dagegen Unterschriften gesammelt.
Die Neue Heimat hat bis in die achtziger Jahren hinein etwa 200.000 Wohnungen als gemeinnütziges Unternehmen bewirtschaftet. Aber im Februar 1982 kam heraus, dass sich mehrere Vorstandsmitglieder persönlich bereichert hatten. Der Skandal wurde durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags aufgearbeitet. In der Folge verlor die Idee der Wohnungsgemeinnützigkeit an öffentlicher Zustimmung. Was ist die Idee der Gemeinnützigkeit? Gemeinnützige Unternehmen verzichten weitgehend auf Gewinn, erfüllen soziale Aufgaben und werden deswegen steuerlich frei gestellt.
Tatsächlich hatte der damalige Untersuchungsausschuss in seinem Schlussbericht am 7. Januar 1987 formuliert, dass sich die Wohnungsgemeinnützigkeit als bewährtes und schützenswertes Prinzip erwiesen habe, das auch in Zukunft im Interesse der Wohnungssuchenden und der Wohnungspolitik insbesondere in den Bedarfsschwerpunkten unverzichtbar sei.
Aber die interessierte Wohnungswirtschaft und entsprechende Kapitalgruppen nutzten die Gelegenheit zur Diffamierung der Idee der Gemeinnützigkeit. Das erleichterte die Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts durch das Steuerreformgesetz vom 3. August 1988. Es trat am 1. Januar 1990 in Kraft. Stoltenberg versprach als Finanzminister einen Gewinn von 100 Millionen DM an zusätzlichen Steuern für den Fiskus. Denn die Steuerprivilegien der gemeinnützigen Unternehmen der Wohnungswirtschaft wurden abgeschafft. Steuerbefreiung sei zur Schaffung gesunder und preiswerter Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung weder erforderlich noch geeignet. Für eine besondere gemeinnützigkeitsrechtliche Mietpreisbindung gäbe es keine Rechtfertigung mehr.
Bestehende Mietpreisbindungen und Wohnungsbelegungsrechte wurden in der Folge abgebaut. Wohngeldregelungen und sozialhilferechtliche Vorschriften traten an ihre Stelle.
Womöglich fiel die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit im Januar 1990 nicht ganz zufällig mit der Abschaffung der DDR zusammen. In der DDR-Verfassung von 1968 heißt es: «Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht auf Wohnraum für sich und seine Familie entsprechend den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und örtlichen Bedingungen. Der Staat ist verpflichtet, dieses Recht durch die Förderung des Wohnungsbaus, die Werterhaltung vorhandenen Wohnraums und die öffentliche Kontrolle über die gerechte Verteilung des Wohnraums zu verwirklichen.» Dieses Recht hat keinesweg automatisch auch Wohnraum verschafft, aber das in der Verfassung niedergelegte Grundrecht auf Wohnung verpflichtete die Wohnungswirtschaft der DDR auf ein Gemeinnützigkeitsmodell. Das war jetzt aber schnell Vergangenheit. Und so entfiel der Druck der Systemkonkurrenz, der auch in anderen Fragen als dritter Tarifpartner gewirkt hat.
Mit der Abschaffung der Gemeinnützigkeit wurden kommunale Bestände, Werkswohnungen und Genossenschaften auf den Finanzmarkt geworfen. Hier hatten sie Rendite zu erwirtschaften. Mittlerweile beherrschen große Hedgefonds und andere Kapitalgruppen den Wohnungsmarkt.
Sehr spät setzte die Diskussion über eine neue Gemeinnützigkeit ein. Sie mündete im vergangenen Jahr in Vorschläge von Grünen und Linkspartei. Die jeweiligen Gutachten stammen von Jan Kuhnert, bzw. Andrej Holm. Das Konzept ist so überzeugend, dass sich auch der Deutsche Mieterbund (DMB) dazu verhalten musste. Er installierte eine Kommission zu diesem Thema und drängt auf ein Gesetz für eine Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Bezüglich der Ausgestaltung der Forderungen stützt er sich auf Kuhnert und Holm. Im Kern geht es bei den gegenwärtigen Diskussionen um die Regeln und sozialen Bedingungen, die gewahrt sein müssen, damit ein Wohnungsunternehmen als gemeinnützig gelten und von Steuern befreit werden kann.
Anlässlich von Mieteraktionen in verschiedenen Städten am vergangenen Wochenende hat sich Patrik mit einer Erklärung an die Presse gewandt:
Am Ende heißt es «Immobilienkonzerne müssen vergesellschaftet werden. Erst dann können Städte endlich wirksam gegen steigende Mieten vorgehen und müssen sich nicht mehr hinter einer unbrauchbaren Mietpreisbremse verstecken. Weiterhin braucht es ein Verbot, unbebaute Grundstücke als Spekulationsfläche leerstehen zu lassen. Auch Entmietungen zum Zwecke der gewinnbringenden Weitervermarktungen gehören verboten.
Die Politik muss Wohnen endlich wieder als Grundrecht verstehen. Mietenwahnsinn und Verdrängung sind keine Naturgesetze. Die DKP fordert einen neuen kommunalen Wohnungsbau. Das Leerstands-Zweckentfremdungsverbot muss konsequent umgesetzt werden. Wir sind zugleich gegen Börsenspekulation mit Wohnraum und für das Verbot von kapitalistischen Immobilien-Großkonzernen.»
In der Tat benötigen wir am Gemeinwohl orientierte kommunale Wohnungsunternehmen, die ihre Wohnungen dauerhaft halten und nicht gewinnbringend bewirtschaften. Öffentliche Grundstücke dürfen nicht verkauft werden. Und wir wollen die Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Mit solchen Forderungen können wir Mieter organisieren, die sich gegen Gentrifizierung, Zwangsräumungen und Mieterhöhungen wehren.
Klaus Stein, Düsseldorf, 14. September 2017